Ein General, der Krieg und die Milliarden
Der Inspekteur der Luftwaffe gibt bei einer Veranstaltung in Huisheim Einblicke in seine Arbeit. Die ist vom Krieg in der Ukraine geprägt.
Der Angriff der Russen auf die Ukraine ist seit fast zwei Jahren ein permanent präsentes und beunruhigendes Thema. Nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch für Ingo Gerhartz, Chef der Luftwaffe der Bundeswehr. „Krieg in der Ukraine. Wer hätte das jemals gedacht?“, sagt der Drei-Sterne-General bei einer Veranstaltung in Huisheim. Bei dieser gewährt er Einblicke in seine Arbeit. Die ist geprägt von den Ereignissen in Osteuropa und deren Folgen.
Den Inspekteur eingeladen hat SPD-Bundestagsabgeordneter Christoph Schmid. Der hat regelmäßig mit Gerhartz zu tun, denn der Alerheimer ist Mitglied des Verteidigungsausschusses und zudem Berichterstatter für die Luftwaffe. Der Generalleutnant hält sich in diesen Tagen anlässlich der Sicherheitskonferenz in München auf und unternimmt von dort aus den Abstecher nach Huisheim. Vor annähernd 200 Zuhörerinnen und Zuhörern geht Gerhartz auf drei Punkte näher ein, die ihm wichtig sind. Die so viel kritisierte fehlende Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gelte nicht für alle Bereiche, betont der General.
Als Russland im Februar 2022 in der Ukraine einmarschierte, habe er gleich nach einer ersten Krisensitzung, die im Kanzleramt stattfand, den Chef (Kommodore) des Luftgeschwaders 74 in Neuburg angerufen. Der Auftrag: Es seien umgehend Kampfflugzeuge „nach vorne“in das Nato-Partnerland Rumänien zu verlegen: „Das war kurz nach 12 Uhr. Drei Stunden später waren Eurofighter auf dem Weg nach Rumänien.“Innerhalb weniger Tages hätten auch Patriot-Raketenabwehrsysteme der Bundeswehr in der Slowakei gestanden. „Wir haben gezeigt: Wir können das.“
Permanent beschäftigt Gerhartz auch die militärische Hilfe für die Ukraine. Dorthin gab die Luftwaffe unter anderem drei ihrer zwölf Patriot-Systeme ab. Die retteten seitdem dort täglich Menschenleben. Als ein Radargerät durch einen Treffer zerstört wurde, sei innerhalb von 24 Stunden Ersatz aus Deutschland geliefert worden. Als „ganz schwieriges Kapitel“bezeichnete Gerhartz die Herausforderung, einerseits solche Systeme der Ukraine zur Verfügung
zu stellen und andererseits die Verteidigungsfähigkeit im eigenen Land hochzuhalten.
Ebenfalls eine große Aufgabe bedeute die Modernisierung der Streitkräfte. Nach Ansicht des Generals handelt es sich dabei nicht um eine Aufrüstung, denn: „Wir haben so viel altes Gerät.“Dieses müsse schlicht durch neues ersetzt werden. 30 Jahre lang sei hauptsächlich gespart worden. Das Sondervermögen der Bundesregierung in Höhe von 100 Milliarden Euro für Neuanschaffungen sei für die Truppe „der Jackpot“gewesen: „Das gibt uns viele Möglichkeiten.“
Dass dabei nur die heimische Industrie zum Zug kommt, sei nicht möglich. So zum Beispiel beim Kauf neuer schwerer Transporthubschrauber, die der Bund bei Boing in den USA bestellt hat: „Um solche in Deutschland zu entwickeln, hätte man vor 15 Jahren das Geld haben sollen.“Freilich reiche das Sondervermögen nicht aus, um die Streitkräfte auf einem höheren technischen Niveau nachhaltig zu finanzieren. Unter dem
Strich habe man jedoch in den vergangenen Monaten „eine Menge geschafft“, so das Fazit von Gerhartz.
Der setzt sich in Huisheim in einer Dreierrunde mit Rudi Wais, Mitglied der Chefredaktion unserer Zeitung, und Christoph Schmid mit sicherheitspolitischen Fragen auseinander. Wais merkt an, die meisten Menschen in Deutschland hätten inzwischen realisiert, welches Gefahrenpotenzial im Osten herrscht und verstanden, dass die Bundeswehr deutlich mehr Geld brauche als bisher, um verteidigungsfähig zu bleiben. Schmid zitiert bezüglich der möglichen Schwächung der Bundeswehr durch Materiallieferungen in die Ukraine Bundeskanzler Olaf Scholz: „Wir liefern das, was der Ukraine hilft, und tun nichts, was
uns selber schwächt.“Gerhartz hält es für unabdingbar, die transatlantische Partnerschaft hochzuhalten. Der „Faden“in die USA dürfe nicht gekappt werden.
Der General macht deutlich, dass ihm der Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern wichtig ist. Die Truppe müsse in der Gesellschaft verankert sein. Deshalb stelle er sich auch den Fragen aus dem Publikum, in dem auch ein paar Friedensaktivisten sitzen, die vor der Sualafeldhalle mit einem InfoStand vertreten sind. Ein SPD-Mitglied aus Mertingen verweist auf Kritik, wonach die Bestellung von Hubschraubern des Typs H145M für die Bundeswehr „am operativen Bedarf vorbeigeht“. Ingo Gerhartz entgegnet, die verantwortlichen Kollegen des Heeres – vor allem dieses nutzt die leichten Maschinen, die Airbus Helicopters in Donauwörth produziert – hätten sich die Anschaffung sicher „sehr gut überlegt“. Die Luftwaffe sei mit den H145-Modellen „hoch glücklich“. Christoph Schmid wirft ein, die H145M solle nicht den Kampfhubschrauber
Tiger ersetzen. Der sei doch ein „bewährtes System“, sagt ein Mitarbeiter von Airbus Helicopters, der im Saal sitzt. Bekanntlich hat sich der Bund im Gegensatz zu anderen Staaten (noch) nicht dafür entschieden, den Tiger weiterzuentwickeln, der bis vor ein paar Jahren auch in Donauwörth hergestellt wurde. „Wir müssen uns erst klar werden, in welcher Rolle wir dieses System in Zukunft sehen“, erklärt der Bundestagsabgeordnete. Erst einmal werde der H145M geordert, der in der Einsatztaktik nicht an vorderster Front vorgesehen sei.
Ein Zuhörer stellt die Frage, wie es denn um die innere Sicherheit der Bundeswehr stehe: „Fühlen sich die Soldaten als Teil der Demokratie?“Schmid sagt, er habe in zahlreichen Begegnungen den Eindruck gewonnen, man könne sich „zu 100 Prozent auf die Bundeswehr verlassen“. Extremisten seien freilich auch unter den 180.000 Bundeswehr-Angehörigen zu finden. Jedoch: Mittlerweile habe man die Möglichkeit, diese schneller aus der Truppe zu entfernen.
„Wir haben gezeigt: Wir können das.“
Ingo Gerhartz, Chef der Luftwaffe