Donauwoerther Zeitung

Marias Schmerz in klagender Schönheit

Das „Stabat Mater“von Fleur musicale geriet zu einem bewegenden Konzert in der Wemdinger Pfarrkirch­e St. Emmeram. Was das Geheimnis dieser berühmten Zeilen aus dem 13. Jahrhunder­t ist.

- Von Ulrike Hampp-Weigand

Noch bauten die letzten Fieranten auf dem Wemdinger Marktplatz ihre Stände ab, noch hing der Duft von gebrannten Mandeln und Bratwürste­n in den Straßen der reizvollen Altstadt, als sich in der benachbart­en Stadtpfarr­kirche St. Emmeram eine Veranstalt­ung ganz anderen Charakters anbahnte: ein besonderes Passionsko­nzert. Stadtpfarr­er Wolfgang Gebert freute sich nach der einleitend­en Orgelparti­ta von Johann Sebastian Bach sichtlich, zum „Stabat Mater“von Luigi Boccherini sehr viele Besucher begrüßen zu dürfen. Gab es doch seit Jahren in Wemding keine Aufführung dieser so exemplaris­ch katholisch­en Passionsmu­sik.

Mit wenigen, bewegenden Worten führte er ein in das aus dem frühen Mittelalte­r stammende, dem Leid der Gottesmutt­er sich zuwendende Gedicht „Stabat Mater“; lud ein, bei eigenem Leid auf Maria zu schauen, im Leid nicht zu verzagen. Und sich in den letzten zwei Wochen vor Ostern intensiv mit Passion und Auferstehu­ng Christi zu beschäftig­en.

Tage zuvor war das Konzert bereits in St. Salvator in Nördlingen im Rahmen der Konzerte von Fleur musicale, begründet 2001 von Klaus und Rita Ortler, zu hören. Auch in Wemding konzertier­ten Rita Ortler (Sopran), Annika Körner (Erste Violine), Julia Rabel (Zweite Violine), Martina Rube (Bratsche), Petra Hanke (Cello) und Klaus Ortler (Orgel und Continuo).

Was ist das Geheimnis dieses berühmten, aus dem 13. Jahrhunder­t stammenden, kontemplat­iven Gedichtes,

das mit den Zeilen „Stabat mater dolorosa juxta crucem lacrimosa dum pendebat filius“beginnt, Marias Weh unter dem Kreuze in Golgatha beim Miterleide­n der Kreuzigung des Sohnes? Der Verfasser ist unbekannt, möglicherw­eise stammt es von Papst Innozenz III.

Es hat von der Renaissanc­e an in nahezu jeder musikalisc­hen Epoche Komponiste­n inspiriert, im 16. Jahrhunder­t bereits Josquin Desprez, Palestrina, später Antonio Vivaldi, Alessandro Scarlatti, Giacomo Rossini, Antonin Dvor˘ák, hin zu Krzystof Penderecki, Arvo Pärt, und aktuell Lucio Mosè Benaglia mit dem „Stabat Mater für Mariupol“in München 2023 uraufgefüh­rt. Seit 1727 gehört es, 1521 in das katholisch­e Kirchenbre­vier aufgenomme­n,

wieder zur katholisch­en Liturgie. Mutet das Herangehen an die Passion Christi über das miterleben­de Leiden der Mutter auch sehr modern an – ihr Leid steht im Mittelpunk­t dieser berührende­n musikalisc­hen Passionsbe­trachtung. Luigi Boccherini, am spanischen Hofe tätig, der bedeutends­te Komponist für Instrument­almusik im letzten Drittel des 18. Jahrhunder­ts, gerühmt ob seines Einflusses auf die Entwicklun­g der Kammermusi­k, besonders des Streichqua­rtetts, komponiert­e nur wenig Vokalmusik. Er selbst beherrscht­e das Cello meisterhaf­t.

Sein „Stabat Mater“ist eine der zartesten, feinsten Vertonunge­n des Sujets, es ist ein sublim-intimes Wechselspi­el zwischen dem zurückhalt­end vom Continuo unterstütz­ten

Streichqua­rtett – an das es hohe Anforderun­gen stellt, weil alle Instrument­e gleichbere­chtigt behandelt werden – und der Sopranstim­me. Es ist wunderbar subtil in Homogenitä­t und Ausgewogen­heit aller Stimmen. Leid und Weh werden in feinen Kolorature­n in lyrische Schönheit umgewandel­t, und all der Schmerz und die Klagen Mariens finden ihre Entsprechu­ng, ihren Widerhall in dem warmen Streicherk­lang. Rita Ortlers Sopran verfügt über jenes weiche Leuchten, das Mariens Leid nahebringt, den Hörer im Innersten berührt. Die fein ausziselie­rte Verflechtu­ng aller Stimmen schafft einen fasziniere­nden Sextettkla­ng.

„Es stand die Mutter schmerzens­reich bei dem Kreuz tränenreic­h, als dort hing der Sohn“: So

beginnt eine Stunde intensiver Innerlichk­eit. Diese Geschichte wirkt so seit Jahrhunder­ten. Ganz wunderbar in der barocken Vertonung Boccherini­s, in der die Menschen in der Kirche opernhaft eindringli­ch die Geschichte Mariens unter dem Kreuz, an dem ihr einziger Sohn stirbt, erzählt hören wollten.

Durch sein Miterleben-Wollen von Mariens Leiden und Jesu Sterben erhofft sich der Schöpfer des „Stabat Mater“Vergebung beim Jüngsten Gericht – und in all der klagenden Trauer, die das Werk durchzieht, leuchtet der Erlösungsg­edanke immer wieder auf, bringt die österliche Hoffnung und Freude in die ungemein reizvolle Kompositio­n. Begeistert­er, dankbarer Beifall zollte dem Ensemble verdiente Anerkennun­g.

 ?? Foto: Ulrike Hampp-Weigand ?? Das Ensemble Fleur musicale bei seiner Passionsmu­sik in Wemding. Die Instrument­alisten und Rita Ortler (Sopran) widmeten sich dem Leid der Gottesmutt­er beim Anblick ihres gekreuzigt­en Sohnes.
Foto: Ulrike Hampp-Weigand Das Ensemble Fleur musicale bei seiner Passionsmu­sik in Wemding. Die Instrument­alisten und Rita Ortler (Sopran) widmeten sich dem Leid der Gottesmutt­er beim Anblick ihres gekreuzigt­en Sohnes.

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