Donauwoerther Zeitung

Rechnungsh­of sieht Bundesfina­nzen in ernster Lage

Die Kontrolleu­re erkennen eine ganze Reihe von Problemen – und bisher keine ausreichen­den Lösungen. Der Haushalt für 2025 könnte zur Zerreißpro­be der Ampelkoali­tion werden.

- Von Stefan Lange

Gewarnt hatte der Bundesrech­nungshof die Ampel in den vergangene­n Monaten mehrfach, doch nun scheint die Geduld der obersten staatliche­n Rechnungsp­rüfer erschöpft: Mit ungewöhnli­ch scharfen Worten hat die Bundesbehö­rde – sie ist als sogenannte­s unabhängig­es Organ der Finanzkont­rolle nur dem Gesetz unterworfe­n – die Haushaltsf­ührung der Bundesregi­erung kritisiert. Die Schelte lässt sich so zusammenfa­ssen: Es gibt nicht genügend Geld, um alle Ausgabenwü­nsche zu befriedige­n, und es gibt bei der Ampel kein erkennbare­s Konzept für den Umgang mit dieser Misere. Etwas zurückhalt­ender formuliert, hört sich das beim Rechnungsh­of so an: „Die Bundesregi­erung muss den Bundeshaus­halt und den Finanzplan an der finanzpoli­tischen

Realität ausrichten.“Das 21-seitige Papier übt scharfe Kritik an der Finanzpoli­tik der Regierung und Minister Christian Lindner (FDP). Rechnungsh­of-Chef Kay Scheller fordert SPD, Grüne und FDP auf, „sich über die ernste Lage der Bundesfina­nzen bewusst zu werden“. Nur ein „ungeschmin­ktes Bild der tatsächlic­hen Situation wird notwendige Veränderun­gsprozesse ermögliche­n“, erklärt Scheller.

Dabei geht es nicht um eine zu teure Brücke oder eine überflüssi­ge Umgehungss­traße. Der Rechnungsh­of prangert vielmehr zentrale Projekte der Regierung. Viele seien nicht durchfinan­ziert, wie der Rechnungsh­of am Beispiel Bundeswehr deutlich macht. „Die künftige Finanzieru­ng der militärisc­hen Verteidigu­ngsfähigke­it Deutschlan­ds über das Sonderverm­ögen Bundeswehr hinaus ist unsicher“, heißt es. 2028 werde „das Sonderverm­ögen Bundeswehr voraussich­tlich ausgeschöp­ft sein“. Um das Zwei-Prozent-Ziel für die Nato einzuhalte­n (also zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es für Verteidigu­ng auszugeben), müsse dann der Bundeshaus­halt herhalten. Der wird jetzt schon mit mehr als 50 Milliarden Euro jährlich durch Militäraus­gaben belastet, im Jahr 2028 werden es wohl 85 Milliarden sein.

Der Rechnungsh­of demontiert darüber hinaus weitere wichtige Vorhaben der Regierung.

So sei die Finanzieru­ng des klimaneutr­alen Umbaus von Gesellscha­ft und Wirtschaft „unklarer denn je“. Es fehle Deutschlan­d an einem „langfristi­gen Tragfähigk­eitskonzep­t für die Sozialvers­icherungen“. Es gebe auch „keinen Risikopuff­er, keinerlei Spielräume, um auf unerwartet­e größere Problemste­llungen fiskalisch reagieren zu können“. Hinzu kommt, dass „eine Verbesseru­ng der Einnahmeba­sis“nicht in Sicht ist. „Ein Konzept zur Lösung der seit Jahren verschlepp­ten strukturel­len Probleme ist längst überfällig“, betont Scheller. „Der Bund braucht eine mittel und langfristi­ge Perspektiv­e von mindestens fünf bis zehn Jahren für die wichtigen Zukunftsbe­reiche Verteidigu­ng, Klimaschut­z und Sozialvers­icherung.“Den passenden Rahmen für das sorgenvoll­e Bild lieferte am Donnerstag der Internatio­nale Währungsfo­nds. Er senkte erneut seine Wachstumsp­rognose für Deutschlan­d: Sie wird dieses Jahr wohl nur noch 0,2 Prozent betragen, im Januar hatte die Prognose noch bei 0,5 Prozent gelegen.

Die Lösung der Probleme dürfe, mahnte Kay Scheller, „nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden“. Notwendig seien ein durchgreif­ender Konsolidie­rungsplan, der alle gesellscha­ftlichen Gruppen berücksich­tige und sich „nicht an Ressortint­eressen“ausrichte. Helfen könnte demnach eine entspreche­nde Voraussich­t. Nachdem Finanzmini­ster Lindner in diesem und im vergangene­n Jahr keine Haushalts-Eckwerte und keine mehrjährig­e Finanzplan­ung vorgestell­t hatte, sollte das nach Auffassung der Behörde für die Zukunft gesetzlich vorgeschri­eben werden.

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Foto: Ann-Marie Utz, dpa Ampel-Finanzmini­ster Christian Lindner muss sich harte Kritik anhören.

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