Flugblätter: Wer ist der Verfasser?
Eine Leserin wendet sich an die Redaktion, weil ihr ein Flugblatt mit einem Link zur Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg seltsam vorkommt.
Ein Zettel klemmt hinter den Scheibenwischern des Autos unserer Leserin. Sie sieht ihn sich an – und wundert sich: „Helfen Sie mit bei der Aufklärung!“, steht in weißer Schrift auf rotem Grund ganz oben auf dem Flyer. Gesucht werden offenbar Menschen, die vom Nördlinger Stiftungskrankenhaus an ein Sanitätshaus verwiesen wurden und dadurch einen Nachteil erlitten haben. Ein Logo des Bayerischen Rundfunks ist auf dem Flyer abgedruckt, zudem zwei QR-Codes, angeblich mit Links zur AOK und zur Staatsanwaltschaft. Der Leserin kommt das Ganze komisch vor, sie wendet sich an unsere Redaktion.
Hintergrund des Flyers ist offenbar Folgendes: Im Februar hatte der Bayerische Rundfunk berichtet, dass das Nördlinger Stiftungskrankenhaus Patientinnen und Patienten zu einem bestimmten Sanitätshaus geschickt haben soll, obwohl denen die Wahl eigentlich freisteht. Das betreffende Sanitätshaus äußerte sich nicht, die Konkurrenten schon, allerdings unterschiedlich. Vonseiten des Stifts wies man die Vorwürfe zurück. Kurz darauf veröffentlichte der BR einen Artikel, wonach die AOK nach betroffenen Patienten suche – so wie es auf dem Flyer steht. Ein Verantwortlicher im Sinne des Presserechts fehlt allerdings auf dem Flugblatt, lediglich der Name des Fotografen des abgedruckten Bildes wird genannt.
Anruf bei der AOK – sucht die Krankenkasse jetzt etwa per Handzettel nach bestimmten Patienten? AOK-Sprecherin im Landkreis Donau-Ries ist Cornelia Zink. Sie sagt ganz klar: „Von uns geht das nicht aus, wir haben das nicht in die Wege geleitet.“Ein Unbekannter verbreite die Flugblätter in Nördlingen. Einige Bürgerinnen und Bürger hätten sich schon in der AOK-Geschäftsstelle deswegen gemeldet, sagt Zink, und gefragt, ob man den Urheber kenne. Doch den kennt sie nicht.
Auch der Vorstandsvorsitzende des gemeinsamen Kommunalunternehmens Donau-Ries Kliniken und Seniorenheime, Jürgen Busse, würde diesen Namen gerne erfahren. Sauer sei er ob des Flugblattes nicht, sagt der Klinikchef, doch er hat eine klare Meinung zu den Zetteln: „Das ist niveaulos.“Selbst im Foyer des Stiftungskrankenhauses habe die jemand hingelegt, so Busse. Er selbst habe bereits am Samstag von einem Mitarbeiter einen Flyer bekommen. Und er habe postwendend bei der AOK und beim Bayerischen Rundfunk um eine Stellungnahme gebeten.
Der Inhalt der QR-Codes scheint sich verändert zu haben: Hinter dem ersten, der eigentlich zur AOK führen soll, ist am Montag nichts zu finden. Lediglich die Nachricht, dass der Code lesbar ist, poppt auf. Zuvor soll dort ein Text zu lesen gewesen sein, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Der zweite, der zur Staatsanwaltschaft führen soll, leitet den User tatsächlich auf eine Seite der Generalstaatsanwaltschaft
Nürnberg. Genauer gesagt auf das Hinweisgebersystem in Sachen Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen, wie Oberstaatsanwalt Matthias Held, Pressesprecher der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG), erklärt. Meldungen, die dort eingehen, werden geprüft und im Zweifelsfall an die richtigen Stellen weitergegeben, sagt er. Mit dem Flugblatt habe man allerdings nichts zu tun, betont Held: „Das kennen wir nicht und das haben wir auch nicht gemacht.“Überhaupt sei ihm kein Fall bekannt, in dem eine Staatsanwaltschaft mithilfe von Flugblättern ermittelt habe.
Bleibt noch das Logo des Bayerischen
Rundfunks. Stammt der Flyer etwa vom öffentlich-rechtlichen Sender? Auf Anfrage unserer Redaktion informiert eine Sprecherin wie folgt per E-Mail: „Das Flugblatt ist nicht vom BR. Offensichtlich hat jemand den BR24-Instagram-Post zum Thema kopiert und in sein Flugblatt eingefügt.“
Und nicht nur das wird für den Verfasser, wenn er gefunden wird, ein Problem werden. Das Logo habe der Unbekannte missbräuchlich benutzt, erklärt der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion Nördlingen, Hauptkommissar Werner Mäder. Zudem stehe eben kein Urheber auf dem Flugblatt, es gebe kein Impressum. Man ermittle jetzt, kündigt Mäder an.