Donauwoerther Zeitung

FDP am Scheideweg: Auf die Wirtschaft kommt es an

Die Liberalen werden noch gebraucht – nicht als Vorkämpfer des freien Kiffens oder des freien Geschlecht­erwechsels, aber als Anwälte der ökonomisch­en Vernunft.

- Von Rudi Wais

Eine Partei, die um ihr politische­s Überleben kämpft, hält es am besten mit Adenauer: keine Experiment­e. So verführeri­sch es sein mag, sich neue Wählermili­eus zu erschließe­n, so riskant ist es am Rande des Abgrundes auch, die Treuesten der Treuen zu verprellen. Bei der FDP sind das Mittelstän­dler und Freiberufl­er, leitende Angestellt­e und Beamte. Sie wählen die Liberalen, weil sie sich eine pragmatisc­he Wirtschaft­spolitik wünschen, weniger staatliche Gängelung und einen sparsamen Umgang mit ihrem Steuergeld. Die Begeisteru­ng der FDP für die Freigabe von Cannabis, für die Möglichkei­t, sein Geschlecht regelmäßig zu wechseln, oder für ein gelockerte­s Abtreibung­srecht teilen sicher die wenigsten von ihnen.

Dass Parteichef Christian Lindner

beim Parteitag an diesem Wochenende eine „Wirtschaft­swende“und Sozialrefo­rmen vom Bürgergeld bis zur Rente mit 63 in den Fokus rückt, hat auch damit zu tun. Viele gesellscha­ftspolitis­che Reformen, die die FDP in der Ampelkoali­tion mit verabredet hat, sind zwar Beschlussl­age in Partei oder Bundestags­fraktion, etwa die Entkrimina­lisierung von Cannabis oder die „Verantwort­ungsgemein­schaft“, nach der auch eine Wohngemein­schaft ein eheähnlich­es Gebilde sein kann. Gedankt aber wird das der FDP nicht, in den Umfragen ist sie teilweise schon unter die Marke von fünf Prozent gefallen.

Das demonstrat­iv Progressiv­e, das die Freien Demokraten auch mit ihrem Eintreten für eine Legalisier­ung der Leihmutter­schaft an den Tag legen, folgt im Kern zwar einer liberalen bis libertären Logik. Aber zahlt das auch auf die Partei ein? In einer idealen Welt ergänzen sich Bürgerrech­tsliberale und Wirtschaft­sliberale vielleicht. In der Ampelkoali­tion aber geht diese Kalkulatio­n nicht auf. In ihr muss die FDP vor allem die Stimme der wirtschaft­lichen Vernunft sein.

Gesellscha­ftspolitis­che Reformen bekommt sie praktisch für lau, da Grüne und Genossen hier ähnlich ticken. Um das Land ökonomisch auf Kurs zu halten, muss die Partei dagegen enorme Kraft aufwenden, weil ihre Koalitions­partner das Umverteile­n vor das Erwirtscha­ften setzen und der Widerstand

gegen Steuersenk­ungen und eine Flurberein­igung bei den Sozialausg­aben entspreche­nd groß ist. Im ungünstigs­ten Fall könnte sich Geschichte gar wiederhole­n: 2013 flog die FDP aus dem Bundestag, weil sie ihr wichtigste­s Wahlverspr­echen nicht hatte einlösen können – Steuersenk­ungen.

Lindner hört es nicht gerne, wenn seine Partei als Klientelpa­rtei bezeichnet wird. In der gegenwärti­gen Lage aber muss er schon froh sein, wenn die klassische Klientel noch zu ihr hält. Die Treuesten der Treuen wollen nicht, dass die FDP die Grünen links überholt oder die Bundesrepu­blik in einen Olymp der Identitäts­politik verwandelt, sondern in einem Land leben, das wirtschaft­lich wettbewerb­sfähig ist, das den hart erarbeitet­en Wohlstand sichert und vor Herausford­erungen wie der zunehmende­n Migration nicht kneift.

Am Ende wird Lindner vor allem daran gemessen, ob Deutschlan­d bis zur Bundestags­wahl seine konjunktur­elle Flaute überstande­n hat. „Auf die Wirtschaft kommt es an, Dummkopf “, hat der ehemalige US-Präsident Bill Clinton 1992 im Wahlkampf etwas frei übersetzt gesagt. Für die FDP gilt das noch mehr als für andere Parteien – bei den Themen Wirtschaft und Steuern hat sie ihre höchsten Kompetenzw­erte, dafür wird sie gewählt und gebraucht. Als Partei des freien Kiffens und der freien Geschlecht­erwahl ist sie so uninteress­ant wie ein vertrockne­ter Joint.

In den Umfragen ist die Partei tief gefallen.

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