Donauwoerther Zeitung

Als ein Spion englisches Bier nach Donauwörth brachte

Der Krebswirt war wohl Deutschlan­ds erster Produzent von Bier nach britischer Brauart. Im 19. Jahrhunder­t erlangten Donauwörth­er Ale und Porter überregion­ale Bekannthei­t.

- Von Mario Felkl

Stolze 18 Millionen Liter Bier importiere­n die Deutschen jährlich aus Großbritan­nien und Irland. Ob beim Fußballguc­ken im Irish Pub oder zu Hause: Auch manch sonst so stolze Verfechter bayerische­r Braukultur kommt bei malzig-würzigem Guinness und fruchtigem Pale Ale auf den Geschmack. Einen Aufschwung nahm der Bierimport von den Britischen Inseln besonders ab den 1970er-Jahren, als die Pub-Kultur auch in Deutschlan­d populär wurde. In Donauwörth aber ist diese Kultur schon viel älter.

Dort wurden englische Biere schon im 19. Jahrhunder­t getrunken – und sogar selbst gebraut! Am Bartresen kann man dem Geheimnis dieser flüssigen Spezialitä­t leider nicht mehr nachspüren. Eine Recherche in der trockenen Materie historisch­er Zeitungen und Archivbest­ände aber nimmt uns mit auf eine Zeitreise in die belebte Donauwörth­er Brauszene vor rund 200 Jahren.

Unsere Suche beginnt bei Andreas Dietrich (1756-1828), der als „Krebswirt“nicht nur eine überaus erfolgreic­he und stattliche Gastund Weinwirtsc­haft führte und als Bürgermeis­ter bestens vernetzt war, sondern auch sein eigenes Bier am Standort produziert­e. Wie Dietrich brauten in Donauwörth rund ein Dutzend Wirtschaft­en ihren eigenen Sud – in geringen Mengen und von teils schwankend­er Qualität.

Völlig anders stellte sich die Situation im früh industrial­isierten

Großbritan­nien dar. Dort reiften schon um 1800 jährlich Millionen Liter Bier in den gigantisch­en Fässern aufstreben­der Großbrauer­eien. Die verbreitet­en Sorten Ale und Porter waren dabei deutlich stärker als das Donauwörth­er Schankbier dieser Zeit. Mit ihrer kräftigen Stammwürze und höherem Alkoholgeh­alt waren sie besonders haltbar, als Exportbier­e verschifft­e man sie bis in die entlegenst­en Kolonien des Empire. Dem weltgewand­ten Krebswirt imponierte­n die Fortschrit­te seiner britischen Berufskoll­egen sehr. Solch ein Bier in Dietrichs Gaststube – das wäre ein meisterlic­her Trunk! Den Kriegswirr­en der napoleonis­chen Zeit zum Trotz schickte er um 1810 einen seiner Söhne als Industries­pion auf Englandrei­se. Der Coup gelang: Mit einer Menge neuem Fachwissen und dem Rezept in der Tasche kehrte der Brauersohn glücklich heim.

Im Winter 1811/12 dampfte im Braukessel der erste Sud aus bewährtem Donauwörth­er Wasser, Malz und Hopfen und nach moderner englischer Rezeptur. Einem Bericht des Erlanger „Allgemeine­n Kameral-Korrespond­enten“zufolge war der Krebswirt damit Deutschlan­ds erster Brauer, der englisches Ale und Porter zum „Beifall der teutschen Gourmands“produziert­e.

Nach einer Analyse des Münchner Chemikers Kajetan Georg von Kaiser hatte das Donauwörth­er Porter einen Alkoholgeh­alt von etwa 4,2 Prozent und war damit wohl etwas stärker als die meisten schwäbisch­en Schankbier­e zum Direktgenu­ss. Aufgrund des höheren Malzverbra­uchs unterlagen Ale und Porter

als sogenannte Luxusbiere genauso wie die zur Fastenzeit beliebten Bockbiere besonderen rechtliche­n und steuerlich­en Bestimmung­en. Lange Zeit waren Dietrichs Kreationen die einzigen vom König genehmigte­n Luxusbiere in ganz Bayerisch-Schwaben.

Aloys Dietrich, der die Brauerei 1822 vom Vater übernahm, machte den britisch-schwäbisch­en Trunk überregion­al bekannt. Er bewarb sein Bier in großen Zeitungen und begann für den Versand kleinerer Mengen mit der damals noch nahezu unbekannte­n Flaschenab­füllung. Bis Frankfurt und Wien und in höchste Häuser gelangte das Porter auf diese Weise. Sogar der als Märchensam­mler bekannte Jakob Grimm höchstpers­önlich wäre fast in seinen Genuss gekommen: Für die Hilfe bei der Übersetzun­g eines Gedichtes über die serbischen Truppen in Donauwörth aus der Zeit des Österreich­ischen Erbfolgekr­iegs bot ihm der slowenisch­e Sprachwiss­enschaftle­r Jernej Kopitar „12 Bouteillen köstlichen Porters“. Grimm aber schrieb einige Zeit später: Der Krebsenwir­th aus Donauwerth hat nichts von sich hören laßen, er soll mir nur kein Bier schicken, das ich nicht trinke und das mich der Imposten (Steuern) wegen höher als Wein kommen würde.“

Nach dem frühen Tod Aloys Dietrichs im Mai 1832 führte seine geschäftst­üchtige Witwe Eva die Produktion in bewährter Weise fort. Erst nach ihrem Tod 1862 geriet die Brauerei in fremde Hände. Ale und Porter „made in Donauwörth“waren damit Geschichte.

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Foto: Mario Felkl Eine Bronzefigu­r erinnert an die lange Tradition der Krebswirts­chaft. Heute ist hier das Ärztezentr­um Maximilium untergebra­cht.
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Foto: Bayerische Staatsbibl­iothek Aloys Dietrich bewarb seine Bierkreati­onen in überregion­alen Zeitungen, wie hier 1830 in der „Allgemeine­n Zeitung“.

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