Angreifer auf Giffey in Psychiatrie
Der mutmaßliche Täter war den Behörden bereits bekannt. Die Serie von Attacken auf Wahlkämpfer setzt sich fort. Grüne- und AfD-Politiker betroffen. Dobrindt will Angriffe auf Politiker so bestrafen wie Attacken auf Polizisten.
Berlin/Dresden/Stuttgart Nach der Attacke auf Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) ist der Verdächtige vorläufig in der Psychiatrie untergebracht worden. Das teilte die Berliner Generalstaatsanwaltschaft Berlin mit. Der 74-Jährige soll Giffey am Dienstag bei einem Termin in einer Bibliothek ohne Vorwarnung mit einem Beutel, in dem sich ein harter Gegenstand befand, auf den Kopf geschlagen haben. Giffey wurde durch den Angriff leicht verletzt. Der Mann sei bei der Polizei bereits bekannt, es gebe Erkenntnisse aus dem Bereich der Hasskriminalität, hieß es in einer Mitteilung der Berliner Staatsanwaltschaft und der Polizei. Die Ermittlungen zum Motiv dauerten noch an.
Immer wieder wurden in den vergangenen Tagen Angriffe auf Politikerinnen und Politiker verschiedener Parteien publik. In Dresden wurde die Grünen-Politikerin Yvonne Mosler beim Aufhängen von Plakaten angegriffen. Wie die Dresdner Grünen mitteilten, waren Mosler und der Co-Spitzenkandidat Cornelius Sternkopf am frühen Dienstagabend von einer Frau und einem Mann aus einer Gruppe attackiert worden. Ein Fernsehteam der Deutschen Welle filmte den Angriff, Mosler und anwesende Journalisten fotografierten. Polizeibeamte stellten eine 24-jährige Frau und einen 34-jährigen Mann. Gegen den Mann werde wegen Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung und Sachbeschädigung ermittelt, gegen die 24-Jährige wegen Körperverletzung. Wie im Fall Ecke stammen die Angreifer mutmaßlich aus dem rechten Spektrum.
Am Donnerstag bestätigte die Polizei, dass vor einer Festveranstaltung zum 75-jährigen Jubiläum des Grundgesetzes zwei AfD-Politiker vor dem Landtag in Stuttgart angegriffen und leicht verletzt worden seien. Mutmaßliche Parteigegner hätten den Informationsstand der Landtagsfraktion am Mittwochnachmittag auf dem
Opernvorplatz blockiert und Banner in die Höhe gehalten. „In diesem Zusammenhang wurden Angehörige der Landtagsfraktion verbal und in der Folge körperlich angegangen“, so die Polizei. Die Angreifer flüchteten zu Fuß, zwei mutmaßlich beteiligte Frauen im Alter von 19 und 23 Jahren wurden dabei gestoppt.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) rief dazu auf, als Antwort auf Attacken gegen Politikerinnen und Politiker bei den anstehenden Wahlen eine Stimme abzugeben. Man dürfe nicht tatenlos zusehen, wenn Politiker, Wahlkämpfer und Ehrenamtliche brutal attackiert würden. „Eine Antwort, die jede und jeder von uns geben kann, ist ganz einfach: Wählen gehen!“,, sagte Scholz in einer am Donnerstag veröffentlichten Videobotschaft. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) brachte überparteiliche Plakataktionen sowie Fairnessabkommen ins Spiel. „Die Angriffe sind Angriffe auf uns alle, und sie richten sich vor allem gegen jene, die sich für die Demokratie in den Wahlkampf begeben“, sagte Ramelow dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
BKA-Präsident Holger Münch äußerte sich besorgt über die Entwicklung. Im gesamten vergangenen Jahr habe das Bundeskriminalamt 27 körperliche Angriffe auf Politiker gezählt, in diesem Jahr schon 22, sagte der Behördenchef in Bremen. Auch die Zahl der Beleidigungen sei deutlich angestiegen. Von Beleidigungen seien die Grünen am stärksten betroffen, von Körperverletzungen die AfD. Münch plädierte mit Blick auf die Europawahl und die Kommunalwahlen in einigen Bundesländern am 9. Juni für gezielte Maßnahmen. Die Polizei könne nicht alle Politiker und Wahlkampfhelfer schützen.
Die Innenminister von Bund und Ländern setzten zum Schutz von Politikern und ehrenamtlichen Wahlkämpfern auf mehr Polizeibegleitung sowie auf die Prüfung eines schärferen Strafrechts. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Innenministerkonferenz der Länder forderten dies bei einer Videokonferenz am Dienstagabend. Die Schalte war nach einem brutalen Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden am vergangenen Freitag anberaumt worden. Das Bundesjustizministerium sehe aktuell keine Strafbarkeitslücken, sagte eine Sprecherin am Mittwoch. Man werde die von den Innenministern gemachten Vorschläge aber „wohlwollend prüfen“.
Nicht zufrieden mit diesem Ergebnis ist der CSU-Landesgruppenvorsitzende
Alexander Dobrindt. Er fordert Faeser auf, zügig eine Strafverschärfung vorzulegen. „Es braucht jetzt keine Prüfungen, sondern zügig Strafmaßverschärfungen bei Angriffen gegen Politiker.“Was bei Tätlichkeiten gegen Polizisten an verschärftem Strafmaß gelte, sollte auch auf
Politiker in Ausübung ihres Amtes angewendet werden. „Innenministerin Faeser muss jetzt schnellstens einen Vorschlag vorlegen, damit eine Verschärfung zügig im Bundestag beschlossen werden kann. Das Thema duldet keine Verzögerungen“, sagte Dobrindt unserer Redaktion. (dpa, mit chg)