Donauwoerther Zeitung

Späte Reue

Warum ein amerikanis­cher Rentner dem Hofbräuhau­s plötzlich 50 Dollar schickt.

- Von Johannes Graf

Das Schönste am Jungsein ist die Leichtigke­it, die einen umgibt. Ist die Krone eines zehn Meter hohen Baums das Ziel, denkt der Klettermax an den Spaß beim Kraxeln. Nicht aber an einen Fehlgriff und dessen mögliche Folgen. Machen, ausprobier­en, etwas wagen, ohne sich über Eventualit­äten den Kopf zu zermartern: für Kinder selbstvers­tändlich. Mit der Jugend endet dieser Prozess nicht, ergänzt durch Grenzgänge­rtum an oder über der Schwelle des Unerlaubte­n.

Wer sein Taschengel­d lieber in

Kaugummi oder Kippen investiert, sieht das mit der Bezahlung im öffentlich­en Nahverkehr womöglich etwas lockerer. Aus Sicht eines Heranwachs­enden kann schwarzfah­ren sich durchaus lohnen. Lässt sich als Jugendsünd­e einstufen, ebenso wie Piercing in der Nase, Arschgewei­h-Tattoo oder abrasierte Haare. Manches lässt sich rückgängig machen, anderes bleibt.

Wird man erwachsen, mutiert man zum Spießer und Schisser. Nervenkitz­el bedeutet, was früher normal war. Oder würden Sie sich heute noch trauen, auf die Kastanie im Garten zu klettern? Oder – Achtung, jetzt wird’s wild – ohne Helm zu radeln? Was da passieren könnte? Lebenserfa­hrung und Verantwort­ung, die über die eigene Person hinausgeht, bedeuten ein Dasein im Konjunktiv und (lange unbekannte­m) Unrechtsbe­wusstsein.

Nicht anders ist zu erklären, dass ein 74-jähriger Amerikaner, der 1972 im Münchner Hofbräuhau­s einen steinernen Maßkrug hat mitgehen lassen, nun reuig seinen Diebstahl gestand. „Vergebt mir meinen Fehltritt. Ein törichter College-Student“, schrieb er und legte einen 50-Dollar-Schein ins Kuvert. So, ihr Schwarzfah­rer aus der Studentenz­eit, jetzt seid ihr dran!

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Foto: D. Karmann, dpa Reuiger Sünder: Ein Amerikaner gesteht nach 50 Jahren einen Maßkrug-Diebstahl.

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