Späte Reue
Warum ein amerikanischer Rentner dem Hofbräuhaus plötzlich 50 Dollar schickt.
Das Schönste am Jungsein ist die Leichtigkeit, die einen umgibt. Ist die Krone eines zehn Meter hohen Baums das Ziel, denkt der Klettermax an den Spaß beim Kraxeln. Nicht aber an einen Fehlgriff und dessen mögliche Folgen. Machen, ausprobieren, etwas wagen, ohne sich über Eventualitäten den Kopf zu zermartern: für Kinder selbstverständlich. Mit der Jugend endet dieser Prozess nicht, ergänzt durch Grenzgängertum an oder über der Schwelle des Unerlaubten.
Wer sein Taschengeld lieber in
Kaugummi oder Kippen investiert, sieht das mit der Bezahlung im öffentlichen Nahverkehr womöglich etwas lockerer. Aus Sicht eines Heranwachsenden kann schwarzfahren sich durchaus lohnen. Lässt sich als Jugendsünde einstufen, ebenso wie Piercing in der Nase, Arschgeweih-Tattoo oder abrasierte Haare. Manches lässt sich rückgängig machen, anderes bleibt.
Wird man erwachsen, mutiert man zum Spießer und Schisser. Nervenkitzel bedeutet, was früher normal war. Oder würden Sie sich heute noch trauen, auf die Kastanie im Garten zu klettern? Oder – Achtung, jetzt wird’s wild – ohne Helm zu radeln? Was da passieren könnte? Lebenserfahrung und Verantwortung, die über die eigene Person hinausgeht, bedeuten ein Dasein im Konjunktiv und (lange unbekanntem) Unrechtsbewusstsein.
Nicht anders ist zu erklären, dass ein 74-jähriger Amerikaner, der 1972 im Münchner Hofbräuhaus einen steinernen Maßkrug hat mitgehen lassen, nun reuig seinen Diebstahl gestand. „Vergebt mir meinen Fehltritt. Ein törichter College-Student“, schrieb er und legte einen 50-Dollar-Schein ins Kuvert. So, ihr Schwarzfahrer aus der Studentenzeit, jetzt seid ihr dran!