Künstliche Superhirne aus Dresden
Dezentrale Schläue: Dresden soll sich auf neuromorphe Computertechnik spezialisieren.
Dresden. Dresden soll sich auf Computer und Chips der nächsten Generation spezialisieren, die wie das menschliche Gehirn aus vernetzten Neuronen aufgebaut sind. Das hat Fraunhofer-institutschef Lakner gefordert. Er will dafür Eu-programme anzapfen. Chiphersteller Globalfoundries kann sich dazu ein entsprechendes Cluster gut vorstellen, sagte Firmensprecher Drews.
Der Mikroelektronikstandort Dresden sollte einen weiteren Forschungsschwerpunkt aufbauen, der sich mit Computern der nächsten Generation beschäftigt. Das hat Prof. Hubert Lakner vom Fraunhofer-photonikinstitut IPMS Dresden vorgeschlagen. „Vor allem neuromorphe Computer oder Quantencomputer kommen da in Frage“, sagte er.
Dabei ist Lakner klar, dass bereits große Akteure das Trendthema „Quantencomputer“bearbeiten: Die Us-konzerne IBM und Google sowie das kanadische Unternehmen D-wave bauen schon Rechenmaschinen, die Quanteneffekte nutzen, um bestimmte Aufgaben mit extrem hoher Geschwindigkeit zu lösen.
Mit künstlichen Neuronen, die sich ähnlich flexibel wie die Nervenzellen im menschlichen Gehirn vernetzen, könnten sich die hiesigen Forscher und Ingenieure dagegen durchaus eine internationale Spitzenposition erarbeiten. Eine Spezialisierung auf neuromorphe Computersysteme würde helfen, Dresdens Position als führenden europäischer Mikroelektronik-standort auch in Zukunft zu behaupten. Andererseits sind in wenigen Jahren marktfähige und international einzigartige Produkte auf Basis künstlicher Neuronen zu erwarten.
„Vor allem für mobile ,Künstliche Intelligenzen’, zum Beispiel an Bord autonomer Fahrzeuge, sind solche Lösungen sinnvoll“, schätzte Lakner ein. Dafür werden bisher noch klassische Bordcomputer installiert, die die Autobatterien leersaugen und teils schon hart an der Leistungsgrenze arbeiten. Würden die Konstrukteure dagegen bereits an den Augen und Ohren der Autos ein bisschen dezentrale Intelligenz in form künstlicher Nervenzellen platzieren, könnten moderne Autos die auf sie einprasselnden Datenfluten schneller und stromsparender verarbeiten. Daher meint Lakner: „Überall dort, wo es auf geringen Energieverbrauch ankommt und Künstliche Intelligenz beziehungsweise Maschinelles Lernen gebraucht werden, lassen sich neuromorphe Chips gut einsetzen – bis hin zu Smartphones.“
Dresden kann bereits auf Erfahrung mit künstlichen Neuronen, gehirnähnlich konstruierten Rechnern und neuromorpher Software verweisen: Im europäischen Forschungsprojekt „Technology & hardware for neuromorphic computing“(TEMPO) arbeiten das IPMS, Globalfoundries Dresden, Infineon und weitere Partner an neuromorphen Chips, in denen jede Zelle – anders als in klassischen Computern – gleichermaßen Rechenwerk wie Speicher ist.
Derweil haben an der TU Dresden Prof. Christian Mayr und sein
Team gemeinsam mit britischen Kollegen die „Spinnaker“-architektur im Zuge der „Human Brain Projects“weiterentwickelt. Sie simulieren mit Smartphone-prozessoren die Neuronen im menschlichen Gehirn, um Computern so etwas wie menschliche Bilderkennung und Intuition beizubringen. Erst kürzlich bekam Prof. Mayr von der vormaligen sächsischen Wissenschaftsministerin
Eva-maria Stange (SPD) rund acht Millionen Euro versprochen, damit er nun einen „Spinnaker“der Supercomputer-klasse bauen kann. Erste Praxiseinsätze der dahinter steckenden Technologien bahnen sich jetzt für Radarsysteme in Autos an.
Hergestellt werden die Spinnaker-chips übrigens mit der speziellen Stromspar-technologie „FDX“in der Dresdner Globalfoundriesfabrik. Auch dort kann man sich ein Cluster für neuromorphes Computing gut vorstellen: „Wir sehen das als europäisches Thema: Tragbare ,Künstliche Intelligenz’ wird künftig für viele Endgeräte gebraucht, muss aber sehr energieeffizient sein. Und gerade da hat unsere Fdx-technologie klare Vorteile“, betonte Sprecher Jens Drews. Sollte sich die Nachfrage gut entwickeln, könne man auch über eine Aufrüstung der Fabrik reden. Konkret geht es dabei um Anlagen, die Chips mit nur noch zwölf statt bisher 22 Nanometer (Millionstel Millimeter) Strukturbreite herstellen können.
Um solche Vorhaben zu finanzieren, hat Prof. Lakner Ideen parat: Wenn Dresden einen neuen Schwerpunkt für Computersysteme der nächsten Generation aufbaue, dann könnten dafür Eu-sonderförderungen für die Mikroelektronik genutzt werden. So will die Eukommission ab 2021 rund 9,2 Milliarden Euro in ein Programm für digitale Schlüsseltechnologien („Key Digital Technologien“, kurz KDT) stecken, wobei davon rund 5,2 Milliarden für neue Supercomputerund Ki-technologien reserviert sein sollen. KDT gilt als Nachfolger der „Ecsel“-programme, durch die auch in Sachsen bereits einige Halbleiter-pilotprojekte finanziert wurden und werden – darunter übrigens auch TEMPO.
Und: Eine Aufrüstung der Globalfoundries-fabrik Dresden für die Produktion besonders effizienter und schneller künstlicher Neuronen könnten Bund und Land womöglich als „Wichtiges Projekt von gemeinsamem europäischen Interesse“(IPCEI) einstufen. Dann wäre eine Erlaubnis der EU möglich, dieses Projekt mit bis zu 30 Prozent der Investitionssumme zu subventionieren. Derartige Ipcei-sonderzuschüsse hatten zuletzt unter anderem Bosch die Entscheidung versüßt, eine neue milliardenteure Chipfabrik in Dresden zu bauen.