Ein Handstreich ist keine Antwort
Man muss kein Prophet sein: Das Rechtsamt wird nach intensiver Prüfung feststellen, dass der Stadtratsbeschluss zum kooperativen Baulandmodell rechtswidrig war. Es war ein Husarenstück von CDU, AFD, FDP und Freien Wählern, in einer Debatte über einige Ausnahmen gleich die kompletten Regeln für den sozialen Wohnungsbau zu kippen. Ein Anteil von nur noch 15 Prozent Sozialwohnungen für Investoren statt 30, das ist eine Hausnummer.
Aber was ist damit gewonnen, wenn Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) den Beschluss kassiert? Anders gefragt: Wie viel ist verloren? Dresden steht vor einer der größten Herausforderungen seit 1990: Mitten in der Corona-pandemie muss der Stadtrat einen Haushalt für 2021/2022 aufstellen. Die Einnahmen schrumpfen, die Begehrlichkeiten wachsen, Sparen gehört zu den Fremdwörtern im Vokabular von Stadträten. In dieser Situation braucht es eine klare Mehrheit, um politische Prioritäten zu setzen.
Diese Mehrheit ist seit Donnerstagabend in weitester Ferne. Die CDU, die sich auf den Weg gemacht hat, mit Grünen, SPD und auch Linken gemeinsame Interessen auszuloten, hat Vertrauen verspielt. Die Christdemokraten haben das oft behauptete Klischee vom „konservativen Block“bestätigt.
Das strategische Problem: Die CDU hat Rotgrün-rot zwar ordentlich eins ausgewischt und die heilige Kuh „Sozialer Wohnungsbau“zur Ader gelassen. Aber: Das linke Lager kann nun wieder trefflich das Bild von den „Erfüllungsgehilfen der Miethaie“an die Wand malen. Es wird auf fruchtbaren Boden fallen. Um nichts machen sich die Dresdner Familien größere Sorgen als um die Frage des bezahlbaren Wohnraums.
Was bei dem ideologisch besetzten Thema Sozialer Wohnungsbau wieder zu kurz kommen wird, ist die inhaltliche Auseinandersetzung: Sind 30 Prozent Sozialwohnungen der Schlüssel für bezahlbare Mieten in Dresden oder verhindert diese hohe Quote den Bau neuer Wohnungen? Diese Frage lässt sich nicht im Handstreich beantworten. Sondern nur mit einer qualifizierten Debatte.
War es ein Tiefpunkt der Kultur im Stadtrat, dass der „konservative Block“das Fehlen eines Grünen-stadtrats ausgenutzt hat? Möglich. Die hektischen und unüberlegten Reaktionen des linken Lagers, den Beschluss zu verhindern, waren allerdings auch kein Ruhmesblatt. Kultur geht anders.
Ein schönes Wochenende!
Ihr Thomas Baumann-hartwig