Stirbt das Great Barrier Reef?
Studie zeigt: In 20 Jahren hat das Riff mehr als die Hälfte seiner bunten Korallen verloren
Townsville. Bunte Korallen, die wie Skulpturen das Meer durchziehen, bilden die Heimat unzähliger Fischarten, Seeanemonen, Seesterne und Schildkröten. Korallenriffe gelten als eines der vielfältigsten Ökosysteme der Erde. Das Great Barrier Reef in Australien ist ein Weltnaturerbe von unschätzbarem Wert – in den 3000 Einzelriffen leben 1500 Fischspezies und 400 Korallenarten. Umso schwerer wiegt die Nachricht, dass dieses Naturwunder innerhalb von rund 20 Jahren mehr als die Hälfte seiner Korallen verloren hat.
Diese erschütternde Bilanz zieht eine aktuelle Studie des Arc-kompetenzzentrums für Korallenriffstudien (Coralcoe) an der
James Cook Universität in Townsville: Die Studie, die im Fachmagazin „Proceedings of the Royal Society“veröffentlicht wurde, zeigt auf, wie sämtliche Korallenpopulationen am Riff in den letzten Jahrzehnten drastisch geschrumpft sind.
„Wir haben festgestellt, dass die Anzahl der kleinen, mittleren und großen Korallen am Great Barrier Reef seit den 1990er-jahren um mehr als 50 Prozent zurückgegangen ist“, sagte Korallenexperte Terry Hughes. Früher habe man gedacht, das Great Barrier Reef sei allein durch seine Größe geschützt, sagte Hughes. „Aber unsere Ergebnisse zeigen, dass selbst dieses relativ gut geschützte und größte Riffsystem der Welt zunehmend gefährdet und im Niedergang begriffen ist.“
Das Great Barrier Reef ist das größte Riff der Welt und erstreckt sich auf einer Fläche von mehr als 344 000 Quadratkilometern. Es ist größer als Italien und sogar vom Weltraum aus zu sehen. Zum Riff gehören auch Hunderte Inseln. Seit 1981 ist es offizielles Weltnaturerbe der Unesco. Besonders gravierend ist , dass die Korallen großflächig abgebaut haben. „Der Rückgang trat sowohl im flachen als auch im tieferen Wasser und bei praktisch allen Arten auf“, sagte Hughes. Besonders
schlimm stehe es um verzweigte und tafelförmige Korallen. „Sie waren am schlimmsten von den Rekordtemperaturen betroffen, die 2016 und 2017 zu Massenbleichen führten“, sagte der Forscher.
Im Rahmen der Studie hat Hauptautor Andy Dietzel, ein deutscher Ökologe und Korallenexperte, der an der James Cook Universität arbeitet, die Veränderungen der Koloniengröße gemessen. „Diese Populationsstudien sind wichtig, um die Demografie und die Brutfähigkeit der Korallen zu verstehen“, sagte Dietzel. Ausgewertet wurden Daten von 1995 bis 2017. Sie umfassen die volle Länge des Great Barrier Reef.
„Eine vielfältige Korallenpopulation hat Millionen kleine sowie zahlreiche große Korallen“, erklärte der Forscher. Die großen Korallen seien „die Mamas, die die meisten Larven produzieren“. Die aktuellen Ergebnisse zeigen deswegen nicht nur einen Rückgang der Korallenzahlen, sondern auch eine verringerte Widerstandsfähigkeit des Riffs. „Die Fähigkeit des Great Barrier Reef, sich zu erholen, ist im Vergleich zu früher beeinträchtigt, da weniger Babys und weniger große erwachsene Züchter vorhanden sind“, erklärte Dietzel.
Die Gesundheit der Korallen ist seit Jahren ein Thema: Neben Abwässern aus der Landwirtschaft und den gefräßigen Dornenkronenseesternen schwächen Stürme und Sedimente aus Hafenanlagen die Nesseltiere. Seit Jahren feuert auch der Klimawandel die Erwärmung der Meere an. Die erhöhten Wassertemperaturen führen zu häufigeren Bleichen, ein Prozess, bei dem die Symbiose der Nesseltiere mit einer Algenart, die die Korallen mit Energie versorgt und ihnen die bunten Farben verleiht, unterbrochen wird. Zwar können sich die Tiere von Bleichen auch wieder erholen, doch wenn sie zu lange andauern oder zu häufig wiederkehren, sterben die Korallen oft ganz ab.
Selbst dieses relativ gut geschützte und größte Riffsystem der Welt ist zunehmend gefährdet und im Niedergang begriffen.
Terry Hughes, Korallenexperte