Föhnen verboten!
Monatelang waren die Schwimmhallen dicht, nun ist das Gedränge beim Schwimmunterricht umso größer. Der Zeitdruck für die Kinder ist enorm, so dass sogar das Haaretrocknen flachfällt. Eltern fürchten deshalb um die Gesundheit ihrer Kinder.
Nach dem Schwimmunterricht mit nassen Haaren nach Hause? Weil die Schwimmhallen über Monate geschlossen waren, ist nun das Gedränge groß. Der Zeitdruck auch. Eltern fürchten um die Gesundheit ihrer Kinder.
Schwimmen ist für die kleine Sarah* so ziemlich mit das Größte. Schon im Kindergartenalter hatte die Achtjährige das Schwimmen gelernt. Jetzt, in der 2. Klasse, gehört sie beim Schwimmunterricht zu den Besten, die beiden Doppelstunden am Freitagvormittag sind für sie gewissermaßen das Highlight der Schulwoche. Doch die Begeisterung über das Vergnügen des Nachwuchses im klaren Nass ist bei ihren, aber auch vielen anderen Eltern getrübt – was allen voran den besonderen Herausforderungen in Zeiten von Corona geschuldet ist.
Wenn Sarah und ihre Mitschüler nach dem Schwimmunterricht aus dem Becken in der Halle an der Freiberger Straße steigen, muss es schnell gehen. Duschen, abtrocknen und rein in die Straßensachen. Denn vor der Halle warten schon die nächsten Kinder. Ein enges Zeitregime, in dem vor allem eines keinen Platz findet: Das Haareföhnen. Und so kommt es, dass Sarah und all die anderen Kinder mit nassen Haaren die Halle verlassen und mit der Straßenbahn zurück in ihre Schule östlich vom Stadtzentrum fahren.
Für die Eltern der kleinen Sarah ist das kein Zustand. „Schon nach dem ersten Unterricht war sie verschnupft“, klagt ihr Vater. Und auch andere Eltern in der Klasse können ähnliches berichten. „Bisher waren die Temperaturen ja noch annehmbar. Doch nun wird es deutlich kälter“, erklärt der Vater die Sorge. Deshalb hätten einige Eltern in der Klasse nun sogar schon erwogen, ihre Kinder aus dem Schwimmun
terricht zu nehmen. Eine Problematik, die im zuständigen Sächsischen Kultusministerium durchaus bestens bekannt ist, wie Sprecher Dirk Reelfs bestätigt. Doch hinter dem Föhnverbot steckt ein großes Dilemma. „Wegen Corona fand im vergangenen zweiten Halbjahr gar kein Schwimmunterricht mehr statt“, erklärt Dirk Reelfs. Mit Beginn des neuen Schuljahrs ist das nun wieder möglich. „Es gab zuhauf Kritik daran, dass der Unterricht ausgefallen ist“, so der Sprecher. Deshalb sei entschieden worden, dass der jetzt nachgeholt wird.
Genau das führt nun allerdings zu der schwierigen Situation. Weil Schwimmhallen in Dresden ohnehin sehr rar gesät sind, ergibt sich ein echtes Kapazitätsproblem. „Wir haben die Schüler der 2. Klassenstufe
und die, die es jetzt nachholen müssen“, sagt Dirk Reelfs. Das bringe Einschränkungen der Schwimmzeiten mit sich. Also entschieden die Verantwortlichen, das zeitintensive Föhnen wegzulassen. Die einfache Formel lautet stattdessen: Anziehen, raus aus der Schwimmhalle – und dann vor allem Mütze auf!
Doch so einfach ist es aus Sicht der Eltern der betroffenen Kinder dann doch nicht. Im Fall von Sarahs Klasse sitzen die Schüler anschließend noch im Unterricht. „Wir haben dann beim Elternabend entschieden, mit Geld aus der Klassenkasse zwei Föhne zu beschaffen“, sagt Sarahs Vater. Dass seine Tochter eine Mütze trägt sei selbstverständlich, auch eine Badekappe, die besonders gut vor Wasser schützt, haben die Eltern inzwischen gekauft. Aber: „Viele Mädchen haben allerdings vergleichsweise lange und dichte Haare. Da helfen Badekappen und Mützen nur bedingt.“
Dass die Gesundheit des Kindes möglicherweise gefährdet wird, ist das eine. Was die betroffenen Eltern zusätzlich sorgt, ist die Frage, wie sie handeln sollen, wenn die Kinder dann tatsächlich erkältet sind. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass sich die Symptome von Covid-19 und einer Erkältung ähneln. „Was machen wir denn, wenn das Kind hustet, sich schlapp fühlt und es im Hals kratzt?“, fragt Sarahs Vater.
Sprecher Dirk Reelfs verweist in diesem Fall auf den so genannten Schnupfenplan, eine gemeinsame Handreichung des sächsischen Kultus- und des Gesundheitsministeriums, die als Orientierungshilfe für Eltern dienen soll. Dort ist nachzulesen, dass die Kinder bei leichten Krankheitssymptomen wie etwa gelegentlichem Husten oder Räuspern die Kita oder die Schule weiterhin besuchen dürfen. Bei einem allgemeinen Krankheitsgefühl, Fieber, Erbrechen oder Husten sind Mütter und Väter hingegen angehalten, bei einem Arzt vorbeizuschauen.
„Letztlich bleibt es immer ein Abwägen“, sagt Sarahs Vater. Und ein großes Abwägen bleibt es mit dem Schwimmunterricht eben auch gerade deshalb, weil es seiner kleinen Tochter so große Freude macht. Deshalb wollen Sarahs Eltern ihr die Teilnahme ungern verbieten – und appellieren deshalb um so dringlicher an die Verantwortlichen, noch einmal über mögliche Lösungen für das Problem nachzudenken. Ansonsten können sie und andere Betroffene nur abwarten und die Lage weiter beobachten. Was in diesen Zeiten für Eltern mit kleinen Kindern eben so oft gilt.
* Name von der Redaktion geändert