Kein Gefallen am Schlendrian
Das Verhältnis des Künstlers Ernst Barlach zu Dresden.
Die Retrospektive zu Ernst Barlach, die derzeit im Albertinum zu sehen ist, reflektiert natürlich auch die Zeit, die der Künstler in Dresden verbrachte. Wie er damals empfand, spiegeln nicht zuletzt einige Briefe Barlachs wider, vor allem jene an seinen Jugendfreund, den späteren Schriftsteller und Redakteur Friedrich Düsel. So schrieb Barlach am 29. Januar 1891, einen Kommilitonen zitierend: „Idyllisch ist das hier, […] denn die Frauenkirche schwimmt hellblau in der Ferne und die Sonne geht unter.“Damit sprach ihm der Kollege offenbar aus der Seele.
Barlach verfasste diesen Brief im Lokal „Burgberg“in Loschwitz, wobei es ihm wichtig erschien, auf dem Papier zu vermerken, dass er sich im „Hörbereiche des Conzerts im Schillergarten“auf der gegenüberliegenden Elbseite befinde, um seinen Freund möglichst anschaulich das Erlebte zu schildern. Im selben Brief kündigte Barlach zudem seinen bevorstehenden Aufenthalt in der mittelsächsischen Kleinstadt Mittweida an, wo der Bruder Hans seine Ausbildung zum Maschinenbauingenieur begonnen hatte. In seiner Anfangszeit wohnte Barlach, wie dem im Dresdner Sandstein Verlag erschienenen Ausstellungskatalog (496 Seiten, 48 Euro) zu entnehmen ist, in der Pillnitzer Straße. Später zog er im Anschluss gemeinsam mit seiner Mutter in die Reißiger Straße unweit des Großen Gartens.
In seiner Autobiografie stellte Barlach rückblickend fest, dass die Bildhauerkunst während seiner Studienzeit nur wenig Platz für innovatives Gestalten bot:
„Ich war in eine Zeit geraten, die für mich kein förderndes Beispiel übrig hatte .... ; ohne es zu ahnen, stand ich nackt und bloß in einer ungeheuren Einöde und konnte selbst zusehen, wie ich’s treiben würde.“Gern ging Barlach offenbar in die Vorlesungen Georg Treus zur griechischen Kunst, die der Direktor der Skulpturensammlung im Albertinum abhielt: „Meine Studien schreiten rüstig vorwärts; außerordentlich interessieren mich die Vorlesungen des Prof. Treu im Albertinum über griechische Kunst.“
Sein Verhältnis zu Dresden blieb während seines knapp vierjährigen Aufenthalts von 1891 bis 1895 oft zwiespältig – er zeigte sich einerseits begeistert vom Stadtbild und der idyllischen Natur. Die „weltberühmte Brühlsche Terrasse“bezeichnete er andererseits jedoch als „Hühnerstiege“und Schillings mit Goldbronze überpinselte „Tageszeiten“als eine „barbarische Geschmacklosigkeit, ein Schandfleck für das kunstsinnige Dresden“. Auch beklagte er wiederholt den „ewigen, monotonen Schlendrian“.