Gute Aussichten
Der Online-Handel legt in jedem Jahr mehr zu und verfeinert stetig sein Instrumentarium. Wohin geht die Reise 2019 im Zukunftsmarkt E-Commerce? Welche Strategien, welche Technologien sind angesagt? Das e-commerce magazin hat sich umgehört.
► Der Online-Umsatz in Deutschland soll bis 2020 auf 77 Milliarden Euro wachsen. Obwohl dieses Wachstum teils auf Kosten des stationären Handels geht, scheint dieser gleichzeitig eine Renaissance zu erleben. Ausgerechnet digitale Pure-Player lassen sich in Fußgängerzonen deutscher Großstädte nieder, Online-Riesen blasen zum Offline-Angriff und das Ladengeschäft von nebenan gewinnt für die deutschen Verbraucher wieder an Bedeutung. Viele etablierte Fachhändler stehen vor der Herausforderung, das strategisch wichtige Ladengeschäft trotz sinkender Besucherzahlen aufrechtzuerhalten und gleichzeitig dem großen Online-Wettbewerb zu begegnen. Doch wie ist das möglich?
Online? Offline? Omnichannel!
Natürlich gibt es keine Patentlösung, doch wie so oft liegt eine erfolgversprechende Lösung in der Mitte, hier also in der klugen Verzahnung von Off- und Online-Aktivitäten. Das Zauberwort Omnichannel geistert schon länger durch die Marketing-Flure, doch mittlerweile stehen Werbetreibenden bei Google & Facebook attraktive Features zur Verfügung, Omnichannel-Ansätze zu verwirklichen. Die großen Werbeplayer treiben das Thema ROPO (Research Online, Purchase Offline) mit Hochdruck voran. Über Google können Händler zum Beispiel die Anzahl an Ladenbesuchen (Store Visits) messen und Gebote im Umkreis um ein Geschäft automatisch erhöhen. Auch Facebook bietet ein eigenes Anzeigenformat, um gezielt Ladenbesuche zu evozieren. Die bessere Messbarkeit von online angestoßenen Offline-Aktionen könnte das Vertrauen erzeugen, das dem Thema Omnichannel endlich zum Durchbruch verhelfen soll.
Kampagnensteuerung unter Omnichannel-Perspektive
Wer das Thema Omnichannel ernst nimmt, muss die Wechselwirkungen zwischen On- und Offline in seinem Marketingplan berücksichtigen. Wer sie ignoriert, steuert seine Budgets und Kampagnen schlichtweg ungenau und versäumt die Chance, alle Parameter in die Entscheidungsfindung einfließen zu lassen. Auf dem Weg zum Omnichannel-Erfolg sind jedoch nicht nur technische, sondern auch unternehmenspolitische Hürden zu meistern. Vielerorts blockiert das Silodenken zwischen Online- und Offline-Verantwortlichen das Vorankommen. Doch nur in der Gesamtbetrachtung kann es gelingen, Omnichannel-Effekte strategisch zu berücksichtigen und in Wachstum für das gesamte Unternehmen umzumünzen.
● Wolfgang Schilling, ad agents
Markdown-Optimierung als großer KI-Trend im Online-Handel
Einen großen Trend beim Thema KI im Handel sehen wir in dem Bereich Markdown-Optimierung. Der Modehandel dient hier als gutes Beispiel, denn er ist immer schnelleren Trendzyklen unterworfen. Während die Erwartungen der Kunden steigen, nimmt der Wettbewerbsdruck zu und die Margen sind niedrig. Sowohl der stationäre Handel als auch die Online-Händler müssen ihre Bestände verkauft haben, bevor die neue Kollektion in die Lager kommt. Oft versuchen Händler mit Rabattaktionen zum Saisonende die Lager zu leeren, was allerdings weder effizient noch wirtschaftlich ist.
KI-gestützt: Der richtige Preis zum richtigen Zeitpunkt
Der Trend geht daher klar in Richtung datenbasierter, dynamischer Preisanpassung, die durch KI gestützt wird und auf Prognosen basiert. Diese helfen, den richtigen Preis zum richtigen Zeitpunkt für jedes Produkt in jeder Größe und Variante zu finden und so die Kollektion über einen definierten Zeitraum hinweg abzuverkaufen. Die KI-Lösung entscheidet dann, wie der Preis für jedes einzelne Produkt in jeder Filiale aussehen muss. Dies basiert auf Faktoren wie Verfügbarkeit, Farbe, Größe, Wettbewerb, Saison, Wochentag, Jahreszeit, Tageszeit, Wetter, Channel oder Wettbewerbspreise. Der richtige Preis zum richtigen Zeitpunkt steigert die Kundenzufriedenheit, steuert den Abverkauf und führt letztlich zu mehr Umsatz und Gewinn.
● Dunja Riehemann, Blue Yonder
Erlebnisse inszenieren: Technologie-Trends im Online-Handel
Von Virtual und Augmented Reality (AR, VR) bis hin zur Messenger-Integration: Online-Marketer können heute aus einer Vielzahl an Trendtechnologien wählen. Statt der Produkte an sich rückt immer mehr ihr Nutzen und die individuellen Erlebnisse in den Vordergrund, die die Kunden damit verbinden. Marketing-Verantwortliche sollten daher klären: Welchen Nutzen stiftet mein Produkt und wie kann ich ein Erlebnis darum herum inszenieren?
Customer Journey mit der schönsten Route
So könnten die Kunden beispielsweise mit AR- und VR-Anwendungen in den Onlineshop eintauchen und Produkte vor dem Kauf testen. Das lohnt sich vor allem im Hochpreissegment
sowie bei hohen Retourenquoten. Neben innovativen Technologien ist auch ein schneller und hilfreicher Kundendienst wichtiger Teil der gesamten Customer Journey. Denn ein personalisierter und reibungsloser Service ist essenziell, um zufriedene Kunden zu Fürsprechern zu machen. Dabei kommen verstärkt Videoinhalte zum Einsatz, die 360-Grad-Kameras nutzen, live sind und auch im 1:1-Kontakt mit den Kunden eine schnelle Lösung des anstehenden Problems ermöglichen. Zudem sorgt eine individuelle Kommunikation für personalisierte Erfahrungen. WhatsApp & Co. sollten daher zu einem Standardkanal werden, um Kunden über Aktionen und Rabatte zu informieren und ihre Bestellungen aufzunehmen.
● Inken Kuhlmann-Rhinow, HubSpot
Kundenzugang, Datenhoheit und Markenerlebnis behalten: Direct to Consumer ist angesagt
Auch im Jahr 2019 wird sich alles um die Plattformökonomie drehen, deren bekanntester Player Amazon immer mächtiger wird. Dank des grenzüberschreitenden Handels verschwimmen internationale Grenzen, so dass neue Marktplatzteilnehmer aus den USA und Asien ihre Produkte auch in Europa verkaufen. Schon heute stammen 41 Prozent der Produkte auf dem deutschen Amazon-Marktplatz von asiatischen Herstellern.
Die Produktschwemme kanalisieren
Damit steigt die Konkurrenz für deutsche Herstellermarken, gleichzeitig benötigt der Kunde mit zunehmender Produktmenge mehr Orientierung. Eine Lösung kann das Kuratieren von Produkten in Form von redaktionellen und automatisierten Empfehlungen sein, die den Kunden schneller zum passenden Produkt führen. Neben Content als „Push to Commerce“werden auch Suchtechnologien zu einer Kernkompetenz für Online-Händler. Durch die vertikale Diversifikation in Form von Eigenmarken wie „AmazonBasics“findet ein zusätzlicher Verdrängungswettbewerb auf den Marktplätzen statt. Um den direkten Kundenzugang, die Datenhoheit und das Markenerlebnis zu behalten, streben viele Herstellermarken in das Direct-to-Consumer-Geschäft (DTC).
Die zunehmende Digitalisierung der Wertschöpfungskette und die Automatisierung von Prozessen führt zu professionellen Services, die Markenhersteller für ihre eigenen Kanäle wie einen Online-Shop nutzen können. Ob digitales Forderungsmanagement, der Schutz vor Online-Betrugsfällen oder das Fulfillment – es gibt zahlreiche Technologie-Anbieter, deren Lösungen nach dem Plug & Play-Prinzip einsetzbar sind. Hersteller können so zu digitalen Playern werden, ohne dass sie die Innovationsentwicklung selbst leisten müssen.“
● Björn Schäfers, Otto Group
Zwischen Customer Centricity und Datenschutz
Customer Centricity ist das Marketing-Buzzword 2019, denn ohne individualisierten Dialog mit Konsumenten bleiben Kundenbindung und Umsatzsteigerung aus. Herausforderungen wachsen, wenn Consumer-Daten verstreut in verschiedenen Systemen liegen und so eine einheitliche Sicht auf den Kunden verhindern. Abhilfe schafft eine zentrale Datenbank, die alle Informationen bündelt und in Echtzeit allen integrierten Systemen verfügbar macht. Je zentraler der Zugriff, desto eher gewinnt der Kunde den Eindruck, mit EINER Marke, EINEM Unternehmen zu kommunizieren, unabhängig von der Abteilung, von der er angesprochen wird. Eine wesentliche Grundlage für Individualisierungsund Personalisierungsstrategien sind Inhouse generierte Kundendaten, etwa bei der Indvidualisierung von Kleidung. So genannte Consumer-Co-Creation-Kampagnen zielen darauf ab, dem Verbraucher ein Gefühl von Wertschätzung zu vermitteln und seine Bindung zur Marke zu verstärken. Die Möglichkeit, den Prozess selbst mitzugestalten, führt beim Kunden zu einer emotionalen Bindung. Die Daten, die hieraus entstehen, dienen als Entscheidungskriterien bei Produktentwicklung und -management. Getätigte Käufe, Kaufabbrüche und Retouren hingegen geben Aufschluss über die Produktzufriedenheit. Viele Geschäftsführer wissen nicht, dass sie persönlich haften, wenn sie gegen die DSGVO verstoßen. Hier schützt eine DSGVO-konforme Lösung, die Datenschutz mitliefert.
● Andres Dickehut, Consultix