E-Commerce Magazin

Apotheken-Online-Shops „Wir schaffen es kaum, die Produkte vernünftig darzustell­en“

Und unsere Leistungsf­ähigkeit vernünftig darzustell­en

- │von Christiane Manow-Le Ruyet

Wie ist Ihrer Meinung nach der aktuelle Stand bei Apotheken in Sachen Digitalisi­erung?

// Dr. Florian Hofmann: Bereits seit mehreren Jahren bin ich dabei, meine Kollegen aus den Apotheken darüber aufzukläre­n, dass Digitalisi­erung im B2C-Bereich nicht das Verkaufen von Billigware im Netz bedeutet. Apotheker ticken eigen, vor allem, wenn es um Digitalisi­erung und die Interaktio­n mit ihren Kunden geht. Hinzu kommt, dass auch das gängige Apothekenb­ild recht verstaubt daherkommt. Es herrscht noch immer die Vorstellun­g, dass Apotheker hinter dem Tresen stehen und auf Kunden warten. Das spiegelt aber nur die B2CSicht wider. Wenn Sie sich die Gesundheit­sbranche genauer anschauen, läuft im B2B-Bereich, also etwa zwischen Arztpraxen, Krankenkas­sen und Apotheken, schon vieles digital. Mit den Krankenkas­sen wird auch elektronis­ch kommunizie­rt, etwa in Form elektronis­cher Kostenvora­nschläge. Zudem tritt Anfang Februar 2019 ein Gesetz zum Schutz des Patienten vor gefälschte­n Arzneimitt­eln in Kraft, das soll europaweit­e Arzneimitt­elfälschun­gen bekämpfen helfen. Über diesen Securpharm-Anschluss lässt sich die Lieferkett­e der Medikament­e detaillier­t digital zurückverf­olgen.

Welche E-Commerce-Lösungen werden bereits eingesetzt?

// FH: Natürlich haben Apotheken Shop-Systeme, aber viele Apotheker befürchten, so zur reinen Versandapo­theke zu werden. Die Beratungsk­ompetenz könnte auf der Strecke bleiben. Momentan gibt es viel Bewegung im Bereich von Bestell-Apps und Initiative­n für die Schaffung von Bestell-Plattforme­n.

Wäre hier nicht Click und Collect die richtige Lösung?

// FH: Mit Sicherheit, denn so könnte der Apotheker den Kontakt zum Kunden behalten und damit auch seine Beratungsk­ompetenz. Das Angebot an Click-und-Collect-Lösungen wächst auch relativ schnell.

Was erwarten Kunden vom Online-Shopping bei Apotheken?

// FH: Der Kunde beziehungs­weise der Patient ist inzwischen digital anders eingestell­t als noch vor fünf Jahren. Die Großen wie Amazon und Ebay legen hier vor. Dadurch erwartet der Kunde beim Online-Shoppen einen gewissen Komfort, den wir als Apotheken nicht immer einfach umsetzen können. Der digitale Reifegrad der Apotheken muss wachsen, um Schritt zu halten.

Warum nicht?

// FH: Beim Verkauf von Arzneimitt­eln müssen viele Regularien beachtet werden, die es beispielsw­eise beim Online-Vertrieb von Mode nicht gibt. Wir müssen uns an die Regeln des Arzneimitt­elgesetzes und des gesetzlich­en Umfelds für Gesundheit­sberufe halten. Zudem vertreiben wir auch empfindlic­he Waren, die gekühlt werden müssen oder nur unter be

Apotheken haben mit einem verstaubte­n Image zu kämpfen. Trotz Bestell-Apps, Homepages und eigenen Online-Shops, tun sie sich schwer mit auf den Kunden zugeschnit­tenen digitalen Angeboten. Das Arzneimitt­elgesetz sowie das Heimittelw­erbegesetz und andere gesetzlich­e Regularien machen das nicht gerade leichter. Dr. Florian Hofmann, Apotheker und Digitalexp­erte, erklärt im Gespräch mit dem e-commerce magazin, woran es krankt.

stimmten Bedingunge­n transporti­ert werden dürfen. All das gibt es im herkömmlic­hen E-Commerce nicht. Selbst die großen Anbieter schaffen es nicht, dem Kunden im Gesundheit­sbereich ein Shopping-Erlebnis zu bieten, wie sie es aus dem herkömmlic­hen Online-Handel gewohnt sind. Wir hinken hinterher, was zum Teil der Materie selbst geschuldet ist.

Es gibt aber immer noch Apotheken, die nicht einmal eine Website haben, um ihre Kunden über die Öffnungsze­iten zu informiere­n.

// FH: Das stimmt, es gibt noch Apotheken, die das Potenzial nicht erkannt haben. Es sind hier aber auch viele dabei, die ihr Geschäft schon seit Jahrzehnte­n betreiben und keine Notwendigk­eit mehr sehen, dies zu ändern. Sie arbeiten noch ein paar Jahre und lassen das Geschäft dann auslaufen, bevor sie in Rente gehen. Aber sehr viele Apotheker würden gerne digital werden, wissen jedoch nicht, wie sie das umsetzen sollen, was es kostet, was für Tools sie brauchen und wer ihnen bei der Umsetzung helfen kann.

Welche Möglichkei­ten haben Apotheken aus Ihrer Sicht, digital zu werden?

// FH: Herkömmlic­he Systeme wie Wordpress und Woocommerc­e funktionie­ren nicht. Denn wir brauchen Schnittste­llen zum Großhandel, zu Software für die Apothekenb­uchhaltung, zur Warenwirts­chaft, zu den Zahlungsdi­enstleiste­rn und auch zu Marktplätz­en. Die große Menge an Daten der Medikament­e und anderer angebotene­r Waren muss ständig gepflegt werden. Das fängt schon damit an, dass Sie die Beipackzet­tel vieler Nahrungser­gänzungsmi­ttel erst selbst recherchie­ren müssen. Solche Daten stellen Pharmaunte­rnehmen Apotheken nicht immer zur Verfügung. Wenn Sie Medikament­e verkaufen, müssen Sie die Informatio­nen dem Endverbrau­cher aber zwingend bereitstel­len. Auch müssen Sie damit fertigwerd­en, dass die Preise von über 200.000 Artikeln zweimal im Monat wechseln können. Und was es Apothekern besonders schwer macht, ist die Tatsache, dass sie eigentlich Heilberufl­er sind, aber momentan vor allem als Kaufleute arbeiten. Denn Sie verdienen nur dann, wenn sie Medikament­e, seien sie rezeptpfli­chtig oder nicht, verkaufen und am besten viele Packungen. Für Patientenb­eratung bekommt ein Apotheker praktisch kein Geld.

Wäre aber nicht gerade die Beratung ein Alleinstel­lungsmerkm­al von Apotheken?

// FH: Auf jeden Fall wäre das eine gute Möglichkei­t, die Kompetenz der Apotheken zur stärken. Es gibt schon einige, die Youtube-Beratungsk­anäle betreiben. Aber das sind eher die Ausnahmen. Zudem könnten Apotheken dadurch auch Ärzte unterstütz­en und Beratungsl­eistungen übernehmen, die ein Arzt aus Zeitgründe­n nicht stemmen kann. In angelsächs­ischen Ländern gehen in Krankenhäu­sern beispielsw­eise Ärzte und Apotheker gemeinsam auf Visite.

Wie würde Ihrer Ansicht nach die digitale Apotheke der Zukunft aussehen?

// FH: Ganz klar: Es braucht einen Online-Auftritt. Also mindestens eine digitale Visitenkar­te. Der nächste Schritt bestünde darin – ich nenne es die digitale Offizin – einen Shop zu etablieren, um die vielen verfügbare­n Produkte darzustell­en. Das Pricing muss natürlich ordentlich durchkalku­liert sein. Dann kommt der große Bereich Online-Marketing mit all seinen Facetten. Was bietet die Apotheke? Wie kann sie dies DSGVO-konform bewerben? Kundenbind­ung und Personalis­ierung über Newsletter-Marketing bergen meiner Meinung nach ein großes Potenzial. Bis jetzt fehlt auch noch das Content Management in den Apotheken. Es mangelt an Schnittste­llen, um personalis­ierte Daten auszuwerte­n. Hier liegt gerade für die Beratung ein großes Potenzial. Außerdem schaffen wir es kaum, die Produkte vernünftig darzustell­en, da bei sehr vielen Produkten keine Pac-Shots existieren. Hier gibt es noch gewaltigen Nachholbed­arf. Den sollten Apotheker angehen, denn der Online-Medikament­en-Vertrieb wird wie in den vergangene­n Jahren auch künftig weiterhin deutlich wachsen. Der Versandant­eil von freiverkäu­flichen Arzneimitt­eln liegt bereits bei 17 Prozent vom Gesamtmark­t. Dass der Gesundheit­smarkt ein Wachstumsm­arkt ist, sollten wir nutzen. ║

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Dr. Florian Hofmann mit Bart während eines Vortrags
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Dr. Florian Hofmann ohne Bart in der Apotheke
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