Wenn die Retoure zum Business-Modell wird
► Das Retourenaufkommen boomt – als Folge des nach wie vor wachsenden Online-Handels. Doch Retourenmanagement kostet. Allein für die Bearbeitung weist die aktuelle Studie über Versand- und Retourenmanagement im E-Commerce 2018 des wissenschaftlichen Instituts EHI einen durchschnittlichen Betrag von zehn Euro aus. Parallel dazu hat die Forschungsgruppe Retourenmanagement an der Uni Bamberg ermittelt, dass die Prozesskosten pro Retoure sinken, je mehr Retouren bearbeitet werden. (siehe Artikel Seite 14 ff.) Warum also ist es nicht möglich, aus der Retourenbearbeitung einen Kundenservice zu entwickeln, um ihn in das Geschäftsmodell zu integrieren? Das zumindest war die Überlegung des OnlineOptikers Mister Spex aus Berlin.
Retouren als Entscheidungshilfe
Gesagt, getan. Heute zählen Retouren zu den Erfolgsfaktoren im Geschäftsmodell des Online-Optikers. Kunden von Mister Spex bekommen bis zu vier Brillengestelle zugeschickt. Nun können sie ausprobieren, welches Modell passt und welches
Retourenmanagement kostet Geld und kann im schlimmsten Fall für den Fortbestand eines Online-Shops entscheidend sein. Was passiert aber, wenn Retouren zum Bestandteil des Business-Modells werden? Brillenhändler Mister Spex macht vor, wie es geht.
gefällt. „Alle vier werden wieder an uns zurückgesandt – im Regelfall mit Entscheidung und Auftrag für die Fertigung mindestens einer Brille“, sagt Javier Carvajal Vargas, Chief Operation Officer bei Mister Spex. Als das Unternehmen 2016 sein neues Produktions- und Logistikzentrum in Berlin Siemensstadt bezog, war klar: „Wir suchten ein Warehouse-Management-System, das neben der Lagerverwaltung insbesondere die verschiedenen Auftragsstrukturen aus dem B2B-Bereich, dem B2C-Bereich und der Produktion optimal abdeckt“, erklärt Vargas. Den Zuschlag erhielt nach einem intensiven Auswahlverfahren PSIwms der
PSI Logistics GmbH.
12.000 Aufträge täglich
Pro Tag werden bei Mister Spex bis zu 12.000 individuelle Aufträge und Bestellungen von mehr als zwei Millionen Kunden aus ganz Europa bearbeitet. 7.400 Brillen sind vor Ort in einem automatischen Kommissioniersystem gelagert, mehr als 700.000 weitere Artikel in den manuellen Kommissionierbereichen. Kunden können auf der Website des Online-Optikers unter mehr als 43.000 Markenbrillen das passende Gestell wählen sowie Farben und Materialien festlegen. In den Berliner Produktionsräumen werden die Gläser unter Reinraumbedingungen von Optikermeistern nach Kundenvorgabe individuell eingeschliffen und von ausgebildeten Augenoptikern montiert. Für verschiedene Produktionsschritte sind darüber hinaus externe Dienstleister eingebunden. Seit November 2016 koordiniert das PSIwms dabei die Materialströme. Es steuert die intralogistischen Prozesse für die termingerechte Produktionsversorgung, schnelle Auftragsfertigung und die MultichannelStrategie für den Online-Shop, das Partnernetzwerk mit mehr als 550 lokalen Augenoptikern sowie eigenen Stores in der Republik – inklusive Retourenbearbeitung.
Transparente Logistik
„Optimierte Scan-Prozesse und die intelligente Auftragsvergabe durch das PSIwms sorgen dabei für kurze Laufwege, hohe Effizienz und schnelle Fertigungszeiten“, fasst Vargas zusammen. Das gilt auch für die koordinierte Prozessteuerung beim Retourenmanagement der „Anprobe-Gestelle“sowie der nicht zugestellten oder unzustellbaren Sendungen. Mit dem IT-System lassen sich aber auch die Bearbeitung der Rücksendungen und die Identifikation der Artikel überprüfen. Es bietet die Basis für durchgängige Planung, Durchführung und Kontrolle der Retouren sowie der assoziierten Informations- und Finanzflüsse – und unterstützt damit nachhaltig eigene Wertschöpfung bei Mister Spex.
Datenflüsse zuordnen für effizientes Prozessmanagement
Die kompletten Informationen von Auftragsfertigung und Versand sind ebenfalls hinterlegt. Bei der Annahme der Retouren kann per Scannen der Codes sofort überprüft werden, ob die Artikel mit der Retourenanmeldung übereinstimmen und welchem Auftrag sie zuzuordnen sind.
Nach der manuellen Qualitätskontrolle der Rücksendungen ordnet das System die Brillengestelle für die nachfolgenden Prozessschritte: Einlagerung, Reparatur, Auftragsprüfung. Parallel dazu fasst das PSIwms die Auftragsdaten von Brillenfassung und gewählten Gläsern zusammen – und generiert die Folgeaufträge für die Schleif- und Montageplätze sowie die abschließende Versandfertigung.
„Mit dem PSIwms haben wir ein leistungsstarkes Warenhouse-Management-System für unsere Multichannel-Strategie implementiert“, resümiert Vargas. „Es sorgt unabhängig von den ERP-Ressourcen für maximale Effizienz und optimal koordinierte Prozesse bei der Lagerverwaltung, Produktionsversorgung, Auftragsfertigung und Retourenmanagement. Ein wirtschaftliches, zukunftsfähiges Investment.“║