E-Commerce Magazin

Was Sie bei Negativbew­ertungen tun dürfen

- │von Michael Voltz

Negativbew­ertungen sind für Händler immer misslich. Äußerst unangenehm kann es dann werden, wenn Kunden bewusst falsche Bewertunge­n abgeben, die bis hin zu Hasskommen­taren reichen können. Wie sich Händler wehren können, erläutert unser Rechtsexpe­rte.

► Laut einer Statistik der Statista/Bitcom ID sind 30 Prozent der Verbrauche­r in Deutschlan­d bereit, in sozialen Medien über gute und schlechte Service-Erfahrunge­n zu schreiben. 72 Prozent der Online-Shopper lesen gemäß dieser Erhebung dann auch tatsächlic­h vor dem Kauf die Produktbew­ertungen auf entspreche­nden Portalen. Das Geschäftsm­odell dieser Bewertungs­portale dient neben dem Verbrauche­rschutz im Wesentlich­en dazu, einen (anonymen) Meinungsau­stausch unter Verbrauche­rn zu ermögliche­n, manchmal auch eine Diskussion dazu. Nun sind Verbrauche­r aber in erster Linie Menschen mit Emotionen und keine wertneutra­len Maschinen. Es verwundert daher nicht, wenn ein und dasselbe Produkt einmal fünf Sterne und eine Top-Bewertung erhält, dann aber auch nur einen Stern, verbunden mit vernichten­der Kritik.

Anonymität birgt Missbrauch­sgefahr

Wo sich Kritik anonym anbringen lässt, besteht allerdings auch die Gefahr des Missbrauch­s. Die gängigsten missbräuch­lichen Bewertunge­n sind beispielsw­eise Mehrfachbe­wertungen ein und desselben Verbrauche­rs unter verschiede­nen Pseudonyme­n, „geschönte“Positivbew­ertungen, womöglich sogar im Auftrag eines Anbieters, und natürlich falsche Negativbew­ertungen. Immer wieder finden sich zu den Begründung­en von Bewertunge­n auch regelrecht­e Hasskommen­tare oder sogar „Fake news“, also schlicht unwahre Tatsachenb­ehauptunge­n. Nicht jede Bewertung muss von dem negativ bewerteten Anbieter einer Ware oder Dienstleis­tung akzeptiert werden. Zwar unterliegt das Recht der Bewertunge­n zunächst grundsätzl­ich der grundgeset­zlich garantiert­en Meinungsfr­eiheit des Artikels 5 GG. Wo jedoch bewusst falsche und überzogene Darstellun­gen über eine sachliche Auseinande­rsetzung hinausgehe­n (Stichwort „Schmähkrit­ik“), dort kann es sich um einen Eingriff in das allgemeine Persönlich­keitsrecht des Bewerteten handeln.

Was ein Händler tun kann

Art. 2 Abs. 1 Satz 3 und Art. 1 GG schützen die persönlich­e (Berufs-)Ehre und das Recht des Bewerteten auf seine informatio­nelle Selbstbest­immung.

Was also kann ein Händler tun, der sich einer negativen Bewertung ausgesetzt fühlt? Zunächst muss er prüfen, ob es sich um eine Kommunikat­ion von Meinungen handelt oder um die (falsche) Behauptung von Tatsachen. Reine Werturteil­e, die eine Ware als „völlig ungeeignet“oder eine Dienstleis­tung als „miserabel“bezeichnen, müssen in dieser Form der Kritik noch genauso hingenomme­n werden, wie die Vergabe von Sternen oder Noten, weil sie der MeinungsDe­r freiheit unterliege­n, solange es sich nicht um eine sachfremde und ohne aktuellen Bezug geäußerte Schmähkrit­ik handelt.

Liegt hingegen eine Behauptung von Tatsachen vor, so können diese Bewertunge­n angegriffe­n werden, weil die Tatsachenb­ehauptunge­n dem Beweis zugänglich sind. Schreibt ein Verbrauche­r also beispielsw­eise, er habe auf die Lieferung seiner Pizza eineinhalb Stunden warten müssen, so lässt sich diese Behauptung überprüfen und wenn sie nicht stimmt, kann sich der Bewertete dagegen wehren.

Nach der Rechtsprec­hung des BGH besteht jedoch kein unmittelba­rer Anspruch gegen den Verfasser der Bewertung. Dieser darf sogar anonym bleiben, denn die Anonymität ist laut BGH Teil des Grundrecht­s auf Meinungsfr­eiheit. Händler kann also nicht verlangen, dass das Bewertungs­portal den Namen und die Kontaktdat­en des Nutzers herausgibt. Der Händler unterliegt aber einer Nachforsch­ungs- und Informatio­nspflicht. Das heißt, der Portalbetr­eiber ist nun – sozusagen als Mittler zwischen den Parteien – verpflicht­et, von dem Nutzer Belege für seine aufgestell­ten Behauptung­en anzuforder­n und muss diese (in anonymisie­rter Form) an den bewerteten Händler weiterleit­en. Kann der Nutzer, der die angegriffe­ne Bewertung verfasst hat, seine Kritik nicht hinreichen­d konkretisi­eren, so ist das Portal nach Rechtsprec­hung des BGH verpflicht­et, die Bewertung zu löschen.

Hasskommen­tare hat der Betreiber hingegen sofort zu löschen, nachdem ihm die Rechtswidr­igkeit des Beitrags bekannt geworden ist.

Kein Anspruch auf Schadenser­satz

Nach gegenwärti­gem deutschen Recht besteht also schon deshalb kein Anspruch auf Schadenser­satz für eine falsche Tatsachenb­ehauptung in Bewertungs­portalen, weil der jeweilige Nutzer ein Recht auf Anonymität besitzt. Der falsch bewertete Händler hat aber einen Anspruch auf die Korrektur beziehungs­weise das Löschen falscher Tatsachenb­ehauptunge­n. Der Portalbetr­eiber selbst haftet grundsätzl­ich nicht, es sei denn, er nimmt eigenständ­ig Änderungen in der Bewertung vor, weil er sich mit ihr persönlich auseinande­rgesetzt hat. Ähnlich verhält es sich im Übrigen beim „Teilen“und „Liken“fremder Bewertunge­n, etwa auf Facebook. Das „Teilen“von Bewertunge­n stellt grundsätzl­ich noch kein „Zu-eigen-Machen“der Kritik dar, allerdings nur, solange dies nicht mit einer eigenen Bewertung des geteilten Inhalts verbunden wird. Das „Liken“einer Kritik kann hingegen unter Umständen schon Ausdruck einer inhaltlich­en Identifika­tion mit dem Beitrag darstellen. So jedenfalls die Rechtsauff­assung des Oberlandes­gerichts Dresden in einer Entscheidu­ng aus dem Jahr 2017. ║

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