„Das Smartphone ist die Fernbedienung für die Welt“
Für den Pilot Store von Bonprix haben Sie ordentlich die PR-Trommelgerührt. Was ist neu an dem Konzept?
// Markus Fuchshofen: Wir wollen unseren Kunden ein komfortables, einzigartiges Shopping-Erlebnis ermöglichen. Dazu verwenden wir viel intuitive Technologie, die im Hintergrund läuft. Das Smartphone und die Bonprix App spielen im 600 Quadratmeter großen Pilot Store eine wichtige Rolle, denn damit navigiert der Kunde durch den Store.
Wie sieht der Ablauf aus, wenn der Kunde den Fashion Store betritt?
Über die App mit einem QR-Code meldet sich der Kunde an und kann dann in aller Ruhe Kleidungsstücke aussuchen. Bei der Präsentation der Produkte haben wir uns bewusst für eine One Item-Präsentation entschieden. Das heißt, jedes Stück gibt es auf der Ladenfläche nur einmal. Das schafft mehr Überblick und die Kundin muss nicht in überfüllten Kleiderständern oder Regalen kramen. Möchte sie das ausgewählte Kleidungsstück anprobieren, scannt sie mit der App das Preisschild und gibt über die App ihre Größe ein. Das gewünschte Teil landet dann automatisch in ihrer Shopping
Bag und wird anschließend aus dem Lager in einen der 12 Fitting Rooms geliefert. Das hat den Vorteil, dass sich vor den Ankleiden keine Menschenschlangen bilden und jeder Kunde in Ruhe weiterstöbern kann, ohne Kleidung über dem Arm tragen oder warten zu müssen.
Wie geht es dann nach der Auswahl der Kleidungsstücke weiter?
Wenn die Kundin alle Teile, die sie ausgewählt hat, anprobieren möchte, kann sie an der Fashion Bar ein Getränk zu sich nehmen oder die neusten Modevideos anschauen. Währenddessen wird der Fitting Room für die Anprobe vorbereitet. In der Regel dauert das nicht länger als fünf Minuten. Bei der Ankleide haben wir Wert daraufgelegt, nicht nur Platz zu bieten, sondern auch unterschiedliche Beleuchtung. Will eine Kundin ein bereits ausgewähltes Kleidungsstück in einer anderen Größe probieren, kann sie es direkt aus dem Fitting Room über die App oder alternativ über den großen Touchscreen in der Kabine ordern. Mit einer Art doppelwandigem Schranksystem wird die Kleidung geliefert. Die Kundin muss also nicht die Ankleide auf Strümpfen verlassen. Sobald das neue Kleidungsstück verfügbar ist, öffn et sich die Schranktür automatisch. Natürlich kann die Wand zum Lager hin nicht geöffnet werden. Es muss also niemand befürchten, von einem Mitarbeiter gesehen zu werden, wenn er gerade das neue Kleidungsstück in den Schrank liefert.
Das heißt, die Lagermitarbeiter sind für Kunden nicht sichtbar. Funktioniert die Logistik automatisch und wie viele Mitarbeiter arbeiten im neuen Pilot Store?
Nein, die Logistik funktioniert nicht vollautomatisch. Hier arbeiten aktuell sieben Mitarbeiter, die für das Verteilen der Waren zuständig sind. Zudem sind derzeit neun Fashion Assistants und Mitarbeiter in anderen Positionen auf der Fläche präsent. Allerding sind das nicht Mitarbeiter, wie man sie aus dem Einzelhandel typischerweise kennt. Wir haben schon während der Recruiting-Phase darauf geachtet, dass die Mitarbeiter das Konzept leben. Da wir auf eine One Item-Präsentation setzen, sind Fashion Assistants nicht mehr damit beschäftigt, Ware in die Regale zu räumen. Sie können sich voll und ganz auf die Kunden konzentrieren und sie – wenn gewünscht – bei der Wahl der passenden Kleidung beraten. Interessant ist, dass unsere Mitarbeiter aus ganz unterschiedlichen Bereichen kommen, wie etwa Theaterwissenschaft. Damit unsere Kunden optimal beraten werden können, haben alle Mitarbeiter eine Schulungsphase durchlaufen.
Was machen Kunden, die die Bonprix App nicht auf ihr Smartphone geladen haben?
Bei der Umsetzung des Pilot Stores haben wir sehr darauf geachtet, dass im kompletten Verkaufsbereich sowie auch in den Fitting Rooms gleichmäßig W-LAN verfügbar ist. Kunden, die sich aus persönlichen Gründen nicht über das W-LAN einloggen wollen, können das auch über das LTE-Netz tun, das natürlich auch im Untergeschoss verfügbar ist. So können die Kunden, die möchten, die App auch gleich herunterladen, wenn sie den Laden betreten. Das geht recht schnell, denn die App ist nur etwa 45 MB groß. Kunden, die das nicht wollen, stellen wir Leihgeräte mit der vorinstallierten App zur Verfügung. Diese müssten dann allerdings für den Bezahlvorgang zum CheckOut-Tresen gehen, der ansonsten auf dem eigenen Smartphone auch direkt in der per App mit Paypal möglich ist.
Der neue Pilot-Store zeichnet sich vor allem durch die Customer Experience und auch die Kundenführung, also die Customer Journey aus. Wie wird das von technischer Seite umgesetzt?
Wir setzen auf RFID-Technologie (Anmerkung d. Red.: Radio Frequency Identification). Dadurch wissen wir, wo sich welche Kleidungsstücke befinden. Technologisch gesehen ist der Besuch im Store wie ein Besuch im Online-Store zu sehen. Dort können Sie auch nachvollziehen, wo sich welcher Artikel gerade befindet. On- und Offline-Welt wachsen somit immer mehr zusammen. Der gemeinsame Nenner ist das Smartphone. Es ist die Fernbedienung der Welt.
Mit Betreten des Pilot Stores tracken Sie alle Wege, vom Check-in, Produktauswahl bis hin zum Kauf. Wie lässt sich das mit der DSGVO unter einen Hut bekommen?
Die Vorgänge im Store sind dieselben wie im Online-Shop und wir achten wie an allen unseren Touch Points streng auf die Einhaltung sämtlicher Datenschutzstandards und richten uns strikt nach den rechtlichen Rahmenbedingungen. Der Kunde checkt ein, wählt die Kleidungsstücke aus und bezahlt sie. Auch technisch gesehen, ist es das Gleiche. Nur, dass die Sicherheitsetiketten nach dem Bezahlen deaktiviert werden müssen. Das passiert nach dem Bezahlen automatisch. Bisher habe ich noch nicht aus dem Store erfahren, dass Kunden beim Thema Datenschutz Bedenken hätten. Das kann natürlich noch kommen, aber auch hier können wir transparent kommunizieren. Wir versuchen unseren Kunden das am besten mögliche Shopping-Erlebnis zu präsentieren. Und das kommt offensichtlich nach der kurzen Zeit seit der Eröffnung des Stores Mitte Februar gut an.
Welche Altersklasse sprechen Sie mit dem neuen Pilot-Store an? Vor allem junge Leute?
Gar nicht mal. Unsere Kunden sind durchschnittlich zwischen 30 und 59 Jahren alt. Es sind also nicht nur die jungen Leute, sondern auch die etwas Älteren. Wir haben in Tests festgestellt, dass die junge wie ältere Generation von der Smartphone-Nutzung genauso begeistert sind. Da gibt es keinen Unterschied. Hinzu kommt, dass fast jeder ein Smartphone verwendet. Dieses Thema ist wirklich alterslos.
Sie haben gerade von Tests gesprochen. Wie kam es überhaupt dazu, so ein StoreKonzept zu entwickeln?
Wir haben vor etwa zwei Jahren mit der Planung begonnen. Am Anfang wollten wir von unseren Kunden erfahren, wie sie sich Shoppen im Store vorstellen. Was gefällt ihnen, was nicht, wo liegen Kritikpunkte. Dann haben wir eine Testgruppe aus ganz unterschiedlichen Personen zusammengestellt. Nach und nach entstand dadurch mit den Projektbeteiligten ein Konzept. Als es immer konkreter wurde, haben wir unseren Ansatz in einer Art Labor aufgebaut. Mit Hilfe von weiteren Tests und DesignThinking-Methoden haben wir Ideen entwickelt, sie verworfen oder weiterverfolgt, bis wir so weit waren, dass wir einen „Pilot Store“vor dem eigentlichen Pilot Store konzipiert haben. Dieser sogenannte „Dry Store“befindet sich auf dem Bonprix Gelände. Auch hier haben wir mit Hilfe von Tests wieder eingehend geprüft, ob sich unsere Ideen auch umsetzen lassen. Auch im nun eröffneten Pilot Store lernen wir ständig dazu. Wenn Sie so wollen, befinden wir uns dort gerade in der Version 0.9 des stationären Shops. Sukzessive wird sich sicherlich einiges ändern. Was genau, bleibt abzuwarten.
Wie viel hat die Entwicklung des Pilot Stores gekostet?
Das werde ich Ihnen nicht verraten (lacht). ║