Zauberformel Plattformstrategie
Kaum, eine Woche vergeht, in der nicht ein Händler verkündet, sein Unternehmen zur Plattform zu wandeln. Handelsplattformen bergen große Umsatzpotentiale für Firmen und Händler – wenn sie die Komplexität der damit verbundenen logistischen Anforderungen beherrschen.
PLATTFORMSTRATEGIE – das müssen Händler wissen
Markplatzsysteme Von der Seller Central bei
Amazon bis zum Verkäuferportal von Ebay: Jede Plattform betreibt ihre eigenen Systeme. Für das MarktplatzManagement mit unterschiedlichen APIs, Back- und Front-Ends braucht es IT-Kompetenz.
Service-Level-Agreements (SLAs) Wie schnell müssen Prime-Zustellungen ausgeliefert werden, gibt es zwingende Vorgaben bei der Wahl des Paketdienstes und welche Begleitdokumente (Lieferschein, Rechnung) müssen den Sendungen beigelegt werden?
Bezüglich der Versandlogistik gilt es je nach Plattform unterschiedliche SLAs zu erfüllen.
Artikelstammdaten Die Artikelstammdaten müssen plattformspezifisch aufbereitet werden. Faktoren sind hierbei zum Beispiel SEO-Gesichtspunkte und Mehrsprachigkeit. Zusätzlich gilt es die Bestimmungen zum Mapping und dem Überführen von Daten (kanalspezifische Bestimmungen zu Produktinformationen, Attributen oder Varianten) zu erfüllen.
Zielgruppe und Pricing Unterschiedliche Plattformen sprechen unterschiedliche Märkte und Zielgruppen an. Daher gilt es nicht nur das Sortiment, sondern auch die Preise entsprechend der Segmente von niedrigpreisig bis Premium anzupassen.
Bestandsführung Für eine saubere Bestandsführung bei schnell skalierenden Umsätzen auf mehreren Vertriebskanälen ist es notwendig, ausreichend Bestände pro Kanal zu blocken, sodass keine Überverkäufe entstehen.
Retouren Eine besondere Herausforderung für die Logistik sind Retouren. Jede Plattform hat hier andere Vorgänge. Diese betreffen die Gutschriften, Anforderungen an Prozesse der Retourenverarbeitung und die Distribution des Retourenlabels (Retourenlabel ins Paket oder Zustellung via Mail etc.) ► Ein Trend im E-Commerce scheint ungebrochen: Online-Handels-Firmen wandeln sich zu Handelsplattformen. Douglas, Engelhorn oder das KaDeWe – der Wandel zum Marktplatz ist für viele Händler der heilige Gral. Selbst der Branchen-Primus Amazon generiert rund 60 Prozent des Handelsumsatzes auf dem Marktplatz. Wer als Marke eine Wachstumsstrategie verfolgt und den gesamten Markt erreichen will, der kommt um das Plattformgeschäft kaum herum. Denn Amazon, About You, Ebay, Otto, Zalando & Co. bieten neue Möglichkeiten, als Markenanbieter unterschiedliche Zielgruppen zu erreichen.
Start ins Plattformgeschäft
Viele starten auf dem Amazon-Marktplatz ins Plattformgeschäft. Verlockend dabei: die hohe Reichweite und vielfältige Chancen, interessante Zielgruppen anzusprechen. Zudem hat es Amazon in den vergangenen Jahren geschafft, die Kauffrequenz der Kunden stetig zu steigern. Daneben bietet der US-Handelsriese vielfältige Plattformservices, sodass Artikel schnell und effizient präsentiert, verkauft, fakturiert, geliefert und rückabgewickelt werden können. Der eigene Online-Shop wird zum „Fixstern” einer Marke. Amazon fungiert als potenter „Reichweitengenerator”. Auf Dauer ist es sinnvoll eine Multi-Plattform-Strategie zu entwickeln. Jede Plattform bietet den Zugang zu einer eigenen, loyalen Kundengruppe, die sich mit der Kundengruppe anderer Anbieter nicht überschneiden muss. Wer den gesamten Markt erreichen will, muss sein Geschäft also auf weitere Plattformen ausweiten. Doch mit zunehmendem Umsatzerfolg auf einer Plattform steigt die Abhängigkeit der Marke von diesem Vertriebskanal. Deswegen sollte die Absatzplanung auf mehreren Handelsplattformen und dem eigenen Online-Shop basieren.
Zusätzliche Services als Plus
Händler, die eine erfolgreiche Multi-Plattform-Strategie umsetzen, können nicht nur von der hohen Reichweite, sondern auch von Plattformservices in den Bereichen Werbung, Logistik und Kundenbetreuung profitieren. So bieten etwa About You und Westwing ihre professionellen Foto- und Filmproduktionsfähigkeiten an. Damit erhalten Marken Zugang zu Know-how, das sie sich nicht ohne weiteres selbst aufbauen können. Die Plattformbetreiber nutzen das Material, um ihre Kunden mit vielfältigem Content und Style-Vorschlägen zu inspirieren, zu beraten und sie zum Online-Bummel einzuladen. Dafür dürfen Marken das Material auch außerhalb der Plattform zur Kommunikation mit ihren Kunden nutzen.
Daten für eine loyale Kundenstruktur
Die enorme Kundenanzahl ermöglicht es den Betreibern von Plattformen, große Datenmengen zu erheben. Anhand dieser Daten können Plattformanbieter Kaufgewohnheiten der Kunden analysieren und daran ihre zukünftigen Aktivitäten ausrichten. Dies gilt unter anderem für das Ausspielen von Werbung und die Sortimentsund Preisgestaltung. Plattformen sind sehr erfolgreich darin, sich an ihren Kunden zu orientieren. Das sorgt für eine loyale, wiederkehrende Kundschaft, von der auch Marken profitieren.
Allerdings: Marken und Händler dürfen die gesammelten Daten in aller Regel nicht selbst nutzen. Die Datenhoheit verbleibt bei der Plattform. Bestimmte Daten müssen sie kaufen. Dadurch steigert die Abhängigkeit von der Plattform.
Plattformen erhöhen Komplexität
Je mehr Kanäle eine Marke bespielt, desto komplexer wird es. Die Umsetzung der Multi-Plattform-Strategie bringt wachsende Herausforderungen bei der Sicherstellung nachgelagerter Prozesse mit sich. So diktiert jeder Plattformbetreiber eigene Anforderungen, etwa bei Schnittstellen, Carriern, Pflichtbeilagen in Paketen, Verpackungen, Versand und Retouren. Die Logistik wir dadurch nicht leichter. Externe Dienstleister können dabei helfen, diese Komplexität zu reduzieren. Denn oft arbeiten diese tagtäglich für ihre Kunden mit unterschiedlichsten Plattformen zusammen und haben bereits Prozesse für die jeweiligen Anforderungen entwickelt.
Das Beste aus beiden Welten
Sollten Markenanbieter ausschließlich über Online-Marktplätze vertreiben? Nein. Plattformen bieten Marken, zwar riesige Chancen. Vor dem Hintergrund möglicher Abhängigkeiten von Plattformen bleibt jedoch der Vertrieb über einen eigenen OnlineShop essenziell. Dieser schafft nicht nur eine Unabhängigkeit von Plattformanbietern, sondern ermöglicht Markenunternehmen und Händlern ihr Angebot an den Kundenanforderungen durch direkten Kundenkontakt auszurichten. Mit einer eigenständigen Präsenz haben Unternehmen direkten Zugang zu Kunden und können die Kundenerfahrungen besser steuern. Mit einer umfassenden Multi-Online-ChannelStrategie kann eine Marke langfristig weiterentwickelt werden. Gleichzeitig profitiert sie von den (kurzfristigen) Reichweitepotentialen der Plattformen, ohne sich dabei in zu starke Abhängigkeit zu begeben. ║