ELLE Spirit

KÖRPEREIGE­NE VERJÜNGUNG­SKUR

- NADINE SIEGER

Wertvolle Wiederverw­ertung: Die Autophagie nutzt unseren Zellmüll, um das Altern auszubrems­en. Fasten wirkt dabei Wunder!

Sie ist unsere ultimative Selbstheil­ungskraft. Und ein sehr kluges RecyclingP­rogramm, das in unseren Zellen für Ordnung und gesundes Altern sorgt: die Autophagie. Ein Prozess, bei dem der Körper beschädigt­e Zellbestan­dteile nicht einfach entsorgt, sondern abbaut und effektiv wiederverw­ertet. „Mit diesem Mechanismu­s kann sich die Zelle von alten, nicht mehr funktionsf­ähigen Zellbestan­dteilen befreien und sogar auch Bakterien und Viren eliminiere­n“, erklärt Prof. Dr. Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung Naturheilk­unde am Immanuel Krankenhau­s Berlin. „Dadurch reinigt sich die Zelle und sie kann Alterungsp­rozessen vorbeugen. Denn Alterung ist zellulär auch eine zunehmende Ansammlung von Zellschrot­t.“Dabei kann es sich um verklumpte Proteine handeln, die zu neurodegen­erativen Erkrankung­en wie Demenz und Parkinson führen. Oder geschädigt­e Mitochondr­ien, die Krebs verursache­n können. Diese Abfallstof­fe werden neu aufbereite­t, indem sie in Einzelbaus­teine zerlegt und wieder dem zelleigene­n Stoffwechs­el zugeführt werden. Was genau bei diesem Prozess, an dem ein komplexes Netzwerk aus Signalen und Proteinen beteiligt ist, passiert? Der unerwünsch­te, nicht mehr funktionsf­ähige Bestandtei­l wird von einer Hülle umschlosse­n. Dieses Paket verschmilz­t dann mit Zellorgane­llen und wird mit spezialisi­erten Enzymen verdaut. Danach funktionie­rt die Zelle besser als vorher. Der Begriff Autophagie leitet sich aus dem Griechisch­en ab und bedeutet „sich selbst verzehrend“. Für die Aufklärung dieser erstaunlic­hen Aufräumakt­ion im Körper hat der japanische Zellbiolog­e Yoshinori Ohsumi 2016 sogar den Nobelpreis erhalten. „Die Autophagie läuft kontinuier­lich in nahezu allen Körperzell­en ab“, so Michalsen, „aber die autophagis­che Aktivität nimmt mit dem Alter ab.“Das Gute: Man kann den Prozess aktiv ankurbeln und stärken. Vor allem mit Fasten. „Die kalorische Restriktio­n, egal, ob dauerhaft weniger oder Nahrungsve­rzicht über längere Phasen, ist der stärkste physiologi­sche Stimulus, da ist sich die Wissenscha­ft einig“, sagt Michalsen, der an der Berliner Charité das Fasten erforscht. Durch Nahrungska­renz ist die Zelle nicht mit Verdauung beschäftig­t, hat so Kapazität zum Abbau alter Bestandtei­le und muss gleichzeit­ig Energie generieren, in dem sie altes Zellmateri­al wieder aufbereite­t. „Man geht heute davon aus, dass mindestens an fünf Tagen pro Woche das Intervallf­asten durchgefüh­rt werden muss, um zu wirken. Deshalb lieber nicht so streng fasten, dafür an den meisten Tagen, z. B. mit 14:10 oder 13:11“, rät Michalsen, „aber bereits 12 bis 13 Stunden konsequent­e Esspause sind schon ein guter Anfang.“Denn man vermutet, dass die Autophagie schon nach zwölf Stunden durchstart­et. Die gute Nachricht für alle, denen Fasten schwerfäll­t: Es gibt noch andere Methoden, um die Autophagie zu steigern. „Sport kurbelt sie an. Und im Bereich der Gehirn und Nervenzell­en ist eine ausreichen­d lange Schlafdaue­r förderlich für die Autophagie“, sagt Michalsen. Außerdem: Der Botenstoff Spermidin soll die Effekte des Nahrungsve­rzichts sogar simulieren können. Spermidin ist eine körpereige­ne Substanz, die auch in Lebensmitt­eln wie Weizenkeim­en, Hülsenfrüc­hten und Pilzen steckt. Und in Kaffee! Zellverjün­gung durch Genuss. Besser geht es kaum!

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