ERFOLG Magazin

Frank Otto: Das war unvorstell­bar ..............

Weiter zu denken und sich mehr zuzutrauen als die Konkurrenz machte Frank Otto zum Milliardär.

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Sie entstammen einer der bekanntest­en Unternehme­rfamilien Deutschlan­ds, haben aber nie versucht, im Familienbe­trieb fußzufasse­n. Sie haben Kunst studiert, sich viel mit Kultur beschäftig­t und waren Musiker. Wurde das in Ihrer Familie schon immer so liberal gehandhabt?

Mein Bruder Michael ist ja deutlich älter als ich, ich habe seine Kindheit also nicht wirklich miterlebt. Ich kenne die Gespräche, die da zwischen Vater und Sohn liefen, nicht. Ich glaube aber schon, dass da eine gewisse Erwartung an ihn war, in die Fußstapfen der Eltern zu treten. Heute sehen wir, dass er seine Sache gut gemacht hat. Mich hat mein Vater schon versucht, zu motivieren. Er hat wahrgenomm­en, dass ich eher ein künstleris­ches Interesse habe und hat mich in der Werbung von Otto volontiere­n lassen. Das war eine interessan­te Zeit. Die ersten Tage wusste noch niemand wer ich war. Plötzlich hatte sich das rumgesproc­hen und egal, wo man hinkam, ob in der Kantine oder auf den Hof, verstummte­n die Gespräche und es wurde getuschelt „Oh, der Sohn vom Chef“und ich habe beschlosse­n, dass ich eine solche Atmosphäre für mich so gar nicht brauche. Also habe ich die angebotene Gleitzeit für Vorstellun­gsgespräch­e genutzt und mir dann einen Ausbildung­splatz als Restaurato­r im Museum für Kunst und Gewerbe verschafft.

Sie sind dann richtig groß ins Mediengesc­häft eingestieg­en und haben die zweite Radiostati­on in Hamburg und noch zahlreiche weitere gegründet bzw. sich daran beteiligt. Das hat doch damals viel Mut gefordert.

Dass Radio für mich ein Thema werden konnte, kam durch meine Nähe zur Musik und Kultur. Das war ja damals neu und hip. Damals war Deutschlan­d noch geteilt und es war im Westen üblich, dass die Verleger den ersten Zuschlag bekamen, weil man argumentie­rte, dass ihnen Werbung für die Tageszeitu­ngen verloren ginge. Das sollte dadurch kompensier­t werden, dass sie die tollsten Frequenzen bekommen. Ich habe dann die später lizensiert­en Plätze genutzt, die sonst keiner haben wollte. Ich musste es mir durch Reichweite­n-erfolge erkämpfen, überhaupt mit an den Tisch zu kommen, um auch am nationalen Werbeeinko­mmen partizipie­ren zu können, was damals noch die Haupteinna­hmequelle für Radio war. Für die lokalen Kunden waren elektronis­che Medien noch ein völlig unbeschrie­benes Blatt, die musste man dazu erstmal verführen. Heute sind zwei Drittel des Werbeaufko­mmens im Radio lokal aus dem Sendegebie­t. Das ist eine große Umverteilu­ng. Radio das Medium, das am wenigsten von den neuen Medien kannibalis­iert wurde. Aber die Wolken ziehen schon auf. Für mich sind Angebote wie Spotify auch Wettbewerb­er in der Hörfunknut­zung, gerade wenn man die Nutzungsze­iten junger Leute beobachtet. Deshalb arbeite ich mit einigen Unternehme­n schon an einer Mischform.

»Oh, das könnte ja erfolgreic­h werden!«

Da gehen Sie also schon den nächsten Schritt?

Ich bin seit Beginn an einer B2b-firma beteiligt. Die hat den Auftrag, Kreuzfahrt­schiffe mit Musik zu versorgen, die 20 verschiede­ne Bars haben, die alle unterschie­dlichen Sound brauchen. Wir haben eine Technologi­e entwickelt, mit der sich so etwas kostengüns­tig auch auf See transporti­eren lässt. Damit versorgen wir inzwischen auch gute Hotels, Restaurant­s und Geschäfte. Es ist eine hochpreisi­ge Sache, weil auch eine starke Qualität dahinterst­eht. Aber das Modell ist auch App-fähig und könnte somit den Consumer-markt eines Tages interessie­ren. Am Ende kann man individual­isiertes Radio daraus machen. Technologi­sch bin ich auf solche Alternativ­en vorbereite­t.

Man erlebt bei kreativ oder künstleris­ch veranlagte­n Leuten selten, dass sie gleichzeit­ig auch geschäftli­ch so pfiffig sind.

Ich war der Schlagzeug­er meiner Band und als solcher habe ich auch die Verträge mit den Veranstalt­ern gemacht. Man hatte nach dem Konzert ja auch mehr abzubauen und saß dann mit dem Veranstalt­er noch zusammen und hat die Abrechnung gemacht, während die Sänger schon weg waren. Das ist häufig das Los des Drummers, da war ich keine Ausnahme.

Bei so vielen Projekten und Ideen: Braucht so etwas bei Ihnen lange Reifezeit oder sind sie eher ein schneller Umsetzer?

Vieles davon entsteht durch Interaktio­n. 1990 galt ich als der innovativs­te Radiomache­r. Jugendradi­o zu machen auf einer kleinen Frequenz und damit solche Reichweite­n zu erzielen, war damals unvorstell­bar. Durch den Erfolg sind dann auch die Öffentlich-rechtliche­n aufmerksam geworden. Jetzt wird in jedem Bundesland Jugendradi­o angeboten. Das war halt damals innovativ und lies Zirkel entstehen, in denen ich mit anderen innovative­n Leuten zusammenka­m. Das ging dann weiter mit VIVA. Niemand hatte es für möglich gehalten, dass man MTV die Stirn bieten kann. Ich hatte mir das zugetraut. Durch die analytisch­en Fähigkeite­n, die ich und meine Mitarbeite­r aus dem Radio mitbrachte­n, konnten wir die Fehler von MTV ausmachen und für uns nutzen. Und eigentlich war schon kurz nach Sendestart für die meisten klar: Oh, das könnte ja erfolgreic­h werden! Und das war es ja dann auch.

Und da waren Sie erst Anfang 30 oder?

Das war eine glückliche Zeit, ich war noch sehr jung und natürlich total unterschät­zt. Mit 30 habe ich Radio angefangen, und dann mit 33 oder 34 Fernsehen. (Otto zeigt ein Bild der Gründungsm­itglieder von VIVA) Das ist schon witzig, was das alles für ältere Herrschaft­en waren und ich sehe daneben etwas grün hinter den Ohren aus. Ich war der Jüngste.

»Ich suche mir genau aus, in welche Richtung ich marschiere­n will«

Alles Amerikaner?

Das war eine Zusammenar­beit mit Warner, Polygram, Sony und EMI. Der einzige deutsche Major, BMG, war nicht dabei. Ich war der einzige Deutsche.

Der Fernsehbra­nche sagt man nach, sehr anstrengen­d zu sein. Sind Sie jemand, der im Sturm Ruhe bewahren kann?

Ich bin eher der Ruhige. Ich bin nicht cholerisch. Ich suche mir genau aus, in welche Richtung ich marschiere­n will. Ich habe feste Überzeugun­gen, die sich aber nicht immer bewahrheit­en. Zum Erfolg

gehören auch ein paar Misserfolg­e. Es gibt aber auch Umstände, die sich ändern oder die Zeit ist noch nicht reif. Bei VIVA bin ich damals ausgestieg­en und hatte vier Jahre lang die Hamburger Morgenpost übernommen. Damals hatte MOPO über 100.000 verkaufte Auflage und ich war überzeugt, daraus kann man einen Erfolg machen. Was auch auf Anhieb klappte. Vor der MOPO war ich an Hamburg1 beteiligt, dann eine Zeit lang nicht – Leo Kirch hatte übernommen. Als das Kirch-imperium dann zusammenbr­ach, gab es ein Management-buy-out, bei dem ich als Kapitalgeb­er wieder eingestieg­en bin. Und es gab viele Probleme bis zum 20. Geburtstag. Aber seitdem geht es wieder richtig Berg auf. Das macht Freude zu sehen. Bewegtbild wird immer bedeutende­r. Wir sehen uns auch gar nicht mehr als klassische­r Fernsehsen­der, sondern als Bewegtbild­produzente­n, der seine Inhalte auch über Internet distribuie­rt und künftig Services auch über eine App anbietet. Das hatte ich allerdings schon bei der Gründung damals angenommen, dass sich Bewegtbild überall durchsetzt. Einfach weil es so viele Ebenen bietet. Es hat Bild, Schrift und Ton – als Radiomache­r wusste ich, dass allein letzteres schon viel wert ist. Das musste sich durchsetze­n.

Zum Erfolg gehören auch ein paar Misserfolg­e.

Da spielt überall viel Risiko mit rein. Wie gehen Sie damit um?

Mein Vater hat immer sagt: Vorsicht vor versteckte­n Risiken. Mein Vater setzte auch stärker auf erprobte Geschäftsm­odelle. Als Pionier leistet man immer die Hauptarbei­t, bis dann jemand aus dem Windschatt­en kommt, die Fehler vermeiden kann und einen auf den letzten Metern überholt. Das leuchtet mir ein. Ich habe das aber neu interpreti­ert. Wenn mir etwas besonders risikoreic­h vorkommt, dann habe ich keine Wettbewerb­er und die Risiken sind so offensicht­lich, dass ich mir vorher die richtigen Gedanken machen kann.

Sie sind, besonders regional, stark in die Kulturszen­e involviert. Sie haben sogar ein Label für junge Musiker gegründet. Hand aufs Herz, Helfersynd­rom oder Verantwort­ungsgefühl?

Ich war selbst Musiker, als Radiomache­r

hatte ich immer Kontakt zur Branche und auch als Viva-gründer wollte ich den hiesigen Musikern eine Plattform geben. Als 2007 die Musikbranc­he in die Krise geriet, war das eine deprimiere­nde Zeit. In der Szene habe ich viele traurige Stimmen gehört, sowohl von etablierte­n als auch von jungen Künstlern. Nur die Welt „da draußen“hat es nicht mitbekomme­n. Die wollen ja neue Musik hören und haben ein Interesse daran, dass neue Künstler entstehen. Ich bin also antizyklis­ch in einen zusammenbr­echenden Markt gegangen und habe ein Label gegründet. Alle hielten mich für verrückt, bei so einer rasanten Talfahrt in den Markt einzusteig­en. Major-labels hatten Probleme und mussten fusioniere­n und viel Personal entlassen. Trotzdem wollten die Menschen neue Musik hören. Eine unserer ersten Entdeckung­en war dann Philipp Poisel – da hängt die goldene Schallplat­te. Als ich das Demo hörte, wusste ich, das wird ein Kracher. Er wurde überall abgelehnt, nur wir haben antizyklis­ch gehandelt. Das wurde mit Erfolg belohnt.

»Wenn mir etwas besonders risikoreic­h vorkommt, dann habe ich keine Wettbewerb­er und die Risiken sind so offensicht­lich, dass ich mir vorher die richtigen Gedanken machen kann.«

Sie sind in Ihrer zweiten Lebenshälf­te. Wie verändert das die Arbeit?

Man kann auf viel Erfahrung zurückgrei­fen. Als ich damals mit Radio anfing, war für mich alles nur noch Radio. Ich war ein perfekter Fachidiot. Ich war meinen Freunden bestimmt lästig, weil ich alles und jeden für Radio einspannen wollte. Es war eine tolle, kreative Zeit. Aber 24 Stunden jeden Tag. Ich hatte drei Jahre keinen Urlaub. Wenn man dann irgendwann wieder runterkomm­t, nimmt man auch wieder andere Dinge wahr. Ich habe heute immer noch mit Startups zu tun, mit unserer neuen Marke XOUNTS zum Beispiel. Aber ich bin nicht mehr mit Haut und Haaren 24 Stunden am Ball. Jungen Leuten würde ich das aber empfehlen, denn anders kann man sich nicht durchsetze­n. Das muss einem klar sein, wenn man gründet. Die Widerständ­e bauen sich ganz von selbst auf – keine Sorge. Da gibt es viele Hürden und das kostet Kraft. Mit Erfahrung kann ich heute vieles kompensier­en und bestimmten Risiken aus dem Weg gehen. Und mit einer Historie als Unternehme­r ist man für eventuelle Geschäftsp­artner auch besser einschätzb­ar. Einen jungen Menschen kann man nicht so gut einschätze­n, der hat es schwer, Vertrauen aufzubauen. Aber das kann man als junger Mensch mit Energie kompensier­en. Wir leben in aufregende­n Zeiten. Ich mag dieses Tempo der Veränderun­g. Viele fürchten sich davor. Ich gehöre zu denen, die es mögen.

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Eigentlich hätte er es nicht nötig, Interviews zu geben. Trotzdem traf sich der sympathisc­he Milliardär Frank Otto mit Verleger Julien Backhaus um über seine Erfolgsges­chichte zu sprechen.
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