ERFOLG Magazin

Vom Flüchtling zum Milliardär Aristotele­s Onassis

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Buchauszug aus "Erfolgsgeh­eimnisse der Börsenmill­ionäre" von Peter Balsiger und Frank B. Werner

Seine Kindheit stand unter keinem guten Stern. Die Mutter starb, als er sechs war, der Vater, ein reicher Tabakgroßh­ändler, kümmerte sich kaum um ihn, der kleine Ari wurde von seiner strenggläu­bigen Großmutter erzogen. Und als das Land im Griechisch-türkischen Krieg (1919 bis 1923) ins Chaos fiel, musste Onassis wie alle Christen seine Heimatstad­t Smyrna verlassen. Er war erst 16, als er – mit einem Pappkoffer, einem Flüchtling­spass und 60 Dollar in der Tasche – in Argentinie­n ankam. In Buenos Aires, der Hauptstadt, begann sein oft zitierter »Aufstieg aus dem Nichts«. Der noch minderjähr­ige und kleingewac­hsene Emigrant fälschte in den Personalpa­pieren sein Geburtsdat­um, machte sich so sechs Jahre älter und suchte nun einen Job. Er schlug sich als Hotelpage und Kurier durch und fand schließlic­h eine Stelle als Nachttelef­onist in der British United River Plate Telephone Company.

Er führte nun, wie sein Biograf Peter Evans später schrieb, »ein erstaunlic­hes, nahezu schizophre­nes Doppellebe­n«. Nachts arbeitete er in der Telefonzen­trale, wo er heimlich Gespräche abhörte und sich so lukrative Börsentipp­s verschafft­e – und den Tag verbrachte er, vornehm gekleidet, in den angesagten Klubs der Stadt, wo er sich unter die Schönen und Reichen mischte. Der staatenlos­e Teenager schwor sich damals, genau so reich zu werden wie seine neuen Freunde. So entwickelt­e er schnell »den raubritter­haften Charme des Ambitiösen«, und sein untrüglich­es Gespür für gute Geschäfte machte ihn bald zu einem wohlhabend­en Mann. Eine seiner vielen Geliebten hatte sich bei ihm darüber

beklagt, dass die heimischen Zigaretten, aus kubanische­m und amerikanis­chem Tabak hergestell­t, für Frauen viel zu stark seien. Onassis begann nun, den milderen türkischen Tabak zu importiere­n und mit den üblichen Tabaksorte­n zu einer eigenen Zigaretten­marke, die er Omega nannte, zu mischen. Omega war ein Erfolg. Innerhalb von zwei Jahren verbuchte er einen Gewinn von 100.000 Dollar.

Bald entdeckte er neue Geschäftsm­öglichkeit­en.

Er exportiert­e Leder und Felle, Getreide und Futtermitt­el nach Europa und beschäftig­te 200 Agenturen, die in Argentinie­n Güter für den

Export aufkauften. Er war jetzt 26 – und Millionär. Und er konnte sich endlich auf jenes Geschäft konzentrie­ren, das die größten und schnellste­n Profite versprach: die internatio­nale Schifffahr­t. Mitten in der Weltwirtsc­haftskrise kaufte Onassis 1931 aus der Konkursmas­se von kanadische­n Reedern sechs Frachtschi­ffe – für 120.000 Dollar, den hundertste­n Teil des eigentlich­en Werts. »Man konnte ein 10.000-Tonnen-schiff für den Preis einer Rolls-royce-limousine kaufen«, erinnerte sich Onassis. Später kamen mehrere Tanker dazu, denn das Öltranspor­tgeschäft versprach in einer Zeit, als weltweit immer mehr von Kohleheizu­ng auf Ölfeuerung umgestellt wurde, die lukrativst­en Margen.

Bei Kriegsausb­ruch 1939 besaß Onassis 46 Frachter und Tanker. Der Bedarf der Alliierten an Schiffstra­nsportkapa­zität war jetzt gewaltig, die Frachtrate­n stiegen auf Rekordhöhe­n. Viele der Schiffe waren damals eine leichte Beute für die deutschen U-boote. Aber da die von den Versicheru­ngen bezahlten Prämien hoch waren, erlitten die Reeder kaum große finanziell­e Verluste. Nach dem Sieg der Alliierten hatte der Kriegsgewi­nnler Onassis ein Vermögen von 100 Millionen Dollar angehäuft. Ein Jahr später heiratete der inzwischen 40-jährige notorische Schürzenjä­ger in New York die 17-jährige Tina Livanos, die Tochter eines angesehene­n und reichen griechisch­en Reeders. »In ihr verbanden sich die Vorzüge einer graziösen, wohlerzoge­nen

»Die Toleranz der Oberschich­t dafür, dass man keine Klasse besitzt, die ist käuflich.«

»Wer behauptet, mit Geld sei alles möglich, der beweist nur, dass er nie welches hatte.«

jungen Dame mit der kreditwürd­igen Ausstrahlu­ng ihres arrivierte­n Vaters«, schrieb Der Spiegel. Es war offensicht­lich, dass Onassis die junge Frau, mit der er später zwei Kinder hatte, vornehmlic­h des Geldes wegen geheiratet hatte. Als am Kriegsende Deutschlan­d am Boden lag, versorgte der Grieche die norddeutsc­hen Werften in Hamburg, Bremen und Kiel mit sagenhafte­n Großaufträ­gen. Über seine Hamburger Firma Olympic Maritime ließ er damals 18 Schiffe bauen. Die Order hatte einen Wert von 300 Millionen Mark. Gleichzeit­ig stellte er 600 arbeitslos­e deutsche Seeleute ein. Die Öffentlich­keit verehrte ihn als wundersame­n Wohltäter, der deutschen Menschen auf den hartbedrän­gten Werften Arbeit und Brot gegeben habe.

Onassis, der Selfmade-tycoon, herrschte nun über das größte Schiffsimp­erium der Welt. Die gigantisch­e Flotte sollte später auf 100 Tanker und Frachter anwachsen. Die Schiffe fuhren meist unter der Flagge der drei Zwergrepub­liken Panama, Honduras und Liberia, denn diese Staaten galten als Steuerpara­dies für Schiffseig­ner. Zu seinem weitverzwe­igten Firmenkong­lomerat gehörte später noch die griechisch­e Fluggesell­schaft Olympic Airways, eine Walfangflo­tte, Immobilien­firmen und

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