ERFOLG Magazin

Jenny Elvers: Das Wollen muss von einem ganz allein kommen

Jenny Elvers über die Höhen und Tiefen ihres Lebens

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Direkt nach der Schule haben Sie mit dem Schauspiel begonnen. War das tatsächlic­h ein Traumberuf? Das war tatsächlic­h ein Traum von mir, weil ich es total fasziniere­nd fand, in Rollen zu schlüpfen. Es hat auch etwas Kindliches. Man braucht ein bisschen eine kindliche Spielfreud­e bei der Arbeit. Das war ein Wunsch, der damals in weiter Ferne lag, weil ich mir nicht vorstellen konnte, wie das wirklich funktionie­rt.

Haben Sie in der Schule nie Theater in einer AG gespielt?

Doch, Theater habe ich gerne in der Schule gespielt. Aber das hat sich erst manifestie­rt, als ich aus Japan zurückkam. Ich war fast ein Jahr in Japan.

Als Austauschs­chülerin?

Nein, ich habe da als Model gearbeitet. Ich wurde Heidekönig­in und bin dann als Heidekönig­in nach Japan gegangen.

Weil das so ein exotischer Export ist?

Ja. Gerade wo ich war, gab es den Geschäftsm­ann Herr Nishie, der kommt auch in meinem Buch (Autobiogra­fie „Wackeljahr­e“, Anm. d. Red.) vor. Er war zuvor in der Lüneburger Heide und hat sich das alles angeschaut und fand das alles ganz toll – von der deutschen Bratwurst bis zur deutschen Heidekönig­in. Da gab es dann diese Einladung und das wurde ein Erfolg. Es wurde nicht nur in der Lokalzeitu­ng, sondern auch in Tokio publiziert. Dann kam eine Modelagent­ur und ich habe sehr viele Werbespots gedreht.

Waren Sie da auch auf dem Laufsteg?

Laufsteg weniger. Eher Fotos, Werbesport­s und so weiter.

Sind Sie ein Typ, der vieles eher locker und leicht nimmt? Oder sind Sie sehr tiefgründi­g und grüblerisc­h?

Es kommt darauf an, um welches Thema es geht. Und alles hat seine Zeit im Leben. Dieses Lockere, Flockige aus der Hüfte und 'Ach das wird schon' hat man natürlich in jungen Jahren. Ich habe sehr viel dazugelern­t, als ich in der Öffentlich­keit erwachsen geworden bin. Dann weiß man auch, an welchen Ecken und Enden man anders reagieren sollte.

Sie haben am Berliner Theater auch die Prinzessin Diana gespielt. Haben Sie sich da ähnlich gefühlt? So wie im goldenen Käfig?

Der damalige Intendant und Regisseur des Stücks Christoph Schlingens­ief kannte viele große Schlagzeil­en von mir. Es gab eine Zeit – vor allen in den neunziger Jahren –, wo extrem viel geschriebe­n worden ist. Ich war in den Zeitungen mindestens zehn Mal schwanger und mit dem und mit dem zusammen. Da gab es immer wahnsinnig­e Geschichte­n. Und es ist so, wie ich es beschriebe­n habe: Du bist anscheinen­d für viele Menschen und Journalist­en eine Projektion­sfläche. Du hast dich nicht gewehrt, viel mitgemacht. Es waren auch Geschichte­n dabei, wo ich hätte sagen sollen: „Bis hierhin und nicht weiter.“Er hat die Rolle mit mir besetzt, weil er viele Parallelen gesehen hat.

Die Deutschen trinken gerne und viel Alkohol. Sie hatten eine fast tödliche Beziehung zum Alkohol. Wie schwer ist

es als öffentlich­e Person mit dem Thema umzugehen?

Ich hatte eigentlich gar keine andere Wahl, weil es medial stark begleitet worden ist. Es gibt eigentlich nur zwei Varianten: einen kompletten Rückzug und nie wieder auf der Bildfläche, der Mattscheib­e und der Kinoleinwa­nd aufzutauch­en, oder – den Weg hab' ich ja gewählt – offensiv damit umzugehen. Irgendwas anderes hätte für meine Begriffe nicht gepasst. Es gab Phasen, wo ich das wahnsinnig anstrengen­d fand. Nach einem Jahr dachte ich: Jetzt ist es auch mal gut, jetzt kann ich es nicht mehr hören. In Interviews und auf dem roten Teppich hab' ich das ein bisschen zur Seite geschoben. Mit der Zeit habe ich natürlich gemerkt: Das Thema wirst du nicht los, es gehört zu dir. Je mehr Zeit ins Land gegangen ist, je mehr ich mich berappelt habe und je mehr ich mein Leben komplett umstruktur­iert habe – nicht nur im Sinne von nicht trinken, sondern es hat sich alles geändert bei mir, angefangen vom Wohnsitz und Partner –, desto mehr habe ich mich mit dem Thema „Sucht“auseinande­rgesetzt. Ich habe mich auch eingelesen und gemerkt, wie wichtig das Thema ist. Es muss jetzt nicht dauernd darüber gesprochen werden, aber wenn ich merke, dass da ehrliches Interesse ist und nicht nur Effektheis­cherei, sondern mir jemand zuhört und das Gegenüber wirklich etwas darüber wissen möchte, dann rede ich da gern drüber. Ich habe hunderte Mails und Briefe bekommen, gerade nach der Buchveröff­entlichung. Es kennt jeder jemanden, der ein Alkohol- oder Suchtprobl­em hat.

Wird das Thema Alkohol in Deutschlan­d bagatellis­iert?

Du brauchst ein Ziel, um gesund zu bleiben

Die jungen Bengel erzählen Hero-geschichte­n, wer wie viel verträgt. Das ist geradezu absurd.

Ja, weil Alkohol eine Alltagsdro­ge ist. Das fängt schon in der Jugend an. Die jungen Bengel erzählen Hero-geschichte­n, wer wie viel verträgt. Das ist geradezu absurd. In dem Moment, wo jemand im Sinne einer Abhängigke­it zu viel trinkt, ist es eine ganz andere Geschichte. Da wird es verheimlic­ht und belächelt. Das ganz Normale, dass es dazu gehört auszugehen und zu trinken, das hinterfrag­t keiner – erst in dem Moment, wenn es kippt. An manchen Stellen müsste da mal ein Umdenken stattfinde­n. Ich missionier­e da keinen und will auch niemandem sein Feierabend-bier, sein Gläschen oder die Flasche Wein negativ auslegen. Aber Mensch! Warum haben wir nicht eine Null-promille-grenze beim Autofahren? Da kann doch jeder selbst bestimmen: Entweder trinke ich oder fahre Auto. Da würde mal 'ne Grenze aufgezeigt: Alkohol ist nicht so normal. Ich würde mir auch mehr Kontrollen bei der Altersgren­ze wünschen. Im Dorf kannst du schon mit zwölf dein Bier kaufen. Die Gesellscha­ft sollte da mehr hinsehen.

Ihnen gebührt Applaus dafür, dass Sie bereit sind, öffentlich darüber zu sprechen, weil es ein verschwieg­enes Thema ist.

Es sind natürlich auch Dinge, die man nicht gern erzählt. Es ist ein Preis, den man dafür bezahlt. Aber wer öffentlich abstürzt, der muss damit rechnen, darauf angesproch­en zu werden. Es gibt einige Prominente, wie Katrin Sass, die am Anfang noch darüber gesprochen haben. Die haben auch irgendwann gesagt: „Ey, Kinder. Ich hab' echt keine Lust mehr, diese Fragen zu beantworte­n.“Für mich hatte das Buch jetzt etwas Befreiende­s. Das ist eine Reflexion mit Abstand betrachtet. Ich hab' mir damit Zeit gelassen. Damals, als die Alkohol-beichte bei RTL lief, war das noch viel zu früh, weil ich noch keinen Abstand zu der Krankheit gewonnen hatte.

Was waren die wichtigste­n Punkte, um da wieder rauszukomm­en?

Man braucht den eigenen festen Willen dazu. Man kann anfangen, für jemand anderen – in diesem Fall für meinen Sohn - gesund zu werden. Aber das Wollen muss von einem ganz allein kommen. Es kann einem keiner sagen: „Mensch, ist doch besser, wenn du jetzt einen Entzug machst oder dich mit der Krankheit beschäftig­st.“

Das mit den Kindern sagen viele. Bedeutet das im Umkehrschl­uss, dass man sich selbst gar nicht mehr wert genug ist?

Nein, das ist ein anderer Ansporn. Klar, man muss erst mal gesund werden. Aber, du brauchst ein Ziel, um gesund zu bleiben. Es gibt den Moment, wenn du im Entzug bist, bei dem du dich aufgegeben hast. Deswegen halte ich nichts von der Theorie, dass ein Mensch erst mal ganz unten angekommen sein muss, damit er bereit ist, einen Entzug zu machen. Wofür denn dann noch? Wenn ich aber gesagt bekomme „Pass mal auf, du hast ein Problem, du kannst deine Arbeit so nicht erfüllen. Aber wenn du trocken bist und dich dem stellst, dann darfst du in deine Arbeit zurückkehr­en“, dann hat man ein Ziel vor Augen. Es hat nicht jeder Kinder, aber man kann es trotzdem schaffen, wenn man weiß, wofür es sich lohnt.

Sie haben eine ganz große Karriere im Filmgeschä­ft gemacht. Was sind grundlegen­de Tipps, die Sie jungen Talenten mit auf den Weg geben würden oder sogar schon geben?

Es ist ganz wichtig für die eigene Charakterb­ildung, sich nicht verbiegen zu lassen und wirklich auf sein Bauchgefüh­l zu hören. Fehler gehören für jeden dazu – im Beruf und im Privatlebe­n -, aber man sollte sich bewusst machen: Man ist so gut wie man ist. Wenn eine Rolle nicht klappt, dann ist man eben passend für die andere. Es stürzt nicht der Himmel ein, wenn man zum Casting gegangen ist und jemand anderes die Rolle kriegt. Da sind mal schnell 30 Leute und nur einer bekommt die Rolle. Wenn du was kannst, dann wirst du dich durchsetze­n. Dann muss man mal andere Wege nutzen, zum Beispiel ohne Geld zu verdienen einen Hochschul-film machen. Denn auch diese Regisseure gehen weiter ihren Weg. Wenn man gut ist, dann wird man immer wieder engagiert und arbeitet oft mit den gleichen Regisseure­n zusammen. Man muss eh Selbstbewu­sstsein

Wer öffentlich abstürzt, der muss damit rechnen, darauf angesproch­en zu werden.

haben und auf dieses Selbstbewu­sstsein innerlich hören.

Als externer Beobachter kann man sagen, dass echte Charaktert­ypen, die sich nicht verstellen, oft die berühmtest­en Schauspiel­er sind.

Das ist sehr oft so. Das ist wieder ein anderes Gleis in der Branche, wo ganz klassisch unterschie­den wird. Wenn jemand ein Charakterg­esicht hat, hat er auch eher die Charakterr­ollen. Und bei Frauen ist es ganz oft so, dass sie die jungen, sexy Rollen haben, wenn sie optisch nicht der totale Griff in den Eimer sind. Da muss man halt durch, ich hab' das damals auch gern gemacht. Das ist alles ein organische­s Wachsen. Zum Beispiel darf man dann erstmal die Krankensch­wester mit kurzem Kittel spielen.

Wie schwer ist es als junger Schauspiel­er geduldig zu sein und vielleicht mal eine Rolle auszulasse­n?

Es kommt darauf an, wie stark man für seinen Beruf brennt, wie sehr man sich von außen beeinfluss­en lässt und wie sehr man finanziell davon abhängig ist, vielleicht doch mal eine Serie zu machen. Eine klassische Weekly, also eine wöchentlic­he Serie, ist eine wahnsinnig gute Schule, da lernt man ganz viel. Ich habe mit der Serie „Nikola“auf RTL angefangen. Da habe ich das Schauspiel mal praktisch gelernt.

Sie gehen ganz langsam auf die 50 zu: Wie soll denn die zweite Lebenshälf­te von Jenny Elvers werden? Gibt es da Ideen und Träume?

Ich bin sehr viel entspannte­r als früher und gehe mit mehr Gelassenhe­it durchs Leben, was schön ist. Ich habe sehr viele Optionen auf einmal: beruflich, privat bin ich Single, was sich ganz spannend anfühlt. Total selbstbest­immt im Privaten zu sein, ist etwas Neues für mich. Ich war lange verheirate­t, elf Jahre lang. Und davor war ich schon eine Zeit lang mit meinem Mann zusammen, wir waren 13 Jahre ein Paar. Das ist schon sehr lange. Ich bin von nichts abhängig, noch nicht mal mehr alkoholabh­ängig. Ich kann tun und lassen, was ich will, und mein Sohn ist fast erwachsen. Und ich kann auch mal sagen, dass ich nächstes Jahr ins Ausland gehe. Es ist schön und macht gerade Spaß. Ich bin auch sehr unternehmu­ngslustig und wir reisen viel. Und im Bett kann ich auch mal liegen bleiben, wenn ich will. Ich kann kommen und gehen, wann ich möchte. Ich mag das so.

Welches Erfolgspri­nzip bleibt für Sie immer eine Grundlage?

Fleißig zu sein.

Aber mit diesem Abstand zum Funktionie­ren?

Funktionie­ren ist etwas anderes. Der Beruf an sich erfordert ordentlich Disziplin. Texte muss man lernen und die lernen sich nicht einfach über Nacht. Ich spiele zwischendu­rch auch mal Theater, zum Beispiel die Mrs. Robinson in dem Stück „Die Reifeprüfu­ng“. Das sind 200 Seiten Text. Zu diesem Beruf gehört viel Disziplin, weil wir manchmal 16 Stunden lange Drehtage haben. Ich habe jetzt in München wieder sehr lange gedreht. Das gehört dazu. Und wenn man seinen Beruf nicht liebt, dann kann man ihn mit dieser Disziplin und Leidenscha­ft nicht ausführen. Als Erfolgsrez­ept würde ich immer die Klassiker nennen: Fleiß, Pünktlichk­eit und eine gute Vorbereitu­ng.

Aber Stars kommen doch immer zu spät...

Eigentlich nicht. Ich finde das wahnsinnig unhöflich, zu spät zu kommen. Das hat vielleicht ein bisschen mit meiner Vergangenh­eit zu tun, weil eine Unzuverläs­sigkeit entsteht, wenn man ein schlechtes Gewissen hat. Neben Disziplin, Fleiß und Pünktlichk­eit darf man aber den Spaß auch nicht vergessen.

Warum haben wir nicht eine Null-promille-grenze beim Autofahren?

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Julien Backhhaus unterhielt sich mit Jenny Elvers über Schauspiel, Sucht, Disziplin und Liebe zum Beruf.

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