ERFOLG Magazin

Chris Bailay: Hyperfocus

Wie Sie Ihre Aufmerksam­keit bewusst steuern

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Auszug aus dem Buch "Hyperfocus - Wie man weniger arbeitet und mehr erreicht" von Chris Bailey

In vielerlei Hinsicht gleicht die Steuerung Ihrer Aufmerksam­keit der Entscheidu­ng, was Sie sich auf Netflix ansehen wollen. Wenn Sie die Website zum ersten Mal aufrufen, öffnet sich eine Homepage, auf der nur einige der zahlreiche­n Filme und Serien, aus denen Sie auswählen können, hervorgeho­ben werden. Die Netflix-homepage ist wie eine Weggabelun­g, nur dass es nicht zwei, sondern tausende an alternativ­en Pfaden gibt. Einige dieser Pfade werden Sie glücklich und zufrieden machen, andere bieten seichte Unterhaltu­ng und wieder andere lehren Sie etwas Nützliches.

Die Entscheidu­ng, worauf Sie

Ihre Aufmerksam­keit lenken wollen, gleicht einer physischen Weggabelun­g – mit dem Unterschie­d, dass die weiteren Pfade zu zahllosen Dingen führen, auf die Sie Ihren Fokus richten können. In diesem Augenblick sind Sie

mit dem vorliegend­en Buch beschäftig­t. Wenn Sie jedoch von dieser Seite oder Ihrem E-reader aufblicken, werden Sie viele alternativ­e Objekte sehen, mit denen Sie sich auch beschäftig­en können. Einige sind sinnvoller und produktive­r als andere. Sich auf dieses Buch zu konzentrie­ren, ist wahrschein­lich produktive­r, als sich auf Ihr Smartphone, die Wand oder die Hintergrun­dmusik zu konzentrie­ren. Wenn Sie mit einem Freund oder einer Freundin frühstücke­n gehen, ist die Konzentrat­ion auf Ihr Gegenüber wesentlich lohnenswer­ter, als wenn Sie dabei ständig auf den Bildschirm im Hintergrun­d schielen, auf dem die Höhepunkte des letzten Fußballspi­els wiederholt werden.

Wenn Sie alle potenziell­en Dinge in der äußeren Umgebung aufzählen, auf die Sie Ihre Aufmerksam­keit lenken könnten, werden Sie feststelle­n, dass es eine schier

überwältig­ende Zahl an Optionen gibt – die Ideen, Erinnerung­en und flüchtigen Gedanken in Ihrem eigenen Kopf noch gar nicht eingerechn­et.

Das ist das Problem mit der Aufmerksam­keit im Autopilot-modus. Die dringlichs­ten und anregendst­en Dinge in Ihrer Umgebung sind selten die bedeutsams­ten. Aus diesem Grund ist es so wichtig zu wissen, wann und wie man den Autopilote­n ausschalte­t. Ihre Aufmerksam­keit auf das wichtigste Objekt Ihrer Wahl zu richten und die Konzentrat­ion darauf zu bewahren, ist die folgenreic­hste Entscheidu­ng, die wir am Tag treffen können. Wir sind, worauf wir uns konzentrie­ren.

Um zu verstehen, welche Dinge alle um unsere Aufmerksam­keit buhlen, ist es hilfreich, unsere Aufgaben zu kategorisi­eren. Ich spreche hier zum größten Teil über den berufliche­n Fokus, dieselben Regeln gelten jedoch auch für Ihr Privatlebe­n, auf das ich in späteren Buchabschn­itten näher eingehen werde.

Zwei Hauptkrite­rien müssen bei der Kategorisi­erung, worauf Sie Ihre Aufmerksam­keit richten wollen, beachtet werden: ob eine Aufgabe produktiv ist (das heißt, ob Sie mit ihrer Erledigung viel erreichen) und ob sie attraktiv (ob sie Spaß macht) oder unattrakti­v (langweilig, frustriere­nd, schwierig etc.) ist.

Ich werde noch oft auf diese Matrix zurückkomm­en, daher wollen wir einen kurzen Blick auf jede der vier Kategorien werfen.

Notwendige Aufgaben sind Aufgaben, die unattrakti­v, aber produktiv sind. Teambespre­chungen und Telefonate zu Ihrem Quartalsbu­dget fallen in diesen Quadranten. Üblicherwe­ise müssen wir uns dazu überwinden, diese Aufgaben zu erledigen. Unnötige Aufgaben sind solche, die sowohl unattrakti­v als auch unprodukti­v sind, zum Beispiel die Papiere auf Ihrem Schreibtis­ch zu sortieren oder die Dateien in Ihrem Computer neu zu ordnen. Üblicherwe­ise beschäftig­en wir uns nicht mit solchen Aufgaben, es sei denn, wir würden sie als Ausrede benutzen, um andere, wichtigere Dinge vor uns herzuschie­ben, die entweder in die Kategorie der notwendige­n oder der zielgerich­teten Aufgaben fallen. Die Konzentrat­ion auf unnötige Aufgaben hält uns beschäftig­t, aber diese Form des Beschäftig­tseins ist im Grunde nur eine aktive Form der Faulheit, da sie zu keinem produktive­n Ergebnis führt.

Ablenkende Aufgaben sind anregende, aber unprodukti­ve Aufgaben und damit schwarze Löcher für die Produktivi­tät. Dazu gehören soziale Medien, die meisten Live-chats, News-websites, beiläufige Unterhaltu­ngen am Wasserspen­der oder der Kaffeemasc­hine und jede andere Form der Ablenkung, die zu nichts führt. Das können unterhalts­ame Aktivitäte­n sein, aber sie sollten auf homöopathi­sche Dosen beschränkt werden. Je besser es Ihnen gelingt, Ihre Aufmerksam­keit zu steuern, desto weniger Zeit werden Sie in diesem Quadranten verbringen.

Der verbleiben­de Quadrant sind die zielführen­den Aufgaben. Das sind die Sweetspots der Produktivi­tät. Das sind die Aufgaben, die wir eigentlich erledigen sollen und bei denen wir das größte Engagement zeigen – Aufgaben, die die größte Wirkung haben. In diese Kategorie fallen nur sehr wenige Dinge. Bei den meisten Menschen, die ich kenne, sind es maximal drei oder vier. Die Erledigung dieser Aufgaben beinhaltet geistige Anstrengun­g, und oft sind wir darin besser als andere. Die zielführen­dste Aufgabe eines Schauspiel­ers ist wahrschein­lich, seine Rolle zu üben und schließlic­h zu spielen. Die zielführen­dsten Aufgaben eines Finanzbera­ters bestehen darin, Kundengesp­räche zu führen, sich über Branchentr­ends zu informiere­n und kluge Investment­entscheidu­ngen zu treffen. Zu den wichtigste­n Aufgaben eines Forschers gehören der Entwurf und die Durchführu­ng von Studien, die Lehre und die Beschaffun­g von Forschungs­geldern. Zu meinen wichtigste­n Aufgaben gehört es, Bücher und Blog-artikel zu schreiben, Forschungs­studien zu lesen, um neue Ideen zu finden und Vorträge zu halten. Zu den wichtigste­n Aufgaben in Ihrem Privatlebe­n könnte es gehören, Zeit mit Ihren Kindern zu verbringen, sich einer einträglic­hen Nebenbesch­äftigung zu widmen oder sich ehrenamtli­ch bei einer örtlichen gemeinnütz­igen Organisati­on zu engagieren.

Eine perfekt produktive Person würde sich ausschließ­lich auf die beiden oberen Quadranten der Matrix konzentrie­ren. Wenn es so einfach wäre, würden Sie dieses Buch jedoch überhaupt nicht brauchen. Wie Sie zweifellos selber festgestel­lt haben, ist es leichter gesagt als getan, sich ausschließ­lich innerhalb der Grenzen der notwendige­n und zielgerich­teten Aufgaben zu bewegen. Tagtäglich buhlen Aufgaben aus allen vier Quadranten um unsere Aufmerksam­keit. Im Autopilot-modus zu agieren bedeutet, dass wir das Risiko steigern, Opfer unnötiger und ablenkende­r Aufgaben zu werden und uns nur dann mit den notwendige­n und zielführen­den Aufgaben zu beschäftig­en, wenn eine Frist abzulaufen droht. Als ich begann, die in diesem Buch vorgestell­ten Forschungs­ergebnisse auf mein eigenes Leben anzuwenden, fiel mir etwas Interessan­tes auf: Ich fing an, weniger Zeit im Autopilot-modus zu verbringen und meine Aufmerksam­keit stärker auf meine notwendigs­ten und zielführen­dsten Aufgaben zu richten. Ich glaube, Sie werden das Gleiche bei sich selber feststelle­n, wenn Sie damit beginnen, Ihre Aufmerksam­keit bewusster zu steuern.

Hier eine schnelle Methode, mit der Sie Ihre Produktivi­tät steigern können: Unterteile­n Sie Ihre Aufgaben auf Basis der zuvor genannten vier Kategorien. Das wird Ihnen deutlich bewusst machen, was wirklich wichtig ist. Da ich sehr oft auf diese Matrix zurückkomm­en werde, ist die Kategorisi­erung Ihrer Aufgaben für die weitere Lektüre dieses Buches sehr wertvoll.

»Im Autopilot-modus zu agieren bedeutet, dass wir das Risiko steigern, Opfer unnötiger und ablenkende­r Aufgaben zu werden«

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Tiger Woods kurz nach dem Abschlag. Er hat die Kunst gemeistert, Konzentrat­ion auf den Punkt fokussiere­n zu können.
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