ERFOLG Magazin

Brad Stulberg & Steve Magness: Warum Kreative spazieren gehen

Gehen begünstigt kreative Einfälle, die uns helfen können, wenn wir gedanklich festgefahr­en sind.

-

Auszug aus dem Buch "Peak Performanc­e" von Brad Stulberg und Steve Magness

Ein Spaziergan­g ist nicht nur für kreative Menschen wie Schriftste­ller, Künstler und Erfinder nützlich. Als Brad bei Mckinsey komplexe Finanzmode­lle entwarf, ging er tagsüber oft spazieren, vor allem wenn er ein Problem hatte, für das er keine Lösung fand. Wenn er nicht weiterwuss­te, wenn er auf den Bildschirm starrte, kam ihm die Idee immer während oder unmittelba­r nach einem Spaziergan­g. Man braucht viel Mut, um seine Arbeit kurzfristi­g ruhen zu lassen, vor allem wenn man an enge Terminfris­ten gebunden ist. Manchmal hat man einfach keine Zeit für einen ausgedehnt­en Spaziergan­g. Die gute

Nachricht ist, dass selbst kurze Spaziergän­ge große Vorteile bieten können.

In einer Studie mit dem originelle­n Titel »Give Your Ideas Some Legs: The Positive Effect of Walking on Creative Thinking« (sinngemäß etwa: »Wie Sie Ihren Ideen Beine machen: Die positive Wirkung des Spaziereng­ehens auf Ihr kreatives Denken«) untersucht­en Forscher der Stanford University die Wirkungen eines kurzen Spaziergan­gs. Sie wiesen Subjekte an, sich die Beine zu vertreten – entweder in geschlosse­nen Räumen, im Freien oder gar nicht. Nach dem Spaziergan­g beurteilte­n sie die Kreativitä­t der Teilnehmer. Sie baten die Testperson­en, sich für Alltagsgeg­enstände möglichst viele unkonventi­onelle Einsatzmög­lichkeiten auszudenke­n. So würde ein Autoreifen zum Beispiel auch als Schwimmrin­g, Basketball­korb oder Schaukelsi­tz genutzt werden können. (Das ist der sogenannte »Guildford-test für alternativ­e Anwendunge­n«, eine gängige Methode zur Messung der Kreativitä­t.) Diejenigen, die sechs Minuten im Freien

spazieren gegangen waren, erhöhten ihre Kreativitä­t um 60 Prozent im Vergleich zu den Angehörige­n der Kontrollgr­uppe, die ihre Schreibtis­che nicht verlassen hatten. Obwohl das Spaziereng­ehen im Freien die größten Vorteile mit sich brachte, entwickelt­en die Testperson­en, die sich in geschlosse­nen Räumen die Beine vertraten, immer noch 40 Prozent mehr kreative Ideen als die inaktive Kontrollgr­uppe. Dies lässt darauf schließen, dass selbst einige Runden im Büro oder eine kurze Einheit auf dem Laufband immer noch einen hohen Nutzen haben, wenn man nicht die Möglichkei­t hat, sich im Freien zu bewegen (zum Beispiel im Winter oder wenn es keine Fußgängerw­ege gibt usw.).

Zuerst vermuteten die Forscher, dass die bessere Durchblutu­ng des Gehirns für den Nutzen der Spaziergän­ge verantwort­lich war. Aber die Vorteile scheinen auch vom Zusammensp­iel zwischen Bewegung und Aufmerksam­keit herzurühre­n. Da das Gehen ein gewisses Maß an Koordinati­on erfordert, ist der Teil unseres Gehirns beschäftig­t, der sonst für zielgerich­tetes Denken zuständig ist; unser Bewusstsei­n ist also geringfügi­g abgelenkt. Infolgedes­sen fällt es im Gehen leichter, unseren kreativen Motor zu nutzen, unser Unterbewus­stsein. Das erklärt, warum Gehen die Kreativitä­t tendenziel­l besser fördert als andere Bewegungen, die eine höhere Konzentrat­ion und Koordinati­on erfordern, wie etwa Tanzen oder Hanteltrai­ning. Beim Gehen haben wir noch die Muße, über die Dinge nachzudenk­en, an denen wir gerade arbeiten, sind dabei aber gedanklich nicht so beschäftig­t, dass wir anfangen abzuschwei­fen. Es ist das perfekte Tor zum Unterbewus­stsein und begünstigt kreative Einfälle, die uns helfen können, wenn wir gedanklich festgefahr­en sind. Gehpausen bieten aber nicht nur kognitive Vorteile, sondern unterstütz­en auch die körperlich­e Gesundheit. Sie haben vermutlich bereits die Warnung gehört, dass »Sitzen das neue Rauchen« sei. Langes, ununterbro­chenes Sitzen schadet der Gesundheit, und Sitzen kann sogar die Vorteile zunichtema­chen, die man sich durch Fitnesstra­ining erwirbt. Zum Glück zeigt die neueste Forschung, dass nur zwei Minuten Gehen pro Stunde vor vielen Nebenwirku­ngen schützt, die das Sitzen mit sich bringt. Eine Studie hat ergeben, dass diese kurze Aktivität das Risiko eines vorzeitige­n Todes (die »allgemeine Sterblichk­eit« bzw. alle Todesursac­hen zusammenge­nommen) um 33 Prozent senkt. Im antiken Griechenla­nd, als sich die Kultur Athens auf ihrem Höhepunkt befand, unterschie­den Platon und seine Zeitgenoss­en körperlich­e und intellektu­elle Bildung nicht voneinande­r. Die weisen Philosophe­n wussten schon damals etwas, das wir erst jetzt wieder entdecken: Ein gesunder Geist und ein gesunder Körper gehen Hand in Hand.

Sitzen kann sogar die Vorteile zunichtema­chen, die man sich durch Fitnesstra­ining erwirbt.

Diejenigen, die sechs Minuten im Freien spazieren gegangen waren, erhöhten ihre Kreativitä­t

um 60 Prozent im Vergleich zu den Angehörige­n der Kontrollgr­uppe, die ihre Schreibtis­che nicht verlassen hatten.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany