Hol alles aus dir raus - für dich
Hol das Beste aus dir raus – für DICH
Du hast sicherlich sehr früh mit Musik begonnen. Kannst du dich an deine erste Geigen-begegnung erinnern? Überhaupt nicht. Es gibt Videos, die meine Eltern damals noch ohne Ton gemacht haben, in denen ich die Geige in der Hand halte und schon irgendetwas spiele. Die ersten Momente, die ich in Erinnerung habe, sind die, als ich schon das erste Mal auf der Bühne stand.
Wie alt warst du ungefähr?
Ich habe im Alter von dreieinhalb oder vier Jahren angefangen. Ich kann mich – und das ist etwas Positives – nicht an die erste Zeit erinnern, als ich noch schlecht gespielt habe. Entweder habe ich diesen Teil verdrängt oder ich kann mich einfach nicht daran erinnern. Meine erste Erinnerung ist die Beethoven-romanze in F-dur. Das war schon mit „Jugend musiziert“(das renommierteste Musikförderprojekt Deutschlands, Anm. d. Red.).
Aber hast du sofort mit Geige angefangen?
Ja.
Ist Musik etwas, was du für dich machst und andere daran teilhaben lässt oder machst du es für andere, um sie zu unterhalten?
In erster Instanz für mich. Ich glaube, bei jedem Beruf, den man mit Leidenschaft und Erfolg macht, ist die Intention, selbst das Beste aus sich herauszuholen und daran Spaß zu haben. Dass sich ein Publikum in diesem Ausmaß entwickelt, war unerwartet – auch für mich.
Wenn du sagst, das ist etwas, was du für dich machst und dir etwas gibt: War es dann schwer, jetzt so lange zu pausieren und die Finger stillzuhalten?
Das waren schon sieben lange Monate. Aber das überlebt man auch als Musiker. Man kann sich mit anderen Sachen musikalisch beschäftigen. Man kann zum Beispiel Texte schreiben. Es gibt genug Beschäftigungen, die mir Spaß machen und mit Musik zu tun haben, mit denen ich die Zeit überbrückt habe. Ich habe versucht, mit Zielstrebigkeit daran zu arbeiten, dass ich gesund werde und es wieder mit dem Instrument funktioniert.
Wenn du so viel Spaß an der Arbeit hast: Kannst du dir vorstellen, Dinge zu machen, die dir keinen Spaß machen?
Es wäre übertrieben zu sagen, dass ich immer Spaß an der Arbeit habe. Das ist nicht der Fall. Das Touren hat auch gewisse Sei
ten, die überhaupt nichts mit der Musik zu tun haben, wie zum Beispiel das Reisen, und anstrengend sind. Trotzdem muss ich mit Konzentration und Kreativität dabei sein und viel Input geben. Es geht nicht nur ums Musikmachen, sondern auch um das Produkt: was wir bei der Tour machen und wie wir es umsetzen, bis ins kleinste Detail. Es gibt Momente, in denen ich noch um zehn Uhr abends an den Plänen arbeite. Manchmal macht es mehr Spaß, manchmal weniger.
War es von Anfang an dein Ziel ganz nach oben zu kommen?
Ich weiß nicht, was ganz nach oben ist. Ich wollte das schon beruflich machen, aber wie sich das in den letzten Jahren entwickelt hat, das konnte niemand ahnen. So einen großen Erfolg zu haben und so große Hallen zu bespielen, ist auch ein Stück weit für das Instrument unüblich. Das ist schon einzigartig.
Hast du schon mal überlegt, was dafür wahrscheinlich der ausschlaggebende Punkt war?
Ich habe nicht versucht, das zu sezieren oder zu analysieren. Ich glaube, dass ich das, was ich tue, unglaublich liebe. Ich glaube, dass das Publikum merkt, wenn man mit seinem ganzen Herzen dabei ist.
Genau. Aber Du bist trotzdem anders als ein André Rieu.
Er macht das auch auf seine Art großartig und der Erfolg gibt ihm recht. Erfolg ist etwas, was man sich erarbeiten muss – in jedem Beruf und mit jedem Instrument. Ich habe immer versucht – auch wenn ich aus der Klassik komme –, es nie abgehoben zu präsentieren. Ich glaube, dass sich junge Menschen in der Philharmonie nicht so wohlfühlen. Man sieht sie dort eher selten. Als ich sehr jung war, gab es im WDR sonntags um 10 Uhr morgens Konzerte von den Wiener-, Berliner- und Münchner Philharmonikern. Da war zumindest eine gewisse Präsenz junger Leute. Mittlerweile ist das wirklich nicht mehr der Fall. Es ist fast schon ein Novum, sich als junger Mensch dort reinzusetzen. Ich kann diese Hemmschwelle sogar ein Stück weit verstehen. Deswegen versuche ich, Klassik in einem lockeren Rahmen zu präsentieren und damit gerade auch die jüngeren Menschen dafür zu interessieren.
Apropos Umfeld – auch mit den Menschen: Wie verändert sich das Umfeld, wenn man berühmter wird?
Bei der Arbeit bin ich zu 95 Prozent mit Menschen zusammen, mit denen ich gemeinsam an meinen Projekten arbeite und die mich dabei unterstützen. Klar fällt dir irgendwann auf, besonders wenn du zum Beispiel essen gehst, dass sich etwas verändert hat. Am Anfang waren es eher Autogramme, dann kamen die Handys. Mittlerweile will keiner mehr ein Autogramm haben, sondern ein Selfie. Das Foto ist mittlerweile eine Art Beweismittel, dass man jemanden kennt oder gesehen hat. Für mich gehört das natürlich dazu, besonders wenn mich jemand nett anspricht.
Gibt es im Showgeschäft viele Menschen, über die man denkt: Oh Gott, mit denen muss ich arbeiten?
Nein. Ich suche mir die Leute aus, mit denen ich arbeite. Das ist ein großer Luxus. Ich glaube, um produktiv zu sein, muss man ein harmonisches Team um sich herum haben. Bei mir ist das zumindest so. Es kann sicherlich unterschiedliche Meinungen geben, aber der gemeinsame Konsens und das ergebnisorientierte Arbeiten sind mir sehr wichtig.
Rückschläge gehören im Leben dazu, sonst kann man nichts verbessern. Wie langweilig wäre das denn, wenn alles perfekt läuft?
Ist man in deiner Position perfektionistisch? Muss man das sein?
Ich war immer perfektionistisch – an der Geige und darüber hinaus natürlich auch bei meinen Projekten und Tourneen. Mit dem Erfolg werden natürlich die Produktionen größer. Ich versuche mich bei jedem Projekt aufs Neue von Anfang an einzuarbeiten und meine Ideen umzusetzen. Diese Disziplin, die ich bei der Musik habe, versuche ich auch in die anderen Bereiche einzubauen. Perfektionistisch? Ich glaube, dass im Leben nichts perfekt sein kann. Aber man sollte sich zumindest die Mühe geben, es so gut wie möglich zu machen.
Wenn du ein gutes Herz hast, macht Geld keinen Unterschied. Und wenn du negative Eigenschaften hast, werden sie dadurch potenziert.
Du hast also einen sehr hohen Standard?
Ich habe meinen Standard. Andere würde es vielleicht anders machen. Aber ich muss am Ende zufrieden sein mit dem Produkt, in diesem Fall mit den Konzerten, und vor allen Dingen soll es meinen Fans gefallen. Darauf achte ich immer besonders, das ist mir sehr wichtig.
Gibt es Rückschläge, über die du dich ärgerst?
Ja, es gibt schon Sachen, die im Konzert nicht so gut laufen, wie ich es mir wünsche. Ich sehe das aber nicht negativ, sondern eher als Ansporn, es beim nächsten Mal besser zu machen. Das Erste, was ich nach einem Konzert mache, ist, mit dem Team durchzugehen, was gut lief und wo wir etwas verbessern können. Rückschläge gehören im Leben dazu, sonst kann man nichts verbessern. Wie langweilig wäre das denn, wenn alles perfekt läuft?
Wenn du beim Konzert auf der Bühne stehst: Hast du eine bestimmte Methode, um dich in Spitzenform zu bringen?
Wir üben vorher monatelang. Die Vorbereitung der Stücke nimmt viel Zeit in Anspruch, darüber hinaus die Entwicklung der Produktion. Ich schreibe mir meistens auch Texte zu den Stücken auf, etwas Persönliches, was ich mit der Musik verbinde. Bei so unterschiedlichen Musikstilen und -richtungen, wie ich sie spiele, muss trotzdem ein roter Faden erkennbar sein. Mit den vielen kleinen, oft sehr individuellen Details dauert die Vorbereitung für eine Tour, wie wir sie jetzt machen, ein gutes Jahr.
Das glaube ich. Wenn du hinter der Bühne stehst und es gleich losgeht: Bist du eher konzentriert oder eher aufgepumpt?
Das ist eine Mischung, 50 zu 50. Ich brauche die Konzentration, weil ich meine Leistung abrufen muss. Aber wenn ich verkrampft bin, ist das viel schwieriger. Im Endeffekt weiß ich genau, dass jeder der Musiker angespannt ist, was aber auch wichtig ist. Wir sind immer sehr gut vorbereitet und wir wissen, was zu tun ist. Und genau diese Vorbereitung gibt uns das entsprechende Selbstvertrauen.
Bist du ein sehr geduldiger Mensch?
Ja. Das habe ich allerdings erst gelernt. Von Natur aus bin ich es eher nicht. Es ist aber nicht so, dass ich nur mit anderen ungeduldig war und nicht mit mir selbst. Ich dachte früher, es muss alles in fünf Minuten gehen. Da habe ich mich mittlerweile verändert und das ist auch gut für mich.diesen Zeitdruck mache ich mir heute nicht mehr. Aber das Resultat muss immer noch das gleiche sein.
Die meisten sagen, du bist im Olymp angekommen. Gibt es danach noch etwas? Arbeitest du nach wie vor daran immer noch besser zu werden?
Das Gefühl, dass man nicht besser werden kann, das kenne ich nicht. Vielleicht liegt das ein Stück weit an dem Instrument. Ich wache jeden Morgen auf und die Hände sind ein bisschen kalt, die Bewegungsabläufe funktionieren nicht. Ich muss, wie beim Sport, Dehnübungen machen, und Etüden, Arpeggios und Tonleitern spielen, damit alles geschmeidig wird. Da ist jeden Tag eine gewisse Struktur an Arbeit, die ich machen muss, bevor es an die Musik geht. Ich glaube, dass mich das erdet. Und ich weiß: Ohne diese Arbeit kommt es nicht zur Musik.
Das hört sich so an, als ob du keine Zufriedenheit magst.
Nein, ich mag Zufriedenheit. Jeder Mensch mag Zufriedenheit. Das Problem ist, dass zu viel Zufriedenheit auch gefährlich ist. Mit Zufriedenheit kommt eine gewisse Sättigung. Das ist auch im Sport so. Wenn du alles erreicht hast, dann fehlt dir vielleicht ein bisschen der Drive immer 100 Prozent abzuliefern. Ich will nicht sagen, dass man immer an die Grenze gehen muss. Das ist vom Körper und Kopf schwierig. Aber ich finde schon, dass man sich immer in den richtigen Momenten motivieren muss.
Erfolg ist etwas, was man sich erarbeiten muss – in jedem Beruf und mit jedem Instrument.
Bist du ein bisschen ein Rebell?
Nicht, dass ich es merke.
Dein Äußeres lässt das aber vermuten.
Klar, ich kann das ein Stück weit verstehen, aber nur aus dem Kontext, dass ich aus der klassischen Musik komme und sie spiele. Das ist nachvollziehbar, aber es ist auch ein furchtbares Vorurteil gegenüber meinen Kollegen aus dem Klassik-bereich. Auch sie haben ein privates Ich und laufen mit Sicherheit privat nicht viel anders herum als ich. Klar, man sieht einen klassischen Musiker oft mit Anzug oder Frack. Aber das ist mittlerweile schon fast die Ausnahme – es sei denn, wir reden von großen Orchestern.
Aber du versuchst auch Crossover zu machen und willst andere Menschen abholen.
Ja, aber es ist nichts Neues, dass man ein Instrument nimmt und zeitgemäße Arrangements macht. Ich glaube, es gab viele Kollegen vor mir, die auch zeitgemäße Musik – egal aus welchem Genre – gemacht haben. Auch die Lehrer, mit denen ich gearbeitet habe, haben das gemacht: Yehudi Menuhin hat viele Crossover-projekte umgesetzt, Itzhak Perlman hat viel Film- und Klezmermusik gemacht. Ich glaube, die Neugier als Musiker ist etwas Wunderschönes. Wenn man die Qualität mitbringt, dass auf seinem Standard hinzubekommen, öffnet das viele Türen. Einem selbst macht das Spaß. Und wenn andere Leute einen Gefallen daran finden und mal sagen „Ich probiere mal ein Violinkonzert oder eine Sonate“, dann ist das eine Win-win-situation für alle.
Brauchst du manchmal noch Mut für Dinge, die du dich vielleicht noch nicht getraut hast?
Musikalisch eher weniger, aber im sozialen Leben schon. Jeder Mensch braucht ein bisschen Mut im sozialen Leben. Viel Kommunikation passiert eher auf einer unpersönlichen Basis. Du schreibst und
whatsappst Leuten. Wenn es wirklich ins Gespräch geht, ist es manchmal eine Umgewöhnung, den eigentlichen sozialen Kontakt, den ich - Gott sei Dank - als Kind mitbekommen habe, auszuleben. Musikalisch brauche ich keinen Mut, aber Respekt vor den Sachen, die ich mache. Ich habe keine Berührungsängste, aber ich bereite mich gut vor.
Mit großem Erfolg – gerade in deiner Branche – kann man viel Geld bekommen. Wie gehst du damit um? Ist dir das wichtig oder eine Nebensächlichkeit?
Geld ist eine Nebensächlichkeit. Allerdings gibt es mir schon die Möglichkeit Sachen zu machen, die andere nicht machen können. Das muss ich auch fairerweise sagen. Es verändert den Menschen. Wenn du ein gutes Herz hast, macht Geld keinen Unterschied. Und wenn du negative Eigenschaften hast, werden sie dadurch potenziert.
Mit dir bringt man Disziplin stark in Verbindung. Ist das beim Üben etwas Positives oder Einschränkendes?
Man kann es auch übertreiben. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, als ich im letzten Jahr ein Stück weit zu viel gearbeitet habe – was das private Pensum angeht. Also, ich meine nicht das Touren, sondern was ich privat an Energie und Zeitfür die Musik aufgebracht habe. Ich erinnere mich an einen wahren Satz von Itzhak Perlman: „Schimmer als nicht zu üben, ist falsch zu üben.“Ich habe das vielleicht manchmal übertrieben und sechs bis sieben Stunden geübt, bis es perfekt war. Diese Einstellung musste ich ein Stück weit revidieren und übe jetzt lieber, wenn ich die Motivation und Konzentration dazu habe. Ich glaube, dass das von mehr Erfolg gekrönt ist – und zumindest nicht von gesundheitlichen Problemen.
Welche Gedanken machst du dir zu deiner „Unlimited“-tour?
Es ist ein Stück weit ein Blick auf die vergangenen zehn Jahre: zehn Jahre Crossover und zehn Jahre Klassik. Allerdings ist die musikalische Produktion auch ein Blick in die Zukunft. Wir haben viele neue Techniken, Elemente und ein neues, wunderbares Team, das die Produktion zum ersten Mal mit mir macht. Es ist mit unglaublicher Kreativität rangegangen, hat tolle Vorschläge gemacht und mir sofort gefallen. Die Vorschläge passten sehr gut zur Musik. Die Symbiose aus Musik und Produktion ist bei solchen Konzepten das A und O. Es darf nicht überladen sein und sollte immer die Musik unterstützen. Ich bin sehr zufrieden und freue mich auf die Tour. Ich kann es kaum erwarten, das Programm in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf die Bühne zu bringen.
Um produktiv zu sein, muss man ein harmonisches Team um sich herumhaben. Ich war immer perfektionistisch – an der Geige und darüber hinaus natürlich auch bei meinen Projekten und Tourneen.