Roland Kaiser: Ich will unterhalten David Garrett:
Das Urgestein deutscher Schlagermusik spricht über Erfolg, Ziele und Einstellung
Mein Beruf ist, die Menschen, die zu meinen Konzerten kommen, mit einem guten Gefühl nach Hause zu schicken.
Sie haben vor 45 Jahren Ihre Karriere begonnen. Damals war es noch üblich, dass man einen Künstlernamen annimmt. Würden Sie das heute auch noch so machen? Mein bürgerlicher Name ist jetzt nicht unbedingt ein schöner Name, wenn man so heißt wie ein männliches Wildschwein. Ich finde, dass die Ähnlichkeit von Ronald Keiler zu Roland Kaiser verträglich ist und man sich daran gewöhnen kann.
Sie hatten am Anfang viel und schnell Erfolg. Fällt Ihnen vieles zu?
Ich hatte die ersten zwei Jahre keinen und dann kam 1976 der erste Erfolg.
Das heißt, zwei Jahre haben Sie erstmal gearbeitet?
Ja, ich habe nebenbei gearbeitet und Schallplatten gemacht, weil ich einen Vertrag hatte. Plötzlich kam ein Hit dabei heraus. Dann stand ich vor der Entscheidung: Mache ich das jetzt weiter oder nehme ich das Angebot eines großen Automobilkonzerns an und gehe ins gehobene Management? Damals war ich jung genug, um zu sagen: „Probiere es mal, vielleicht wird's ganz gut.“Ich hab' das dann gemacht und bis heute nicht bereut.
Haben Sie in den ersten zwei Jahren ganz viel produziert?
Nein, da haben wir drei oder vier Singles gemacht, die haben alle nicht funktioniert.
Das heißt, man kann nicht erwarten – egal in welchem Bereich des Lebens -, dass man beim ersten Mal Erfolg hat?
Es gibt Künstler, die haben das, aber eben nicht jeder. Am Anfang brauchen sie eine große Portion Glück und um das zu halten, brauchen sie eine große Portion Fleiß.
Was gehörte bei Ihnen beim Glück dazu? Brauchten Sie Menschen, Inspirationen oder ein Umfeld?
Man brauchte damals das richtige Lied, den richtigen Text und die richtige Sendung zur richtigen Zeit. Und wenn man das alles hatte, dann hatte man zumindest einen Hit, einen kleinen. Den auszubauen, war dann doch schwieriger als man dachte. Man kriegte viele Angebote und musste die richtigen auswählen. Es ist immer eine Mischung aus Glück und Fleiß.
Mussten Sie am Anfang die Songs selbst schreiben?
Nein, da kriegte man Angebote. Ich bin immer Texter gewesen und bin ab 1978 als Texter und Mit-texter verantwortlich gewesen. Bis dahin wurde mir das geschrieben.
Sie kommen aus dem Marketing. Man könnte auch annehmen, das hat sich wie ein roter Faden durchgezogen, weil Sie
67 Mal in der Hitparade gewesen sind. Gehört das massive Trommeln zum Erfolg?
Jeder, der seine Marke oder sich ins Bewusstsein der Menschen transportieren will, muss Werbung betreiben. Aber damals wurden die Mitwirkenden der Hitparade von der unabhängigen Redaktion ausgewählt. Da konnte man nicht trommeln. Man konnte einen Titel anbieten und wurde ausgewählt oder eben nicht. Dass sich das bei mir 67 Mal zusammengefügt hat, ist ein Glücksumstand.
Aber das ist auch Ihrer Beliebtheit geschuldet. Unbeliebte Leute laden die sicher nicht über 60 Mal ein.
Weiß ich jetzt nicht. Es kann sein, dass ich zu dem Zeitpunkt jeweils eine Produktion hatte, die ausreichte, um genommen zu werden.
Waren Sie damals schon ein bekennender Sozialdemokrat?
Das bin ich von früher Jugend an, seit ich 15 Jahre alt war. Ich bin von der sozialdemokratischen Idee überzeugt. Eine Demokratie kann sozial geprägt gut funktionieren. Dadurch hatten Sie sicherlich ein gewisses Umfeld. Fanden die Leute das gut, dass Sie auf die große Bühne gehen und Geld verdienen oder standen manche Ihnen geistig im Weg?
Nein, ich bin kein Parteisoldat, der die große Zeit seines Lebens im Ortsverein verbracht hat. Ich bin bekennender Sozialdemokrat und seit vielen Jahren Mitglied
der Partei. Aber ich betrachte meine politische Tätigkeit so, dass ich einige Kanzlerkandidaten auf ihren Wahlkämpfen begleitet habe und im täglichen Leben im sozialen Bereich einen Beitrag leiste, sodass unser Sozialstaat gerechter wird. Aber mich hat niemand schräg angeguckt, weil ich auf die Bühne gegangen bin.
Sie haben 2010 Ihre öffentlichen Auftritte weggelassen. Jetzt sind Sie wieder voll dabei. Haben Sie die Nähe zur Öffentlichkeit ein Stück weit vermisst?
Diese Pause musste ich mir verordnen, weil ich eine große Operation hatte und nicht arbeiten konnte. Aber danach habe ich das wieder sehr genossen.
Sie sind sozial sehr engagiert, machen das über Gebühr, haben nicht nur zwei Projekte, sondern machen extrem viel. Was gibt Ihnen das?
Ein Stück Zufriedenheit. Ich finde, es ist zu wenig zu leben, nur um Geld zu verdienen. Ich will schon ein Stück zurückgeben, was mir die Gesellschaft an Lebensqualität gegeben hat. Das kann ich gut machen, denn ich habe eine Stimme, die gehört wird. In vielen Organisationen, in denen ich mich engagiere, kann das eine Initialzündung für andere sein, es ebenfalls zu tun. Darum geht's mir. Ich treffe gerne Menschen, denen wir helfen konnten - ob das Kinder aus dem Albert-schweitzer-werk sind oder Jugendliche, denen wir über den Solidarfonds NRW bei der Ausbildungsstelle und der Schule geholfen haben. Konkrete Hilfe und das Ergebnis zu sehen, ist eine schöne Sache.
Setzen Sie sich heute noch Ziele?
Ja, ich bin ein planungsbewusster Mensch. Ich weiß, was ich nächstes Jahr mache. Mein Tourneeplan für nächstes Jahr steht schon und die Planung für übernächstes Jahr auch. Ich versuche, Ziele anzupeilen und diese zu erreichen.
Sie arbeiten mit anderen Künstlern zusammen. Sind Sie ein guter Teamplayer?
Das bin ich. Das geht auch nicht anders. Im Livebereich brauche ich eine funktionierende gute Band. Das kann ich nicht diktatorisch führen. Ich muss auf Augenhöhe mit den Leuten arbeiten. Das sind alles großartige Musiker. Ich muss versuchen, einen gemeinsamen Weg zu finden. Wenn ich mit Kolleginnen wie Maite Kelly oder mit Barbara Schöneberger jetzt an meinem neuen Album arbeite, dann geht das auch nur auf Augenhöhe und in Kooperation und nicht in einer Form, dass der eine dem anderen sagt, was er zu tun hat.
Ich bin Unterhaltungskünstler und kein Staatsmann oder großer Wissenschaftler.
Wobei Sie in vielen Konstellationen der viel Erfahrenere sind. Hören die dann auf Sie, wenn Sie sagen, dass Sie eine andere Idee haben?
Nein, eigentlich nicht. Da spielt Erfahrung keine Rolle. Sie haben alle ihre Qualitäten. Barbara Schöneberger hat eine irre Spontanität, sie ist eine großartige Frau. Ich finde sie unglaublich uneitel und mag sie sehr gerne. Genau wie Maite ein irrer Wirbelwind auf der Bühne ist. Sie kann einen inspirieren, auch mal aus sich herauszugehen.
Was ist Ihr großer Zweck? Bei wem möchten Sie in Erinnerung bleiben?
Bei meinen Kindern, das reicht mir.
Sind Sie ein Unterhalter, der mit seinem Namen weiterleben möchte?
Mein Beruf ist, die Menschen, die zu meinen Konzerten kommen, mit einem guten Gefühl nach Hause zu schicken. Ich erwarte nicht, dass mir ein Denkmal gebaut wird.
Da sind Sie sehr bescheiden.
Ich bin Unterhaltungskünstler und kein Staatsmann oder großer Wissenschaftler.
Aber immerhin wurde ein großes Festival nach Ihnen benannt. Das ist etwas, was wahrscheinlich bestehen bleibt.
Naja, bleiben wir bescheiden.
Gibt es Ansichten aus Ihrer Jugend, die Sie heute nicht mehr vertreten würden? Ist da ein geistiger Wandel passiert oder sind Sie ein stabiler Typ?
Als jüngerer Mensch ist man in vielen Dingen impulsiver, ich war früher nachtragender. Das bin ich heute nicht mehr. Aber meine demokratischen Grundwerte hatte ich immer und tolerant war ich auch immer. Es hat sich nicht viel verändert, nur in meinem persönlichen Wesen. Ich bin heute berechenbarer und friedlicher als früher.
Also waren Sie früher streitbarer?
Nein, eher bereit, Konfrontationen einzugehen.
Das hört man von vielen erfolgreichen Leuten.
Ja, ich finde, der Erfolg ist ein Geschenk. Das kann man lieber versuchen, durch gute Arbeit zu erhalten. Das ist alles Glück, was man versuchen muss festzuhalten. Mit Konfrontation und Streit wird das kaum festzuhalten sein.
Aber trotzdem schätzen Sie eine Diskussionskultur, dass man auch mal verschiedene Meinungen vertritt.
Das ist wichtig. Das ist etwas, was gerade in unserer parlamentarischen Demokratie von hoher Wichtigkeit ist, auf einem vernünftigen Niveau miteinander zu streiten. Man kann streiten, ohne ehrverletzend zu werden. Darum geht es ja.
Ihr neues Album heißt „Alles oder Dich“und ich habe mir auch die anderen Titel Ihrer CDS angeguckt. Aber ich muss zugeben: Die verstehe ich alle auf den ersten Blick nicht. Ist das Absicht? Dieser Titel klingt so ein bisschen wie ein James-bond-titelsong. Er ist eine starke Anlehnung daran. Es ist der Film „Die Welt ist nicht genug“gemeint. Daher kommt die Adaption „Ich tausche alles gegen Dich“. Also, die Welt ist nicht genug für mich. Hätt´ ich alles, nur nicht dich. Es ist die große Bedeutung eines anderen Menschen.
Versuchen Sie viel mit Ihrer
Musik inhaltlich rüberzubringen?
Es gibt auch Leute, die wollen einfach nur gute Klänge machen, die oft gespielt werden.
Ich versuche, das Publikum zu unterhalten. Das ist meine Aufgabe. Ich bin auf der Bühne kein Heilsbringer oder Prediger, sondern ich möchte die Menschen mit einem guten Gefühl nach Hause entlassen. Ich will sie nicht belehren.
Also leben und leben lassen ist Ihr Ding?
Das ist es. Wenn Sie in ein Konzert von Beyoncé oder Pink gehen, dann wollen Sie ja auch nicht belehrt, sondern unterhalten werden.
Ja, da haben Sie recht. Was ist Ihre Erfolgsphilosophie, die Sie nie infrage stellen wollen und der Sie immer treu bleiben möchten?
Bei sich bleiben und trotzdem mit der Zeit zu gehen. Das ist glaube ich das, was mich ausmacht.
Ich erwarte nicht, dass mir ein Denkmal gebaut wird.