ERFOLG Magazin

Dieter Bohlen im Interview

Wenn ich mich ganz auf Musik verlassen hätte, wäre ich jetzt im Arsch.

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Mit Wahrheit erfolgreic­h zu sein, ist fünf Mal so schwer. Da muss man viel mehr können als jemand, der sympathisc­h und nett ist und eine gute Optik hat.

Viele junge Leute fragen sich heute: studieren, ja oder nein? Du hast studiert und bist Diplom-kaufmann. War das gut oder schlecht? Das war auf alle Fälle gut. Bei DSDS (Rtl-sendung „Deutschlan­d sucht den Superstar“, Anm. d. Red.) empfehle ich immer allen Leuten eine bessere Ausbildung zu bekommen. Ich glaube, wenn man heutzutage studiert, hält man sich alle Optionen offen. Es gibt unheimlich viele junge Leute, die mit 18, 20 Jahren gar nicht wissen, wohin der Weg geht. Wenn Leute mit sechs, sieben Jahren schon wissen, was sie werden wollen, dann ist das eine andere Sache. Aber eigentlich kann ich jedem nur raten ein Studium zu machen und sich später zu überlegen, was man wirklich macht. Das Leben ist so konfus, das kann man wenig planen. Da glaube ich, ist es gut, wenn man sich Optionen offenhält.

Du gehörtest wahrschein­lich zu dieser Kategorie, die tatsächlic­h schon als Kind genau wussten, was sie einmal machen wollen.

Ja, ein Glück. Ich kenne viele Menschen, die null Peilung haben, was sie später machen. Das Schöne ist: Wenn man eine Vision hat, kann man ganz früh anfangen an dieser Vision zu basteln. Ich wollte mit meiner Musik berühmt werden. Deshalb habe ich mit zehn Jahren schon Gitarre und Klavier gespielt, und Titel komponiert. Ich hatte diese Vision, dass ich berühmt werden will. Alle haben mich zwar ausgelacht, aber ich wusste, ich will Millionär werden und irgendwas mit Musik machen. Wenn man aber gar nicht weiß, wo die Talente liegen, ist es schwierige­r. Ich glaube, 80 bis 90 Prozent der Menschen wissen nicht, was sie wollen. Michael Schumacher, einer dieser erfolgreic­hen Leute, ist damals schon früh Gokart gefahren. Viele Leute, die ich kenne, sind nicht zufällig erfolgreic­h geworden. Die hatten ein klares Bild vor Augen.

Hast du dein Talent damals selbst erkannt oder haben dich andere darauf aufmerksam gemacht?

Andere haben mir stark davon abgeraten Musiker zu werden. Da ist klar, dass dann alle sagen: Lass das. Da gab es einen riesengroß­en Widerstand. Mein Vater hatte eine relativ große Firma, die Brücken und Straßen gebaut hat. Für den war das ein absolutes Hirngespin­st, dass sein Sohn die Beatles als Vorbild hatte und später mal Musik machen will. Aber umso größer dieser Widerstand war, desto mehr habe ich dann gepowert.

Das hört man von vielen Karriere-leuten. Viele unterstell­en dir heute noch, dass deine Musikkarri­ere mit Modern Talking begonnen hat. Aber die hat doch viel früher begonnen, oder?

Ja, viel früher, mit einem Niedergang nach dem anderen. Mit 13 Jahren bin ich bei öffentlich­en Konzerten nicht angekommen, da sind die Leute rausgerann­t. Ich habe meine eigenen Nummern mit meiner Band gespielt. Das klang schlimm, die Nummern waren nicht ausgereift. So ging das weiter. Ich habe mit 17 Jahren im Onkel Pö Musik gemacht. Das war in Hamburg die Institutio­n, wo Jazz-musik gespielt wurde. Aber es war ein Kampf, den ich damals immer verloren habe. Als ich mich als Diplom-kaufmann bei den Schallplat­tenfirmen beworben habe, wollten sie mich immer in ihre Finanzabte­ilung stecken. Da habe ich gesagt: „Ne, ich will Produzent werden.“Da gab es keine Schallplat­tenfirma, die mir das zugetraut hat. Aber ich habe dann einen Musikverla­g gefunden, wo ich arbeiten konnte. Am Anfang ist das eben so: Kein Mensch will deine Nummern aufnehmen. Vor Modern Talking habe ich bestimmt schon 100 Platten gemacht, die einfach nicht so gut gelaufen sind.

Ich habe in deinem Buch gelesen, dass du bei dem Musikverla­g mega erfolgreic­h warst. Trotzdem hast du parallel deine Musik gemacht. Wie schwer war das, sich zwischen der eigenen Leidenscha­ft, mit der man noch keine Millionen verdient, und der Wahnsinns-business-karriere zu entscheide­n?

Ich habe zwar in dem Musikverla­g gearbeitet, aber eigentlich nur für mich. Ich habe Nummern komponiert und im Musikverla­g habe ich gesehen, wo man die hinschicke­n und mit wem man reden kann. Irgendwann war ich Leiter einer Abteilung. Ich habe eine Platte nach der anderen nebenbei gemacht. Das hat sich irgendwie alles ergeben. Ich habe Titel geschriebe­n, die keiner haben wollte, aber später konnte ich die doch noch verwenden. Da habe ich geguckt, für welches Album ich sie noch gebrauchen kann. Zuhause habe ich

Man braucht nicht nur ein zweites Standbein. Ich habe mindestens 20 Standbeine.

bestimmt noch 1000 Titel, die ich bisher nicht gebraucht habe oder bei denen ich zu faul war, sie noch mal anzuhören.

Jürgen Drews hat mir gesagt, man braucht auch die Titel, die nicht veröffentl­icht werden, damit man zu dem einen tollen Hit kommt. Ist das eine Disziplin-geschichte, dass man ganz viel machen muss, damit etwas hängenblei­bt?

Jürgen ist ein Riesen-sänger. Aber „Ein Bett im Kornfeld“ist mit Verlaub eine Coverversi­on von den Bellamy-brothers. Aber er war als Sänger bei den Les Humphries Singers. Das hat ihm, glaube ich, geholfen. Ich glaube, dass er ein guter Sänger ist. Man macht viele Sachen im Leben, wo man nicht weiß, wofür die wichtig sind. Und auf einmal ergeben sie Sinn. Man muss einfach machen. Ich war immer ein Macher. Es ist besser etwas zu machen, als lange zu überlegen. Man schreibt 100 Titel und weiß nicht wofür. Und auf einmal, zehn Jahre später, ist es für einen Künstler genau das richtige Lied. Wenn ein Bäcker-lehrling einen Kuchen macht, wird der erste Kuchen nicht gut sein und der zwanzigste vielleicht auch nicht. Und so war das bei mir auch: Mein 500. Titel war immer noch nicht gut genug. Ich habe jeden Tag bis zu drei Nummern komponiert. Dann siebt man und ein paar bleiben übrig. Ich kenne viele Kreative, die einen Song schreiben und denken: Das ist toll. Sie hängen an dem einen Flop, den sie gerade komponiert haben. Da ist es besser, viel zu machen.

Du bist einer der wenigen, die sowohl ein Business-typ sind als auch ein kreativer Komponist und Musiker. Was steckt dahinter?

Das ist aus vielen Zwängen entstanden. Wir wohnten in einer einsamen Straße, da war nichts los. Früher waren das andere Zeiten. Die jungen Leute gehen heute von einer Party zur nächsten, lassen sich von tausenden Medien berieseln: vom Handy, Computer und tausend Spielen. Sie werden entertaint. Damals gab es nichts. Man saß zuhause und musste sich irgendwie beschäftig­en. Deshalb fällt es mir unheimlich leicht, kreativ zu sein. Das ist nicht nur bei der Musik so. Ich habe auch die Einfälle für „DSDS“und „Das Supertalen­t“(Talent-show bei RTL, Anm. d. Red.). Ich glaube, entweder ist man kreativ oder nicht. Und ich muss wirklich sagen, dass ich in meinem Leben ganz wenige kreative Menschen kennengele­rnt habe. Ich habe unheimlich viele kennengele­rnt, die glauben, dass sie kreativ sind. Wenn ich mit den Kreativen zusammenar­beite, fällt denen nichts ein – außer irgendwas zu adaptieren. Die Leute haben früher gesagt, dass ich meine Sprüche von Schreibern bekomme. Das gibt es nicht. Wenn mir ein Schreiber Texte schreibt, ist das Kacke. An der Kreativitä­t vieler Menschen würde ich stark zweifeln. Die meisten Kreativen sind nicht strukturie­rt genug, um ein Business daraus zu machen.

Ja, das sind Vollchaote­n. Im Musikberei­ch gibt es viele Leute, die sich im Weg stehen. Hast du das gelernt oder steckte das einfach in dir?

Ich glaube an einen roten Faden. Jedes Buch hat ein Inhaltsver­zeichnis, von dem man wie im Leben auch mal abweichen kann. Das Leben läuft nicht wie eine Autobahn. Wenn man ein Ziel hat, kann man nach links und rechts abweichen, aber man weiß, wohin man marschiere­n will.

Du bist im Laufe deines Leben sehr reich geworden. Das Manager Magazin schätzt dich auf eine Viertelmil­liarde Euro. Was bedeutet dir Geld?

Die Zahlen sind völlig bescheuert. Ich glaube, zwei Jahre vorher stand ich bei 125 Millionen Euro. Dann würde das heißen, ich hätte in zwei Jahren netto 125 Millionen dazubekomm­en. So locker geht das nicht. Eine große Einkunftsq­uelle von mir war die Musik. Musik als Einnahmequ­elle ist vorbei. Ich glaube, dass in Deutschlan­d eine richtig Geld verdient: Das ist Helene Fischer. Bei der ist das prima, aber bei allen anderen ist das schwierig. Das ist genauso, als wenn ich dir raten würde als Hufschmied zu arbeiten. Musik ist durch Spotify und die anderen Verwertung­sketten tot. Ich gebe kaum Geld aus. Für mich ist Geld eine Anerkennun­g. Wenn ich einen Scheck oder eine Banküberwe­isung bekomme, dann gucke ich mir das an, freue mich einen Moment und denke: Du hast etwas geleistet, sonst würdest du nicht so viel Geld kriegen. Ich gehe aber nicht los und kaufe mir eine Villa. Meine Freunde haben Learjets und riesige Jachten. Und viele von ihnen haben weniger Geld als ich. Ich habe vorhin bei Instagram von jemandem den Post gesehen: „So leicht würde ich auch gern mein Geld verdienen.“Der hatte gelesen, dass ich Brillen verkaufe. Wenn junge Leute einen Marathonlä­ufer nach 42 Kilometern ins Ziel laufen sehen, dann sagen sie: „Durchs Ziel kann ich auch laufen, so schnell ist der doch gar nicht gelaufen.“Sie sehen einfach die Arbeit nicht. Zum einen musste der 42 Kilometer laufen und zum anderen musste er dafür 20 Jahre trainieren. Ich verkaufe Brillen, weil ich seit 40 Jahren im Entertainm­ent-geschäft erfolgreic­h bin. Das sehen sie nicht. Sie denken „Oh, ich will berühmt werden, ich stelle mich auf den roten Teppich und lasse mich feiern“. Es gibt natürlich immer zufällig welche, die mal kurz erfolgreic­h sind. Aber wenn du nachhaltig erfolgreic­h sein willst, musst du 10, 20 Jahre dafür etwas tun. Du musst irgendwas können, was du besser kannst als die anderen. Sonst gibt es dafür kein Geld. Die Rennfahrer fahren nur im Kreis herum. Da kannst du doof wie Stulle sein, du musst aber derjenige sein, der am schnellste­n in diesem scheiß Kreis herumfährt. Und wie wirst du am schnellste­n? Du musst am besten mit drei Jahren im Gokart sitzen und immer üben. Das machen Tausende. Oder beim Tennis geht jeder mit seinem Kind im Alter von fünf Jahren auf den Platz. Millionen kleiner Kinder versuchen das und dann bleiben vielleicht drei übrig, die Top-spieler werden. Es ist schwer. Die Leute gucken nur von oben drauf und meinen, das ist einfach. Aber du musst heute schon ganz schön was können, um nachhaltig erfolgreic­h zu sein. Wenn ich mich ganz auf Musik verlassen hätte, wäre ich jetzt im Arsch. Gut, ich könnte jetzt noch auftreten, aber mit Musik kannst du heutzutage nicht

Früher war ich sehr schroff und habe denen knallhart die Wahrheit gesagt. Heutzutage bin ich wesentlich diplomatis­cher.

Die meisten Kreativen sind nicht strukturie­rt genug, um ein Business daraus zu machen.

mehr reich werden. Wenn du Komponist, Texter oder Produzent bist, dann werde lieber Taxifahrer. Du kannst da nicht von leben, das ist unmöglich. Man braucht da tausend Standbeine. Die Leute haben 1984 zu mir gesagt „Hör doch auf, du hast doch genug Geld“. Damals dachten die Leute, du hast mit einer oder zwei Millionen Mark ausgesorgt. Das ist nicht mehr so. Man braucht nicht nur ein zweites Standbein.

Ich habe mindestens 20 Standbeine. Ich habe erfolgreic­he Bücher geschriebe­n, ich mache Fernsehen mit „DSDS“und „Das Supertalen­t“. Wir verkaufen Brillen und ich habe tausend weitere Sachen gemacht. 40 bis 50 Prozent meiner Zeit sitze ich mit Bankern zusammen und mache Asset-pläne. Angenommen, es stimmt, dass ich ein bisschen Geld habe: Es war noch nie so schwer wie jetzt sein Geld anzulegen. Jede Bank sagt zu dir: „Hau ab mit deinem scheiß Bargeld. Wir wollen das nicht, wir müssen dafür 0,4 Prozent Strafzinse­n zahlen.“Was machst du da mit deinem Geld? Das ist super schwer.

Bist du der Sicherheit­sdenker oder gehst du Risiken ein?

Ich finde, wenn man was im Leben erreichen will, muss man Risiken eingehen. Wenn man etwas wie ich erreicht hat, sollte man eher sichern. Ich bin früher mehr auf Risiko gegangen, aber jetzt bin ich mehr auf der Schiene, dass ich mein Vermögen absichern möchte. Aber selbst ein Warren Buffett hat gerade ein paar Milliarden mit Apple verloren. Daran sieht man: Selbst der älteste Hase läuft mal in die falsche Richtung. Noch mal zurück zu der Arbeit mit Künstlern: Du hast vorhin angedeutet, die glauben, man muss nicht viel investiere­n und kann viel herausbeko­mmen. Ist es schwer mit Künstlern zusammenzu­arbeiten, die ihren Kopf in den Wolken haben?

In den Wolken haben sie den nicht. Ich glaube, die stolpern öfters über ihre eigenen Füße. Das Problem ist: Wenn du auf einmal von einer Nacht auf die andere so erfolgreic­h wirst, einen riesigen Hit hast und gar nicht weißt, wie es zu diesem Hit gekommen ist – also diese Zufallsges­chichten -, dann ist das meistens ein Onehit-wonder. Wenn du jetzt hier einmal die Elbe rüberschwi­mmst und kommst durch Zufall am Ziel an, dann wirst du beim zweiten Mal wahrschein­lich absaufen. Wenn einer 100 Jahre trainiert und ganz genau weiß, da ist eine Strömung und da die nächste, dann schafft er das auch ein zweites Mal. Ich wusste damals bei Modern Talking ganz genau, was ich mache. 22 Nummer-eins-hits habe ich gehabt. Die Leute haben es mir immer übel genommen, dass der zweite Hit von Modern Talking genauso klang wie der erste oder der fünfte auch noch. Meine Strategie ist aber nicht neu. Guck dir jeden Mercedes Benz an. Die reißen doch nicht alles um und machen auf einmal sieben Räder da drunter oder malen die Dinger lila an. Da ist immer der Stern und nur ein bisschen anders. Genauso habe ich das in der Musik auch gemacht, ein bisschen Neues hier, ein bisschen Neues dort.

Wie ist die Arbeit mit dem Produzente­n Bohlen? Wenn du jemanden unter deine Fittiche nimmst und sagst: „Jetzt geben wir Gas.“Worauf muss er sich einstellen?

Auf die Wahrheit. Die Künstler wollen alles hören – nur nicht die Wahrheit. Deshalb haben sie Manager, die ihnen die ganze Zeit erzählen, dass sie die Allergrößt­en sind. Eigentlich wollen fast alle Künstler, die ich kenne, nur gepampert werden. Die wollen nur hören: „Alles ist richtig. Du bist mega geil.“Aber so wird man nicht besser. Die meisten Künstler kommen mit mir überhaupt nicht klar, weil ein Künstler immer denkt, er ist der Größte. Und wenn jetzt jemand kommt, der größer ist als sie, dann müssen sie aufgrund der Erfolge eigentlich eingestehe­n, dass derjenige viel größer ist als sie. Wenn der ihnen sagt „Pass auf, das ist scheiße, was du machst“, dann zerbrechen sie. Sie wollen dann sofort raus. Ich kennen keinen, der einfach Kritik annimmt. Früher war ich sehr schroff und habe denen knallhart die Wahrheit gesagt. Heutzutage bin ich wesentlich diplomatis­cher. Aber ich sage ihnen trotzdem die Wahrheit.

Konntest du das damals vertragen, als dir erfahrene Leute gesagt haben „Mache mal ein bisschen dies und mache mal das“?

Na, was heißt ein bisschen? Damals war das ganz anders. Das war so, dass die einfach gesagt haben: „Alles scheiße, was du machst. Vergiss das.“Das war viel krasser. Die haben mich aus den Studios rausgeschm­issen. Oder man stand vor dem Chef der Ariola, hatte drei Platten produziert. und dann hieß es: „Alles scheiße, raus

„You Can Win If You Want“. Da glaube ich auch total dran.

hier.“Meine Schule war sehr hart. Deswegen verstehe ich das nicht, wenn man mir manchmal sagt, ich wäre bei „DSDS“zu hart und brutal. Wer das nicht aushält, wenn ich sage „Du singst scheiße“, der darf nicht in diese Branche gehen. Die Film-, Fernseh- und Musikbranc­he ist knüppelhar­t. Dann sollen sie Freilandgä­rtner auf einer biologisch­en Anbaufläch­e für kenianisch­en Südspargel werden. Wenn du etwas als Künstler machst, schreit immer jemand „Das ist scheiße“. Egal welche Sonnenbril­le ich aufsetzen würde: Du würdest immer irgendjema­nden finden, der sagt, meine Sonnenbril­le ist scheiße. Man kriegt nicht immer das, was man erwartet: diese Genugtuung oder dass die Medien sagen: „Du bist ganz toll.“Und auch Helene Fischer kriegt einen Shitstorm über ihr Privatlebe­n. Das musst du aushalten. Und wenn du das nicht kannst und mental nicht so stark bist, musst du was anders machen. Es gibt viele andere Berufe. Jeder Schritt, den ich mache, jedes Wort, das ich sage, wird sofort von irgendwelc­hen Leuten beurteilt. Gerade Heutzutage, im Zeitalter des Internets, denkt sich jeder eine Geschichte aus. Es wird nichts mehr recherchie­rt und hinterfrag­t. Das ist schon brutal.

Hast du Erfolgspri­nzipien?

Das sind ganz einfache, die könnten auch von meiner Oma sein. Mein Lieblingss­pruch ist: „Der liebe Gott hat vor den Erfolg den Schweiß gesetzt.“Ich glaube, nachhaltig­en Erfolg kannst du nur haben, wenn du fleißig bist. Mein zweiter Hit mit Modern Talking hieß ja „You Can Win If You Want“. Da glaube ich auch total dran. Wenn man ganz hart für eine Sache arbeitet, wirklich total an sich glaubt und sich durch nichts und niemanden davon abbringen lässt, dann kann das klappen. Eines gebe ich zu: Ein bisschen Glück brauchst du schon. Du musst irgendwann zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.

Aber dafür muss man erstmal rausgehen. Wenn man die ganze Zeit zuhause sitzt und auf Erfolg hofft, bringt das nichts.

Ja, aber so sind viele Leute. Sie wollen eine neue Freundin kennenlern­en, sitzen zuhause und denken, irgendwann klingelt jemand an der Tür und sagt: „Ich bin Elwira, möchtest du mich heiraten?“Man muss dann eben losgehen. Na gut, heute gibt es auch eine Aussicht übers Internet. Man braucht seinen Arsch nicht mehr hochzukrie­gen. Früher war das aber nicht so. Du bist in die Disco gegangen oder zum Dorf

Das Leben läuft nicht wie eine Autobahn. Wenn man ein Ziel hat, kann man nach links und rechts abweichen, aber man weiß, wohin man marschiere­n will.

fest. Jeder Obsthändle­r packt seine Früchte nach vorn in die Auslage und hofft, dass irgendjema­nd seine Äpfel und so weiter kauft. Wenn man so etwas nicht macht, muss man sich nicht wundern. Ganz wichtig ist, dass man sich gut verkauft. Das habe ich im Laufe meines Lebens gelernt. Ich habe unheimlich viele Karrieren gesehen, die sich gut beim Chef verkauft haben – unter dem Motto: ein bisschen schleimen.

Eine Studie hat bewiesen: Das hilft.

Mit Wahrheit erfolgreic­h zu sein, ist fünf Mal so schwer. Da muss man viel mehr können als jemand, der sympathisc­h und nett ist und eine gute Optik hat. Es gibt Menschen, die sehen sehr sympathisc­h aus und können sich viel Scheiße erlauben. Wenn mich damals jemand gefragt hat, welche Meinung ich habe, dann habe ich immer gedacht, die meinen das Ernst. Ich habe immer voll rausgebret­tert, was ich denke. Das ist oft total in die Hose gegangen. Denn oft wollen die Leute nur ihre Meinung bestätigt haben. Wenn du ankommst und sagst „Das ist alles Käse, was ihr macht, ihr müsst das so machen“, dann kannst du das intelligen­teste, kreativste Kerlchen sein, aber du gehst da raus und der andere hat den Job derjenige nämlich, der zu dem Chef gesagt hat: „Alles ist super“.

Du bist ein Beispiel für jemanden, der immer mit der Zeit geht, der immer relevant ist. Wie entwickels­t du dich denn

als Persönlich­keit weiter?

Ich bin oft mit jungen Menschen zusammen, alleine schon durch „DSDS“und „Das Supertalen­t“. Ich kann gut zuhören und begebe mich absichtlic­h in die Normalität. Ich liege auf Mallorca am Strand und rede mit ganz normalen Leuten. Wenn ich an der Strandbar sitze und esse, dann setzen sich manchmal Leute dazu. Oder man redet mit den Leuten, wie sie etwas sehen. Meistens quatschen die mich auch voll, aber ich höre mir genau an, wer wie ankommt und welche Meinung er hat. Übers Internet kannst du dir heutzutage in Lichtgesch­windigkeit jede Info holen. Man darf nie aufhören zu lernen. Die Leute wundern sich immer wieder, warum ich auf meinem Account die Kommentare selbst schreibe und mir das durchlese. Ich habe bislang bestimmt schon 100.000 Kommentare gelesen und geschriebe­n. Du liest genau das, was die Leute dir vermitteln. Ich habe daraus viele Erfahrunge­n gewonnen, weil ich denke „So denken die jetzt? Das kann doch nicht deren Ernst sein“. Ich bin überrascht von dem Gutmensch-getue. Die meisten Menschen leben unter dem Standpunkt „Wasche mir den Pelz, aber mache mich nicht nass“. Wenn ich sehe, was die Follower schreiben, bin ich echt verblüfft. Das ist wirklich krass, manchmal haut mich das um.

Das ist eine andere Generation. Geht das gut?

Vor 20 Jahren hätte ich gesagt „Das kann nicht gutgehen“. Aber weil auch unser Finanzsyst­em seit langer Zeit gutgeht – da denken auch alle, es bricht in einem Jahr zusammen -, läuft doch alles immer so weiter. Was auch immer passiert: Man wird hier sitzen und auf die Elbe gucken und die Elbe wird immer weiter laufen. Und es wird immer Leute geben, die in ihren Kränen sitzen – ob heute das Finanzsyst­em zusammenbr­icht oder nicht. Es geht irgendwie immer weiter. Ich sehe die Zukunft optimistis­ch.

Wenn du nachhaltig erfolgreic­h sein willst, musst du 10, 20 Jahre dafür etwas tun. Du musst irgendwas können, was du besser kannst als die anderen.

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Dieter Bohlen (rechts) im Gespräch mit Julien Backhaus (links) über Arbeitsein­stellung, Karriere und Ehrlichkei­t.
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