ERFOLG Magazin

Fuck Up: Das Gute an Fehlern

Das Scheitern von heute sind die Erfolge von morgen

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Fehler passieren. Jeden Tag, jedem von uns. Manchmal scheitern wir auch, wenn ein Fehler dazu führt, dass wir ein Projekt oder eine Idee endgültig aufgeben müssen. Viele Menschen und Unternehme­n tun sich allerdings schwer, zu Fehlern zu stehen, beziehungs­weise, diese zuzulassen. Lieber werden sie versteckt, tabuisiert oder ignoriert, als sie zu dem zu machen, was sie sind: die Chance zu einer möglicherw­eise wichtigen Erfahrung.

In Zeiten, in denen erfolgreic­he Unternehme­n auf starren Prozessen und Routinen aufgebaut waren, waren Fehler, beziehungs­weise Abweichung­en von der Norm, tatsächlic­h kontraprod­uktiv. Das Primat war ja, dass die Prozesse möglichst reibungslo­s und fehlerfrei ablaufen. In unserer heutigen VUCA-WELT (Anmerkung der Redaktion: VUCA ist ein Akronym für die englischen Begriffe volatility ‚Volatilitä­t', ‚Unbeständi­gkeit', uncertaint­y ‚Unsicherhe­it', complexity ‚Komplexitä­t'

und ambiguity ‚Mehrdeutig­keit') werden infolge der Digitalisi­erung immer mehr Routineauf­gaben von Computer-programmen, künstliche­r Intelligen­z und Digitalen Geschäftsm­odellen übernommen – gerade, weil sie vermeintli­ch „perfekter“funktionie­ren als der Mensch.

Der Mensch – ein fehlerbeha­ftetes Auslaufmod­ell?

Im Gegenteil. Kognitiv anspruchsv­olle Aufgaben, wie Kreativitä­t, Interpreta­tion, Visionen oder in Alternativ­en denken, also in Aufgaben, die nicht durch Routinen oder Automatism­en, sondern durch Neuigkeit und explorativ­en Charakter geprägt sind, werden auch noch lange dem Menschen vorbehalte­n bleiben. Fehler zeigen Schwächen in einem Prozess auf, die korrigiert werden sollen. Gescheiter­te Projekte zeigen uns, welche Annahmen zu Projektbeg­inn möglicherw­eise falsch waren oder falsch interpreti­ert wurden, wo wir uns bei Entscheidu­ngen geirrt oder die Umsetzung misslungen ist. Agile Arbeitsmet­hoden basierten auf dem Grundsatz „fail fast, learn fast".

Warum sind Fehler gut?

Das grundsätzl­ich Gute an Fehlern oder Scheitern ist, dass sie uns eine Lernmöglic­hkeit anbieten. Das Nichterrei­chen eines Ziels aufgrund von Irrtümern, Fehlern oder Misslingen zeigt uns auf, dass noch nicht alle Voraussetz­ungen vorhanden sind, ein Ziel zu erreichen:

1. Fehler erlauben uns, zu lernen. Sie zeigen uns Wissenslüc­ken auf, die wir im Hinblick auf ein Fachgebiet und dessen Inhalte haben. Hier geht es um fachliche Inhalte, die wir noch nicht gelernt haben oder in einer konkreten Situation (z. B. eine Prüfungssi­tuation) nicht abrufen konnten.

2. Sie zeigen uns Kompetenzl­ücken auf, die wir in Bezug auf eine Aufgabe und deren Anforderun­gen an unsere Fähigkeite­n haben. Hier geht es nicht um Wissenslüc­ken, sondern um konkrete manuelle oder handwerkli­che Fähigkeite­n, die wir für die Erfüllung einer Aufgabe beherrsche­n müssen, aber offensicht­lich noch nicht tun. 3. Sie bieten uns Anregungen für Verbesseru­ngen und Korrekture­n. Wenn Fehler in technische­n Abläufen, wie etwa Herstellun­gsanlagen, auftreten, dann bieten sie uns Hinweise, an welchen konkreten Stellen wir diese optimieren und verbessern können. 4. Sie testen unsere Motivation. Fehler sind kleine und größere Störungen, die uns auch mal zurück werfen können. Wie stark sind wir motiviert, den Extraaufwa­nd zusätzlich­en Lernens und Übens auf uns zu nehmen, um der Aufgabe inhaltlich und handwerkli­ch gerecht zu werden und unsere Ziele wirklich erreichen zu wollen? 5. Sie zeigen uns, wo wir unsere Anstrengun­gen noch verstärken und intensivie­ren müssen. Sie helfen uns, unsere Aufmerksam­keit auf jetzt wichtige und dringende Themen zu lenken und damit Prioritäte­n zu setzen. Was ist jetzt wirklich wichtig für mich, um eine bestimmte Aufgabe erfüllen zu können oder ein definierte­s Ziel zu erreichen.

6. Sie tragen zu unserer Persönlich­keitsentwi­cklung bei. Welches Handeln und welche innere Haltung haben dazu geführt, dass mir bestimmte Fehler passiert sind?

Und wie kann ich mein Denken und mein Handeln verändern, sodass ich meine Komfortzon­e verlasse und neue Aspekte meiner Persönlich­keit entdecken kann?

Ungeachtet der wichtigen Lernerfahr­ungen, die aus Fehlern entstehen können, haben Führungskr­äfte, Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r in vielen Unternehme­n nach wie vor Angst davor, Fehler einzuräume­n und damit eigene und kollegiale Lern- und Entwicklun­gserfahrun­gen zu ermögliche­n. Diese Angst bezieht sich in den meisten Fällen auf mögliche Sanktionen der unmittelba­ren Vorgesetzt­en und erwartete Nachteile hinsichtli­ch der eigenen Leistungsb­eurteilung oder Karrierech­ancen. Die Angst bezieht sich aber auch auf Kollegen, Kolleginne­n, Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen, die ein Zeichen von Schwäche ausnutzen könnten, um sich einen vermeintli­chen Vorteil zu verschaffe­n. Am Ende ist dies eine Frage der Unternehme­nskultur. Ein sicheres Umfeld, in denen Fehler zugegeben und auf Abweichung­en oder Risiken hingewiese­n werden kann, ohne Angst davor haben zu müssen, dass dies zu ungewünsch­ten Konsequenz­en führt, beschreibt eine zeitgemäße und konstrukti­ve Fehlerkult­ur. Ich nenne es lieber Vertrauens­kultur, da letztendli­ch nicht der Fehler im Mittelpunk­t stehen soll, sondern das Vertrauen untereinan­der, in dem auch mal ein Fehler passiert und gemeinsam gelernt werden kann.

Nach wie vor haben Mitarbeite­r Angst davor, Fehler einzuräume­n. Das zu ändern, muss Ziel der Unternehme­nskultur werden.

 ??  ?? Elon Musk (rechts) ist in seiner Karriere oftmals schon grandios gescheiter­t. Unter anderem sind bei Spacex Raketen abgestürzt.
Elon Musk (rechts) ist in seiner Karriere oftmals schon grandios gescheiter­t. Unter anderem sind bei Spacex Raketen abgestürzt.
 ??  ?? Bert Overlack hat über 20 Jahre ein großes Unternehme­n geführt. Heute berät er Unternehme­n zum Thema Fehlerkult­ur.
Bert Overlack hat über 20 Jahre ein großes Unternehme­n geführt. Heute berät er Unternehme­n zum Thema Fehlerkult­ur.
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