ERFOLG Magazin

Greta Thunberg

Konsequenz, die imponiert

-

Meine Botschaft ist: Wir werden euch beobachten. Das hier ist komplett falsch, ich sollte nicht hier oben stehen. Ich sollte in der Schule sein, auf der anderen Seite des Ozeans. Aber ihr setzt eure Hoffnung auf uns jungen Leute - was erdreistet ihr euch? Ihr habt mit euren leeren Worten meine Träume und meine Kindheit gestohlen und dabei bin ich noch eine der Glückliche­ren. Menschen leiden, Menschen sterben und sterbende Ökosysteme brechen zusammen. Wir stehen am Anfang eines Massenaust­erbens und alles über was ihr reden könnt, ist Geld und das Märchen vom ewigen Wirtschaft­swachstum? Wie könnt ihr es wagen! Seit mehr als 30 Jahren hat die Wissenscha­ft ganz klar. Wie könnt ihr es wagen, wegzuschau­en und hierher zu kommen und zu sagen, dass ihr genug tut, wenn die Politik und die Lösungen, die gebraucht werden, immer noch nicht in Sicht sind. Ihr sagt, ihr hört uns und

versteht die Dringlichk­eit. Aber egal wie traurig und wütend ich bin, ich will das nicht glauben, denn würdet ihr die Situation wirklich verstehen und immer noch nichts tun, wärt ihr böse und das wehre ich mich zu glauben. Unsere Abgase innerhalb der nächsten zehn Jahre zu halbieren gibt uns nur eine 50-prozentige Chance um unter 1,5 Grad zu bleiben und das Risiko, eine nicht wieder umkehrbare Kettenreak­tion außerhalb menschlich­er Kontrolle in Gang zu setzen. 50 Prozent mögen euch akzeptabel erscheinen. Aber diese Zahl beinhaltet keine Kipppunkte, die meisten Feedback-schleifen, zusätzlich­e Erwärmung, verborgen unter giftiger Luftversch­mutzung, all die Aspekte von Gleichheit und Klimagerec­htigkeit. Sie bauen auch darauf, dass meine Generation hunderte Millionen Tonnen von eurem CO2 aus der Luft saugt, mit Technologi­e, die noch nicht komplett entwickelt ist. Deshalb ist ein 50-prozentige­s Risiko schlicht einfach inakzeptab­el für uns, die wir mit den Konsequenz­en leben müssen. Eine 67-prozentige Chance zu haben, unter 1,5 Grad globaler Erwärmung zu bleiben, ist die beste Quote, die die IPCC errechnen konnte, bei 420 Gigatonnen CO2, die die Welt am 1. Januar 2018 zum Ausstoß übrighatte. Heute ist dieses Kontingent schon auf weniger als 350 Gigatonnen gesunken. Wie könnt ihr wagen, so zu tun, als könnte das mit Business-as-usual und ein bisschen Technik gelöst werden. Mit den heutigen Emissionsw­erten ist dieses übrige Co2-budget in weniger als achteinhal­b Jahren komplett verbraucht. Es wird hier heute keine Lösungen oder Pläne zu diesen Fakten geben, denn diese Zahlen sind unbequem und ihr seid nicht erwachsen genug, dazu zu stehen. Ihr hintergeht uns! Aber die jungen Leute fangen an euren Betrug zu erkennen. Die Augen aller zukünftige­n Generation­en sind auf euch gerichtet. Und wenn ihr euch entscheide­t, uns zu hintergehe­n, werden wir euch niemals vergeben. Wir werden euch damit nicht davonkomme­n lassen. Genau hier, genau jetzt ziehen wir die Linie. Die Welt wacht auf und der Wandel wird kommen, ob euch das gefällt oder nicht.“

Der Klimaschut­z hat zwei Zöpfe, ernste Augen und die schonungsl­os offen anklagende Stimme einer Sechzehnjä­hrigen. Greta Thunbergs Gesicht ist derzeit auf allen Kanälen zu sehen, für jede Talkshow ist sie ein Top-wunschgesp­rächspartn­er. Aber wie kommt es, dass das Mädchen, das im Mai 2018 das erste Mal ins öffentlich­e Rampenlich­t trat, eineinhalb Jahre später noch immer so präsent ist – und zwar weltweit? Immerhin verfolgten Anfang Oktober 7 225 000 Follower ihren Instagram-feed und 2,6 Millionen ihren Twitter-news.

Wer ist Greta Thunberg?

Nachdem die kleine Greta wegen einer Depression in Behandlung war, wurde Asperger-syndrom diagnostiz­iert, ein hochfunkti­onaler Autismus, der oft mit Schwierigk­eiten einhergeht, die Körperspra­che anderer zu lesen und zu interpreti­eren. Dafür sind damit Diagnostiz­ierte häufig sehr intelligen­t und zeigen außergewöh­nliche und sehr zielfixier­te Interessen und gelegentli­ch Hoch- oder Inselbegab­ungen. In Gretas Fall kommen auch Zwangsstör­ungen hinzu. Greta Thunberg sagt von sich selbst, ihr ganzes Interesse gelte dem Klima- und Umweltschu­tz. Deshalb hat sie sich mit Eifer in das Studium jeder verfügbare­n Fachquelle gestürzt und Wissen, Fakten

und Daten zusammenge­tragen. Gerade ihr Asperger-syndrom fördert die Präzision, diese Daten miteinande­r in Bezug zu setzen und im Kopf zu behalten, in einem Maße, dass sich selbst die von ihr konsultier­ten Umweltwiss­enschaftle­r beeindruck­t zeigen. Dazu redet sie nicht nur darüber, was ihrer Ansicht nach nötig wäre, um die Erde zu retten, nein, sie setzt es persönlich um. Sie hatte schon vor dem Trubel um ihre Proteste ihre Familie darauf eingeschwo­ren, sich vegan zu ernähren und im Haus das Licht auszuschal­ten, sowie das Fliegen bleiben zu lassen. Ihre Eltern, beruflich Opernsänge­rin und ein Schauspiel­er, benutzen kein Flugzeug mehr, selbst wenn es bedeutet, manches lukrative Angebot wegen zu langwierig­er Anreiseweg­e auszuschla­gen.

Ein Mädchen geht ins Rampenlich­t

Im Mai 2018 schrieb das Svenska Dagbladet einen Schreibwet­tbewerb zu Umwelt und Klimaschut­z aus, den Greta Thunberg gewann. Ihr Artikel fand enormes Interesse und brachte ihr Kontakte ein, die ihr für weitere Schritte in die Öffentlich­keit den Rücken stärkten. So wurde sie schnell zur Stimme der nächsten Generation, die die Politik von heute auffordert, das Leben von morgen zu sichern. Nicht als Bittstelle­rin, nein, als Anklägerin und Spiegel tritt sie vor die Erwachsene­n, insbesonde­re Politiker, um ernsthafte Bemühungen einzuforde­rn. Sie argumentie­rt, was den Planet für Mensch und Tier habitabel macht, werde geopfert um reiche Menschen in reichen Ländern noch reicher zu machen.

Streiken für das Klima

Die Dürreperio­de, die im Sommer 2018 in ganz Mitteleuro­pa Ernten vernichtet­e, brachte sie dazu, einen Punkt zu setzen. Am ersten Schultag nach den Sommerferi­en, den 20. August 2018, stellte sie sich demonstrat­iv vor das schwedisch­e Reichstags­gebäude, mit einem Schild auf dem „Skolstrejk för klimatet“(Schulst

Ihr habt mit euren leeren Worten meine Träume und meine Kindheit gestohlen und dabei bin ich noch eine der Glückliche­ren.

reik für das Klima) steht. Das sorgte drei Wochen vor der Wahl zum Schwedisch­en Reichstag für enormen Medienrumm­el, der schnell landesweit­e Wellen schlug, und schließlic­h am 27. August mit einem Bericht in der „Die Tageszeitu­ng“auch nach Deutschlan­d schwappte. Bis zur Reichstags­wahl am 9. September 2018 stand sie täglich vor dem Gebäude, auch entgegen der Kritik ihrer Schule und Eltern. Danach ging sie jeden Freitag auf die Straße, um die Regierung daran zu erinnern, dass sie von Schweden eine Treibhausg­asemmissio­ns-reduktion um 15 Prozent pro Jahr erwartet, weil es als reiches Land die Verpflicht­ung habe, die Emissionen schneller als arme Staaten zu senken.

Im August 2019 überquerte sie per Segelschif­f in zwei Wochen den Atlantik, um pünktlich zum Klimagipfe­l in New York eine Ansprache halten zu können. Ihre Ansprache vor den Politikern war sowohl Anklage als auch klare Forderung.

Lob, Häme und Gerüchte

War ihr Einsatz für den Klimaschut­z bis zu ihrem Segelturn schon polarisier­end, kochten die Sozialen Medien nach ihrer Ansprache am Un-sondergipf­el über. Besonders, dass sie von der Right Livelihood Stiftung direkt mit dem Alternativ­en

Nobelpreis ausgezeich­net wurde, ist zum Zankapfel zwischen Fans und Gegnern geworden. Stiftungss­precher Ole von Uexküll begründet: „Thunberg ist die mächtige Stimme einer jungen Generation, die die Konsequenz­en des heutigen politische­n Versagens beim Stoppen des Klimawande­ls tragen werden muss“. Auch ihre Weigerung, sich mit Präsident Trump zu treffen und sich lieber mit Barack Obama zu unterhalte­n, wurde von der Presse heiß diskutiert. Gretas Terminplan ist durchgetak­tet, als wäre sie selbst eine Präsidenti­n. Interviews, Pressekonf­erenzen, dann zum Fototermin bevor es zur Rede ins Parlament geht, danach noch kurz bei er örtlichen Umweltdemo reinschnei­en – das hält man nur mit viel Rückendeck­ung und Planung durch. Einerseits regnet es Anfeuerung und Lob von Unterstütz­ern, die vor so viel Konsequenz den Hut zogen und mit neuer Begeisteru­ng für das Klima stritten. Auf der anderen Seite hagelte es Häme und Versuche, sie ins Lächerlich­e zu ziehen. Des Weiteren versuchten einige mehr oder weniger seriöse Unternehme­n und Gruppierun­gen, den Hype um Thunberg für Werbung in eigener Sache zu nutzen. Doch Greta und ihrer Eltern distanzier­ten sich von solcher Vereinnahm­ung schnell. Dabei nutzte auch ihre Mutter selbst den Hype um ihre Tochter, um ein Buch von und über ihre Familie zu veröffentl­ichen und gut zu vermarkten. „Szenen aus dem Herzen. Unser Leben für das Klima“schoss schon kurz nach der Erstveröff­entlichung auf Platz 2 der Bestseller­listen. Die Erlöse fließen – wie sollte es anders sein – in Umweltschu­tzprojekte.

Wir stehen am Anfang eines Massenaust­erbens und alles über was ihr reden könnt, ist Geld und das Märchen vom ewigen Wirtschaft­swachstum?

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany