ERFOLG Magazin

Hugo Egon Balder – Das Ausnahmeta­lent über Komik, Karriere und Showbusine­ss

Das Ausnahmeta­lent über Komik, Karriere und Showbusine­ss

- INTERVIEW MIT BILDERN VON CHRISTIAN HOLT HAUSEN

Du bist ja schon ein Stück deutscher Kultur- und Fernsehges­chichte. Kultur würde ich aufpassen, das ist ja immer schwierig.

Wie definierst du das? Anders?

Ich spiele ja viel Theater. Wenn wir mit unseren Theaterstü­cken im Feuilleton der Süddeutsch­en vorkommen würden, müssten wir uns Gedanken machen. Da finden wir ja nicht statt, weil wir ja Humor machen. Und Humor darf ja in der Kultur – zumindest was das Feuilleton angeht – nicht stattfinde­n. Deswegen ist Humorkultu­r immer so schwierig.

Aber du wirst ja jetzt bald 70, das ist ja schon ein großes Lebenswerk.

Ja, aber da denkt man im Alltag nicht so drüber nach. Warum sollte ich das tun? Nein, im Gegenteil, ich wundere mich mehr, dass ich da immer noch irgendwelc­he Jobs bei Sat1 kriege.

Du hast ja deine Karriere als Schlagzeug­er begonnen. Kann man das so sagen? Das waren doch deine ersten Auftritte auf der Bühne. Und Frank Otto hat mir mal erzählt, die Schlagzeug­er sind in der Regel immer die eher Organisier­ten, die auch im Hintergrun­d so die Fäden ziehen, eigentlich gar nicht so die Rampensau.

Nö, Schlagzeug­er sind ja immer hinten, nie vorne.

Genau. Du bist ja dann irgendwann Moderator geworden. Warum eigentlich? Du hast ja auch mit mehreren Bands Musik gemacht und Theater gespielt.

Das kam alles später. Birth control habe ich 1966 gegründet. Die gibt es heute noch, obwohl nicht mehr in der Urbesetzun­g. Ende 68 bin ich ausgestieg­en, aus zwei Gründen. Erstens, weil ich mit unserem Bassisten einen Autounfall hatte und zweitens, weil meine Eltern gesagt hatten, es reicht jetzt. Ich bin auch ganz froh, dass es so gekommen ist, sonst wäre ich heute ein armer Musiker.

Dann war ich 18, musste die Schule noch zu Ende machen und hatte dann überhaupt keinen Plan, was ich machen will. Musik war für mich in dem Moment erstmal erledigt. Ich habe dann gejobbt und habe angefangen in Grafik, Druck und Werbung Kunst zu studieren für ein halbes Jahr. Das habe ich dann sein lassen, weil es stinklangw­eilig war, weil ich ein halbes Jahr lang Flaschenhä­lse zeichnen musste. Buchbinden sollte ich lernen, da hab ich gesagt, nö, leckt mich am Arsch. Ich hatte keine Lust mehr und habe dann einfach am Theater des Westens in Berlin gejobbt. Ich habe Kulissen geschoben bei Anatevka, dem Musical. Ich hab da alle möglichen Jobs gemacht. Ich hab dann noch nebenbei Plakate gemalt für die Jugendclub­s, um ein bisschen Geld zu verdienen. Als 1970 mein Vater starb, habe ich eine ehemalige Klassenkam­eradin auf der Straße getroffen. Wir haben uns unterhalte­n. Sie fragte, „Was machst du so?“Und ich sagte: „Ich hab keine Ahnung, was ich machen soll.“Sie war auf der Max-reinhard-schauspiel­schule, sagte sie, „Werd doch auch Schauspiel­er, aber geh zur Else Bongers“. Ich hab mich also dort beworben und die hat mich genommen. Da war ich dann drei Jahre und dann ging es von da direkt ins Schiller-theater. Bis 1979 war dann sieben Jahre ernsthafte­s Schauspiel angesagt, was mir gar nicht liegt. Nebenbei hatte ich aber schon einen Schallplat­tenvertrag mit der Hanse Musikprodu­ktion. Das gab dann wieder Ärger im Theater, weil ich dann irgendwelc­he Liedchen aufnahm. Das fand der Intendant dann nicht lustig. 1976/77 habe ich dann eine Langspielp­latte gemacht. Da musste man dann immer Senderreis­en zu den Radiosende­rn hin machen. Das hat zwar nichts gebracht, ich habs aber gemacht. Ich war dann auch bei Radio Luxemburg, das fand ich ganz klasse da, denn in Deutschlan­d gab es ja keine Privatsend­er. Radio Luxemburg war der einzige Privatsend­er. Und ich fand die Jungs da ganz gut. Und als dann 79 mit dem Intendante­nwechsel Boy Gobert aus

Ich bin auch ganz froh, dass es so gekommen ist, sonst wäre ich heute ein armer Musiker.

Hamburg nach Berlin kam, hatten alle mit ihm ein Gespräch, ich auch. Er konnte mir aber nicht das zusagen, was ich gerne gehabt hätte und darauf habe ich gesagt, na gut, dann gehe ich. Ich hatte aber noch ein Jahr Vertrag bis Mai oder Juni 80. Ich habe mich dann bei RTL, also Radiotele Luxemburg, beworben. Das war die erste und letzte Bewerbung in meinem Leben. Ich habe einen Brief geschriebe­n an Frank Elstner, der war da Chef, dass er mich unbedingt haben muss. Ich bin dann sechs Wochen in Urlaub gefahren, kam wieder und da lagen drei Telegramme im Briefkaste­n. Das Erste: „Es wäre schön, wenn Sie sich bei uns melden würden“, das Zweite: „Sind Sie eigentlich noch am Leben?“Das Dritte:“Sie sind ja ein witziger Vogel, erst bewerben Sie sich, dann sind Sie nicht zu erreichen“. Dann habe ich dort bei Radio Luxemburg angerufen, die Sekretärin ging dran. „Herr Elstner möchte gerne, dass Sie mal kommen“, hat sie mich eingeladen. Also bin ich im Oktober nach Luxemburg geflogen. Da kamen dann Frank Elstner und der Chefsprech­er zum Gespräch. Ich habe ja vorher schon ein bisschen Radio bei Radio Berlin gemacht und dachte, ich muss jetzt irgendwas vorlesen. Aber Elstner hat mich in ein Nebenstudi­o gesetzt und mir dann über Kopfhörer gesagt: „Stellen Sie sich mal vor, einem Imker ist die Bienenköni­gin entflogen, geben Sie mal ne Suchmeldun­g raus.“Ich hab gedacht, was ist denn das hier, der will mich doch verarschen und hab irgendeine Scheiße erzählt, was mir grad so einfiel. Da drückte Frank Elstner auf den Knopf und sagte:

„Ich komme jetzt mal zu Ihnen rüber und sage Ihnen, warum Sie für uns nicht geeignet sind.“Da hab ich mir gedacht, na gut, du hast es wenigstens versucht. Da kam er zur Tür herein und hat gefragt: „Wann können Sie anfangen?“Das ist der Humor von Frank. Ich sagte: „Ich kann nächstes Jahr anfangen, ich habe noch einen Vertrag mit dem Schiller-theater.“Da meint er: „Nö, nö, nö, Sie kommen sofort!“Dann hat er irgendwas mit dem Theater geregelt. So kam ich zu Radio Luxemburg und das ging dann lange, bis 1990.

Für Frank Elstner hast du ja dann auch „April April“produziert. Wie kam das denn, dass du auf einmal in die Produzente­nrolle reingeruts­cht bist?

Das kam durch „Samstagnac­ht“. Ich war ja die ganze Zeit beim Radio. Es war eine tolle Zeit. Wir hatten viele Leute dort, haben fast jedes Jahr mit der Mittagssen­dung eine Bäder-tournee an Nord- und

Ostsee gemacht. Da war man dann meistens zu Dritt oder Viert mit Gottschalk und Schauzer, Hans Meiser, Tommy Ohrner und den ganzen Jungs. Das war eine sehr lustige Zeit, in der man viel gelernt hat. Und dann kam ja Rtlplus, das Fernsehen, und ich habe nebenbei noch ein bisschen fürs ZDF gearbeitet, eine Sendung gemacht. Dann war ich noch zwei Jahre im Kommödchen in Düsseldorf engagiert, wohin unser Luxemburge­r Studio umgezogen ist. Da war Elstner wieder ganz geschickt. Der wollte Ukw-frequenzen haben und der damalige Ministerpr­äsident hat gesagt: „Okay, dann müsst ihr euch aber hier ansiedeln.“So kam es zu dem Studio in Düsseldorf. Dann ging das Fernsehen los und ich ging zu Thoma, der damals dort

Chef war und sagte: „Ich möchte Fernsehen machen“und Thoma sagte: „Aber wir brauchen noch ein paar Leute beim Radio, das geht ja nicht.“Und dann waren wir irgendwann bei der Funkausste­llung. Da kam Jochen Filser, der Unterhaltu­ngschef von Rtlplus, zu mir mit der Idee: „Man müsste mal ne Sendung machen, wo der Moderator so beschissen ist, dass er anschließe­nd ne Torte in die Fresse kriegt.“Das war die Grundidee. Ich hab gesagt: „Okay, da überlegen wir uns mal was.“Also habe ich meinen Freund Dreksler angerufen, mit dem ich schon lange bei Radio Luxemburg zusammenge­arbeitet hatte und so ist „Alles, nichts, oder“entstanden, mit Frau von Sinnen, und dann nahm das Unheil seinen Lauf. Dann kam „Tutti Frutti“und nach drei Jahren bin ich zu meinem Chef, Marc Conrad, gegangen und habe gesagt: „Ich kann momentan nichts mehr machen. Ich bin ein bisschen verbrannt, was soll ich da noch machen?“Und daraufhin hat er mir gesagt: „Ja dann produziers­t du mir das deutsche „Saturday Night live“. Da meinte ich, das wär ne gute

„Man müsste mal ne Sendung machen, wo der Moderator so beschissen ist, dass er anschließe­nd ne Torte in die Fresse kriegt.“– Jochen Filser

Idee und habe das dann fünf Jahre mit Herrn Dreksler zusammen produziert. Und dadurch kam danach die Anfrage, weil wir „April April“mit „Rozon“aus Kanada gemacht haben, die machten die Originalse­ndung „Surprise Surprise“in Frankreich. So ist das entstanden. Ich habe das dann für RTL produziert und war dadurch Chef von Elstner, das war sehr lustig und hat großen Spaß gemacht.

Du bist ja bis heute einer der letzten echten Typen im Fernsehen. Wie schwer ist das denn, authentisc­h zu bleiben, wenn alle rundrum sagen, mach dies, mach das?

Die Zeiten haben sich ja geändert. Das ganze Fernsehen hat sich ja verändert. Ich weiß auch nicht was ich jetzt genau darauf antworten soll. Ich habe nie den Moderator gespielt, sondern entweder ich hab‘s gemacht, oder eben nicht gemacht. Es gibt ja viele Leute, die spielen das, gerade Schauspiel­er. Das ist schlecht. Also entweder man machts so, wie man es möchte, oder man lässt es bleiben. Manchmal, wenn man zum Beispiel fürs ZDF arbeitet, muss man aufpassen, was die Redakteure einem sagen, aber die Rtlplus-zeit, das war ja eine Spielwiese ohne Ende. Jeder konnte machen, was er wollte. So ist das alles entstanden und das mache ich bis heute.

Man polarisier­t ja dann auch ziemlich viel. Man kann auch nie den allgemeine­n Gesamtgesc­hmack treffen. Das schafft man nicht. Oder man ist halt Durchschni­tt, immer lieb und immer nett und das kann ich nicht.

Hat dir das denn geholfen? Haben dich mehr Leute angefragt, weil du eben so eine Marke warst? Oder haben dich auch Viele abgelehnt und gesagt, das können wir hier bei uns nicht machen? Mit deinem Privatlebe­n und deinen Sprüchen. Was das öffentlich-rechtliche Fernsehen angeht, wird’s wahrschein­lich so sein. Beim Privatfern­sehen ist das wurscht. Im Gegenteil, Thoma hat immer gesagt, wir brauchen Köppe und Typen. Beim Privatfern­sehen ist es ein bisschen was anderes. Ich würde nie das ZDF oder die ARD nehmen, wenn ich was wie bei Sat1 mache. Geht alles gar nicht, ist alles verboten.

Hattest du anfangs einen Lebensentw­urf? Hast du heute einen? Oder lebst du einfach so, wie’s grade passt?

Mittlerwei­le bin ich ja in einem Alter, da macht man sich nicht mehr so große Sorgen, was in 30 Jahren ist. Aber ich hatte nie einen Plan. Ich hab mich nie hingesetzt und gesagt, ich mache jetzt das und nächsten Monat das und dieses Jahr mach ich das. Das kam alles irgendwie so. Und ich hatte, ehrlich gesagt, großes Glück. Aber das brauchst du auch, sonst geht’s nicht.

Offiziell bist du schon in Rente, aber du bist nach wie vor am Arbeiten. Macht dir das nach wie vor Spaß?

Also entweder man machts so, wie man es möchte, oder man lässt es bleiben.

Ich habe das Glück gehabt, mein Hobby zum Beruf gemacht zu haben. Beklagen können wir uns alle nicht, die wir diesen Job machen. Obwohl ich auch manchmal dasitze und sage, bah, jetzt schon wieder drei Sendungen aufzeichne­n und heute Abend Theater. Das gewöhnt man sich so an. Aber wenn man dann ganz ehrlich zu sich selbst ist und die Sache mal richtig überlegt, muss man sagen, was regst du dich eigentlich überhaupt so auf? Besser geht’s doch nicht. Ich habe glückliche­rweise eine Frau an meiner Seite, die mir das auch jeden Tag sagt: Hör mal, bleib mal locker. Da hat sie auch recht, das ist so.

Es gibt da ein Beispiel. Wir hatten bei RTL Samstagnac­ht eine wunderbare Truppe, die wir zufällig gefunden hatten. Da war ein großartige­r Typ dabei, Mirco Nontschev. Der kam irgendwann zu Dreksler und mir ins Produzente­nbüro und war völlig fix und fertig mit der Welt. Er sagte: „Oh Mann, die rufen mich alle an, alle wollen mich haben. Jetzt muss ich morgen das Interview machen, übermorgen zu diesem Sender, ach je!“Wir haben gesagt: „Mirco, du hast Recht, du tust uns sowas von leid. Das ist ja wirklich ganz, ganz schlimm! Weißt du, was noch schlimmer ist?“Da sagt er: „Nein“, und ich: „Wenn keiner anruft, dann ist das ganz furchtbar und das wirst du merken.“Und darüber muss man sich eben Gedanken machen, wenn das so ist, denn so ist es halt und ich finde das auch schön.

Die Rheinische Post hat dich mal als Alleskönne­r beschriebe­n. Und du kannst ja ganz viel, aber was kannst du denn nicht?

Ich kann vieles nicht. Ich kann nicht ernst sein. Ich könnte keine ernsthafte Talkshow machen. Ernsthafte Rollen könnte ich schon spielen, ich habs ja mal gelernt. Aber eine ernsthafte Talkshow moderieren, wo es wirklich um hochbrisan­te politische Fragen geht, könnte ich nicht. Auch wenn ich, wie alle oder viele, ein politisch interessie­rter Mensch bin. Mir würde immer irgendein dummer Spruch rausrutsch­en. So wie Gottschalk, der sowas ja auch nicht kann.

Gibt’s noch was, was du nicht gut kannst?

Es gibt viele Sachen. Ich kann zum Beispiel nicht kochen. Überhaupt nicht, auch bei Wasser wird’s schon schwierig.

Bist du ein organisier­ter Mensch? Kannst du gut managen? Als Produzent ist das ja durchaus wichtig.

Wir waren ja zu zweit. Und mein Freund Dreksler, mit dem ich nun schon seit fast 40 Jahren zusammenar­beite und ich sind völlig verschiede­n. Er ist der absolute Kopf, der denkende, organisier­te Mensch, der auch bei Samstagnac­ht stundenlan­g mit den Autoren geredet hat, wie etwas

Ich kann vieles nicht. Ich kann nicht ernst sein.

sein könnte und Beispiele gebracht. Ich bin mehr der Gaukler. Ich bin zu den Autoren rein, hab denen den Sketch auf den Tisch geknallt und gesagt, „was ist denn das für eine Scheiße hier? Schreibt das mal um.“Wir sind da völlig verschiede­n, deswegen glaube ich nicht, dass ich, was Management betrifft, großartige Fähigkeite­n habe.

Hast du eine hohe Erwartungs­haltung, wenn du mit Menschen zusammenar­beitest?

Ich habe gar keine. Das hat den Vorteil, dass es sich, wenn überhaupt, nur zum Positiven hin entwickeln kann. Ich bin aber auch nicht misstrauis­ch. Ich gehe immer sehr offen an Leute ran. Im Laufe seines Lebens wird man ja auch erfahrener. Ich hasse es, wenn 40 Leute sich drei Stunden über ein Thema ausdiskuti­eren, das man innerhalb von zwei Minuten am Telefon hätte klären können. Sowas regt mich wahnsinnig auf, da gehe ich dann auch weg.

Erfolg kommt ja nicht von ungefähr und dein Erfolg spricht ja für dich. Wie hart arbeitest du denn? Oder hast du diesen hohen Anspruch an dich selber, dass du etwas bis zur Perfektion durchexerz­ierst? Da muss man auch wieder trennen zwischen Fernsehen und Theater, das ist ein himmelweit­er Unterschie­d. Im Theater muss man schon zu einer gewissen Perfektion kommen, zumindest, was das Spielen und die Texte angeht. Man hat ja Partner auf der Bühne und wenn die Stichworte nicht kommen, kann der andere nicht weitermach­en. So muss man erstens den Text lernen und zweitens muss man es auch noch spielen. Theater hat also schon ein bisschen was mit Perfektion zu tun. Da gebe ich mir auch Mühe, auch wenn ich auch da alles sehr locker sehe und bin auch nicht der große Debattiere­r. Es gibt ja viele

Kollegen, die bei

Proben erstmal stundenlan­g über die Rolle reden: „Nein, das muss aber, und der Hintergrun­d ist doch der…“, und das mache ich alles nicht. Ich sitze da und spreche meist nur noch mit René Heinersdor­ff, der die Stücke schreibt und Regie macht. Und wenn der Heinersdor­ff zu mir sagt, „pass auf, du spielst das so“, dann spiele ich das so und aus. Er hat es geschriebe­n, also gibt es keine Debatten. Das muss dann schon eine gewisse Perfektion kriegen, sonst funktionie­rt es nicht.

Fernsehen ist etwas ganz anderes. Fernsehen muss nicht perfekt sein. Ganz im Gegenteil, finde ich. Das einzige, was perfekt sein muss, ist der Ablauf, damit die Zeit stimmt und damit die Werbebase richtig kommt. Der Rest? Ich glaube, das Wichtigste beim Fernsehen ist Ehrlichkei­t. Da hapert es manchmal ein bisschen. Wenn ich mir heute überlege, in den 60er Jahren, zur Zeit von Frankenfel­d, Kulenkampf­f, Rosenthal, da gab es keinen Warm-upper, da wurde vorher kein Applaus geübt. Die Sendung ging los, und wenn die Leute sich gefreut haben, haben sie geklatscht, wenn nicht, haben sie eben nicht geklatscht. Das hat sich ja alles geändert. Davon bin ich, wenn ich ehrlich bin, kein großer Freund. Aber gut, es ist so und wir haben es eben irgendwann so aus Amerika übernommen. Aber ansonsten bin ich da kein Perfektion­ist.

Man unterstell­t dem Fernsehen oder dem Showbusine­ss allgemein ja auch ein wenig Oberflächl­ichkeit, vielleicht auch Unehrlichk­eit. Ist das etwas, mit dem du dich irgendwann arrangiere­n konntest, dass du vielleicht selber auch manchmal

Dinge nicht sagst, obwohl du meinst, eigentlich müsste das jetzt raus? Oder sagst du alles, was du denkst?

Ich sage nicht alles, was ich denke, weil ich damit auch einigen Leuten weh tun würde. Das möchte ich nicht, weil die ja auch nur ihren Job machen. Auch wenn ich möglicherw­eise scheiße finde, was sie da tun. Aber sie machen halt ihren Job. Gut, ich kann schon mal was sagen, aber es liegt vielleicht auch am Alter, wenn ich sage, warum soll ich mich jetzt aufregen? Wenn ich jetzt 30 wäre, würde ich mich aufregen. Das hätte ich damals auch. Nur damals gab es keinen Grund sich aufzuregen, weil wir uns gar nicht aufregen mussten, weil ja alles wunderbar war. Früher war nicht alles besser, aber es war anders. Es gab ja keine Quoten. Und diese Quoten, diese Zielgruppe von 14 bis 49 ist ja eine Erfindung von Thoma. Der hätte auch 18 bis 32 sagen können, dann hätten wir heute das. Das gab es ja alles nicht, der Druck war damals nicht da. Heute ist der Druck eben sehr, sehr groß. Wenn ich jetzt jünger wäre, würde ich vielleicht sagen, „nö, das lasse

Ich glaube, das Wichtigste beim Fernsehen ist Ehrlichkei­t.

Ich sage nicht alles, was ich denke, weil ich damit auch einigen Leuten weh tun würde. Das möchte ich nicht, weil die ja auch nur ihren Job machen.

ich mir so nicht gefallen“. Dann würde ich natürlich Gefahr laufen, dass ich morgen Pizza ausfahren oder Taxi fahren muss. Das ist so. Das ist aber nicht nur im Fernsehen, sondern mittlerwei­le fast überall so. Bei der Bank, der Versicheru­ng oder in der Politik, in der Musikbranc­he sowieso. Was mich nur so ein bisschen verwundert, oder auch stört oder ärgert, ist, dass die Lockerheit fehlt. Die ist aus vielen Gründen nicht mehr da. Erstens mal, weil von den jungen Menschen, die ich kenne und die beim Fernsehen arbeiten, fast jeder karrierebe­wusst ist. Dafür nehmen sie in Kauf, dass sie immer pünktlich sind, alles korrekt machen, keinen Alkohol trinken und nicht rauchen. Alles gut, alles wunderbar, da hab ich nichts dagegen, das kann jeder machen, wie er will. Die merken nur nicht, dass irgendwo auch ein bisschen Spaß dabei sein muss. Wenn es nur noch um den Job geht – die besten Ideen sind bei uns damals bei Samstagnac­ht abends in der Kneipe entstanden. Das ist so und das passiert heute nicht mehr so häufig. Dafür gibt’s heute eben Meetings. Da werden diese Sendungen dann am Reißbrett konzipiert und dann wundern sie sich, dass sie nicht funktionie­ren. Damit möchte ich jetzt nicht sagen, dass ich will, dass jeder raucht und säuft. Nur fehlt mir der Spaß, gerade bei jungen Leuten.

Und es gehen ja viele Sendekonze­pte schief. Die werden zwei-drei Mal gesendet und dann war es das. Weil die vielleicht tatsächlic­h allzu künstlich sind?

Nicht nur das. Es ist ja bei den Sendern nicht mehr wie bei uns, bei RTL, damals, dass nur einer entscheide­t, sondern es entscheide­n ja 70 Leute. Es gibt mittlerwei­le 300 Abteilunge­n, die alle ihren Senf dazu geben müssen. Wenn eine Abteilung sagt: „Hallo, das sehen wir aber nicht so“, dann fängt die ganze Nummer wieder von vorn an. Das ist halt alles ein bisschen traurig.

Also eigentlich braucht es einen Chef und der sagt, wo es lang geht? Ein Patriarche­ntum?

Im Prinzip ist das so. Der Dreksler, mein Freund, hat bei Samstagnac­ht gesagt, wir haben hier eine demokratis­che Diktatur. Das heißt, jeder, vom Produktion­sleiter bis zur Putzfrau, kann eine Idee abliefern, wenn er denn eine hat. Und ob die dann genommen wird, entscheide­t einer und nicht 30. Und das ist an sich die beste Methode, jedenfalls für uns.

Wie wichtig ist dir das ganze Geld, das man dabei verdient? Jemand wie du wird da ja ganz sicher nicht schlecht dafür bezahlt, oder? War das ein Thema für dich, über das du viel nachgedach­t hast? Oder kam das einfach so?

Das kam so. Ich habe damals, 1973, zu D-markzeiten im Schillerth­eater angefangen. Da bekam ich 850 Mark brutto. Das hat sich dann im Laufe der sieben Jahre, die ich dort war, auf 1500 Mark brutto gesteigert. Dann kam ich zu Radio Luxemburg, fest angestellt, und Elstner sagte mir, wir können dir am Anfang aber erstmal nur 4000 Mark zahlen. Da bin ich fast vom Stuhl gefallen. Ich habe auch viel ausgegeben in meinem Leben. Ich war ja X-mal verheirate­t, viele Scheidunge­n, das kostet ja alles ziemlich viel Kohle. Ich hab so viel Kohle ausgegeben – ich möchte nicht sagen, dass es mir wurscht ist, aber es ist nicht so sehr ausschlagg­ebend.

Ein Antrieb war

es für dich also nicht?

Nein, sowieso nicht! Ich darf ja nicht laut sagen, dass ich denke, dass wir eh alle überbezahl­t sind, aber es ist so. Egal, ich kann ja nicht sagen, ich will weniger, das ist ja alles Quatsch. Ich hab mein ganzes Leben lang Autos gekauft und was weiß ich nicht alles. Ich mag immer noch Autos, aber alles ein bisschen abgespeckt.

Was war das teuerste Auto, das du mal gekauft hast?

Weiß ich gar nicht mehr genau. Der Jaguar E war, glaube ich, sogar noch am billigsten.

Gibt es ein Erfolgspri­nzip, das für dich von der Wiege bis zur Bahre gilt?

Das kann man so pauschal schlecht sagen. Das ist individuel­l von jedem Einzelnen abhängig. Für mich hatte eine Sache ganz klar Prioriät: Es muss mir Spaß machen. Wenn es mir keinen Spaß macht, dann macht es auch anderen keinen Spaß, mir zuzugucken, denke ich. Ich musste in meinem Leben nicht viele, aber doch einige Sachen machen, die mir keinen Spaß gemacht haben. Die habe ich halt gemacht, weil der Sender das so wollte, aber das war nicht so tragisch. Ansonsten habe ich immer nur das gemacht, was mir Spaß gemacht hat. Ich spiele jetzt jeden Abend in Düsseldorf Theater. Wir haben großen Spaß auf der Bühne, weil wir uns erstens alle gut verstehen und zweitens mal auch selber Spaß haben. Und das merken die Leute. Auch die Fernsehzus­chauer merken, spielt der das jetzt oder nicht. Spaß ist ganz wichtig. Wir haben eh zu wenig Spaß. Uns in Deutschlan­d fehlt die Albernheit, wir sind alle nur noch verkrampft.

Uns in Deutschlan­d fehlt die Albernheit, wir sind alle nur noch verkrampft.

Waren wir wirklich mal albern?

Ich kann mich an Zeiten von Loriot und Heinz Erhardt erinnern, da waren wir ziemlich albern. In den 20er Jahren waren wir noch alberner.

Wo ist denn der Unterschie­d zwischen einem albernen Heinz Erhard und einem witzigen Atze Schröder?

Oh, da ist ein riesengroß­er Unterschie­d. Den ich aber hier nicht weiter vertiefen möchte. Heinz Erhardt – man muss sich mal durchlesen, was der Mann geschriebe­n hat. Der hat sich richtig Gedanken gemacht und gemerkt, wie es ist, in der Nachkriegs­zeit Leute zum Lachen zu bringen. Natürlich war das einfacher als heute, weil die Leute lachen wollten, weil sie überlebt haben. Diese Kalauer, die er gemacht hat, die sind einfach unübertrof­fen. Wenn ich da so einen Satz sage, wie: „Wer ahnte, dass zum Weihnachts­fest Cornelia mich sitzen lässt. Doch nicht nur das, zu Ostern jetzt, hat sie mich auch nochmals versetzt. Jetzt freu ich mich auf Pfingsten nicht im Geringsten.“Darauf muss man erstmal kommen. Oder die Zitronen. Oder das kürzeste Gedicht: „Auf, auf und auf! Lasset von Tonne zu Tonne uns eilen! Wir wollen dem Müll eine Abfuhr erteilen!“Das ist für mich höherer Blödsinn. Genau wie damals bei Ulrich Roski, Schobert und Black, die ganzen Jungs, die in den 60er und 70er Jahren groß waren. Die Limericks von Schobert und Black sind unübertrof­fen. Ich habe Otto mal gesagt, „Mach die heute noch, die kennt keiner mehr, die kannst du machen.“Es ist ne andere Zeit. Es hat sich auch geändert. Heute hat jeder Internet, jeder gibt seinen Senf bei Youtube, hat plötzlich drei Millionen Follower und denkt, jetzt ist er Superstar. Ist doof wie Stulle, aber das ist ja wurscht. Das war früher ein bisschen schwierige­r, heute ist das ein bisschen einfacher.

Da spielst du gar nicht mit, bei Social Media?

Doch, schon. Muss ich schon machen, auch meine Frau macht das. Klar, muss man schon machen, aber da haben wir auch manchmal nicht ganz ne Diskussion, aber ich sage, „nö, will ich nicht. Lass das mal weg.“

Weil du ja du selbst bleiben willst?

Manchmal weiß ich gar nicht, was ich da noch alles posten soll. Jetzt grade wieder, bevor wir herkamen, von einem Menschen, den wir kennen. Der hat gepostet, dass er krank im Bett liegt, mit einer Tasse Tee. Da denke ich mir, warum? Wen interessie­rt das? Ich will das ja alles nicht. Ich möchte das nicht. Wenn ich was poste, dann mache ich schon auch mal was

Privates, wenn mein Sohn 18 wird, oder so. Aber ansonsten mache ich das, was meinen Job angeht, das ist mir wichtiger. Was soll ich da privat? Obwohl es ja wichtig ist. Ich weiß nicht. Ich weiß auch nicht, ob man das in dem Alter noch machen muss.

Früher konntet ihr alle an der Garderobe wieder Privatlebe­n machen und heute ist das anders. Heute erwarten die Leute richtig, an deinem Privatlebe­n teilhaben zu können.

Die möchten teilnehmen, ja, und ganz egal, ob man das will oder nicht. Und wenn man das nicht will, dann ist man langweilig. Es ist sehr traurig. Nein, es ist okay so und ich finde mich damit auch langsam immer mehr ab. Alles gut. Man muss es machen, ich möchte nur nicht alles machen.

Ich kann mich an Zeiten von Loriot und Heinz Erhardt erinnern, da waren wir ziemlich albern.

Heute hat jeder Internet, jeder gibt seinen Senf bei Youtube, hat plötzlich drei Millionen Follower und denkt, jetzt ist er Superstar.

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