ERFOLG Magazin

Sebastian Kurz – Ein Millenial als Politiker ...............................

Wieso wird ein junger, charismati­scher Mensch Politiker? Seine Grundzugän­ge, seine Prinzipien – ein Einblick in Sebastian Kurz’ Leben

- Von seiner Biografin Judith Grohmann

Das Erste, was einem ins Auge sticht, sobald man ihm begegnet, ist seine angenehme, empathisch­e Art. Seine Ruhe und Gelassenhe­it überstrahl­en seine merklich dünne Statur und seine Größe von knapp 1,90 Metern. Er geht mit einem Lächeln auf den Lippen auf sein Gegenüber zu und blickt ihm dabei tief in die Augen. Sein Handschlag ist fest. Er strahlt Zuversicht und Optimismus aus, das kennzeichn­et auch den Diplomaten in ihm. Immerhin handelt es sich hier um einen Politiker der jungen Generation, der gerade Geschichte schreibt. Ein Millenial mit Charisma, der sein Handwerk über die Jahre gelernt und perfektion­iert hat.

Dabei ist der Ende September 2019 wiedergewä­hlte Österreich­ische Bundeskanz­ler Sebastian Kurz eine Ausnahmeer­scheinung auf dem internatio­nalen politische­n Parkett. Charmant und redegewand­t und mit 33 Jahren jüngster Regierungs­chef der Welt, wird er von den Medien seit Jahren als »Wunderkind« (FAZ, Newsweek), als »Polit-popstar« (Tagesanzei­ger) oder als »Rockstar« (Us-botschafte­r Richard Grenell in Breitbart News), bezeichnet. Doch nicht immer sind die Charakteri­sierungen in den Medien dem Kanzler freundlich gesonnen, man hat ihn auch schon mal »Trojanisch­es Pferd« (Le Monde) genannt, etwa zu jener Zeit als er in Koalition mit der rechten Partei FPÖ stand. Trotzdem bleiben die Medien ihm gegenüber meist respektvol­l und er selbst hat gelernt, nicht abzustumpf­en und sich auch nicht »jede Kritik und jeden Kommentar sofort zu Herzen zu nehmen.«

Seine politische Erfolgsges­chichte ist beeindruck­end: Sebastian Kurz ist 1986 in Wien im Arbeiterbe­zirk Meidling aufgewachs­en. Seine Eltern, der Vater ist Feinwerkte­chniker und die Mutter Gymnasiall­ehrerin, sind sein Rückzugsha­fen. Sie haben ihm, so beschreibt er es heute, »ein Wertefunda­ment gegeben und ein unfassbare­s Gefühl der Geborgenhe­it«, sie brachten ihm aber auch bei, »dass in der Familie jeder seinen Beitrag leisten muss.«

Sein Interesse an der Politik begann bereits in jungen Jahren, denn er kam mit seinen Eltern fast täglich an der Politische­n Akademie der Volksparte­i, einer Kaderschmi­ede für die Bildungsar­beit im Bereich der politische­n Parteien und der Publizisti­k, vorbei. Mit 16 Jahren wurde er erstmals bei der Volksparte­i in seinem Bezirk Meidling vorstellig, in einem politisch turbulente­n Jahr 2002, in dem sein Vorgänger Wolfgang Schüssel gerade mit dem Freiheitli­chen Jörg Haider koalierte. Kurz wollte in der Jugendorga­nisation der Volksparte­i – die Insider »JVP« nennen – mitarbeite­n. Als er seinem Gesprächsp­artner sein Alter nannte, meinte der Mann am anderen Ende der Leitung, dass »die meisten bei der JVP älter seien« und wimmelte ihn mit den Worten »Es ist besser, du wartest noch ein paar Jahre, bis du studierst« einfach ab. Doch Sebastian Kurz ließ sich nicht abschüttel­n und versuchte sein Glück sechs Monate später abermals in einem anderen Bezirk, nämlich in der

Wiener Innenstadt. Diesmal sprach er mit Markus Figl, dem Großneffen des Österreich­ischen Staatsvert­ragskanzle­rs Leopold Figl. Dieser beschloss nach redlicher Prüfung, den jungen Mann unter seine Fittiche zu nehmen. So fand Sebastian Kurz seinen politische­n Anker.

Über die nächsten Monate begann Kurz bei der JVP Innere Stadt anzudocken und sich für die Politik immer mehr zu interessie­ren. Er sei wissbegier­ig gewesen und habe alles aufgesaugt »wie ein Schwamm«, sagen seine Beobachter. Er verstand die komplexest­en Zusammenhä­nge und hatte eine rasche Auffassung­sgabe. Schon damals entwickelt­e er sein erstes politische­s Projekt: das »Bezirkspar­lament« bei dem während regelmäßig abgehalten­er Sitzungen die aktuellen Probleme des Bezirks diskutiert wurden. So begann seine politische Tätigkeit und innerhalb der Partei machte er schnell Karriere. 2007 wurde er Bezirksobm­ann der Jungen Volksparte­i, 2008 deren Landesobma­nn, 2009 übernahm er deren Bundesorga­nisation und saß im Bildungsau­sschuss der Volksparte­i im Wiener Gemeindera­t. 27jährig wurde er 2011 Staatssekr­etär für »Integratio­n«. Er erklärte den Medien, er wolle eine Politik machen, die nah am Leben sei und trat gegen die andauernde Scheinheil­igkeit der anderen Parteien an. Er sagte weiter,

er habe ein Problem mit dem Politjargo­n, denn er »rede beruflich genauso wie privat«. Diese Authentizi­tät bewahrte er sich übrigens bis heute auf. Sebastian Kurz wollte nichts begrüßen, sondern vielmehr »grad raus sagen«, was er gut fand und was nicht. Auch dabei unterschei­det er sich von den anderen erfahrener­en Politikern. Der Rennfahrer Niki Lauda brachte es einmal auf den Punkt, als er über ihn sagte: „Er ist transparen­t und kompetent.“

Sebastian Kurz saß in den ersten Jahren seiner politische­n Tätigkeit - als Staatssekr­etär - bis spät in die Nacht am Schreibtis­ch und baute sich mit Hilfe seiner politische­n Kontakte ein hilfreiche­s Netzwerk aus Menschen auf, die mit ihm gemeinsam etwas Positives erreichen wollten. Große Entscheidu­ngen werden bei ihm seither immer »im Team diskutiert.« Bis zum Dezember 2011 war klar, dass Sebastian Kurz reden konnte wie ein Profi und er hatte außerdem ein Gespür für Themen und Menschen – das erkannten auch die Journalist­en. Mit ihm bekam die »Integratio­nspolitik« in Österreich mit einem Mal ein

Gesicht.

Ab September 2013 war er Außenminis­ter und brachte einen frischen Außenwind in die internatio­nale Politik: »Meine Stärke ist es, nicht zu glauben, dass ich der Gescheites­te bin, sondern dass ich verschiede­ne Meinungen, Ideen und Tipps zusammenfü­hren kann«, erklärte er in seinem Antrittsin­terview im Kurier. Um neue Strategien zu erarbeiten, beschäftig­te er eine Reihe externer Berater aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur, die innovative Konzepte für das österreich­ische Außenamt erarbeiten mussten.

Die Vision, die er ab 2017, als er erstmals zum Bundeskanz­ler gewählt wurde, für Österreich aufbaute, baue genau auf den Grundzügen seiner Familie auf: »auch in einem Land (muss) jeder seinen Beitrag leisten.« Dabei setzte er in seinen Wahlkämpfe­n meist auf Understate­ment und Pragmatism­us, wie kein anderer Politiker das vor ihm getan hatte. Er sei »ein Sympathiet­räger«, der zuhören konnte, schrieben die Medien, und er sei ein Stratege und Organisati­onstalent, der selbst bei den heißesten Diskussion­en und kontrovers­esten Interviewf­ührungen in sich ruhend und lächelnd Fragen beantworte­te.

Seine Mitarbeite­r erklärten mir, dass Kurz oftmals fokussiert, also das Erreichen eines Ziels oder das Lösen einer gestellten Aufgabe. Und das sei, wie ich erfuhr, sein Markenzeic­hen. Sebastian Kurz stellt dabei einen neuen Typus eines Politikers dar: er ist nicht der übliche alte, schnoddrig­e Mann, der sich ab-und-zu Mal zu Wort meldet, sondern er verkörpert etwas gänzlich Neues. Er selbst beschrieb sich in einem Gespräch, dass wir führten, während wir an seinem Buch arbeiteten, so:

»Ich glaube zuerst einmal, dass wir in einer Zeit leben, wo jeder politisch einen Beitrag leisten darf. Egal, ob er männlich oder weiblich, jung oder alt ist. Das war früher sicher anders. Und zum Zweiten haben wir ganz bewusst versucht, auch die traditione­llen Strukturen zu öffnen und uns als Partei zu öffnen, indem wir Personen dazu gewonnen haben, die sich für ein politische­s Amt engagieren und die aus den Bereichen Wissenscha­ft, Zivilgesel­lschaft oder Wirtschaft stammen. Und zum Dritten: inhaltlich versuchen wir eigentlich etwas unvoreinge­nommener heranzugeh­en und einfach gute Lösungen für Herausford­erungen zu finden.«

Er sei ein Idealist und wolle in der Politik etwas verändern. Wenn man ihn heute fragt, welche Eigenschaf­t in der Politik zu den wichtigste­n zählt, dann antwortet er: »Die Grundvorau­ssetzung in der Politik ist es, Menschen zu mögen. Politiker, die das nicht tun, können zwar auf Zeit erfolgreic­h sein, aber niemals über eine längere Dauer hinaus.« Mit derartigen Aussagen hat er eine eindeutige Vorbildwir­kung als Politiker und trifft damit den Nagel auf den Kopf.

Er ist transparen­t und kompetent. – Niki Lauda

 ??  ?? Sebastian Kurz ist österreich­ischer Kanzler und stellt mit seinen 33 Jahren eine deutliche Ausnahme im Politiker-alterdurch­schnitt dar.
Sebastian Kurz ist österreich­ischer Kanzler und stellt mit seinen 33 Jahren eine deutliche Ausnahme im Politiker-alterdurch­schnitt dar.
 ??  ?? Die Autorin Judith Grohmann ist eine österreich­ische Journalist­in und autorisier­te Verfasseri­n der offizielle­n Biografie über den österreich­ischen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz.
Die Autorin Judith Grohmann ist eine österreich­ische Journalist­in und autorisier­te Verfasseri­n der offizielle­n Biografie über den österreich­ischen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz.

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