Das Experiment: Die 4-Tage-woche ......................................
Microsoft steigert damit die Produktivität um 40 Prozent
Verkürzung der regulären Arbeitswoche auf vier Tage á sechs Stunden für ganz Finnland. Im Januar 2020 sorgte diese Meldung über die angebliche Forderung der gerade einen Monat vorher gewählten Premierministerin Finnlands, Sanna Marin, für Aufsehen. Doch kurz darauf wurde offiziell von der Regierung dementiert: „Im Programm der finnischen Regierung wird keine Vier-tage-woche erwähnt. Das Thema ist nicht auf der Agenda der finnischen Regierung. Premierministerin Sanna Marin hat im August in einer Podiumsdiskussion die Idee kurz vorgestellt, als sie noch die Transportministerin war, neuere Aktivitäten dazu haben nicht stattgefunden.“Trotzdem verbreitet sich die Idee, gerade unter den Kopfarbeitern, untergräbt geradezu ketzerisch das Fundament der seit Ewigkeiten zementierten 40 Stunden, die gefälligst an fünf Arbeitstagen in der Woche abzuarbeiten sind. Welche Utopie hatte Marin im August 2019 als Szenario für die Zukunft in den Raum gestellt? „Eine Vier-tage-arbeitswoche, ein Sechs-stunden-arbeitstag, warum könnte das nicht der nächste Schritt sein? Sind acht Stunden die finale Wahrheit? Ich denke, die Menschen verdienen mehr Zeit mit ihren Familien, Hobbies, Leben. Das könnte der nächste Schritt für uns im Arbeitsleben sein.“
Weshalb eine kurze Woche?
Was ist also dran an dieser Zukunftsvision? Alles Wunschdenken fauler Arbeitnehmer?
Mitnichten! Schon lange weisen Wissenschaftler darauf hin, dass in acht Stunden Anwesenheit am Arbeitsplatz nicht mehr Arbeit geschafft wird als in sechs, eher im Gegenteil. Nach sechs Stunden Arbeit ist das Gehirn erholungsbedürftig. Eine Stunde Mittagspause reicht nicht aus, um das Gehirn zu voller Leistungsfähigkeit zu regenerieren. Zusätzlich schlägt nach dem Mittagessen das Suppenkoma zu und erschwert konzentriertes Arbeiten. Ein Spaziergang hilft, ein Nickerchen noch mehr, aber letzteres ist im Büro eher schwer umzusetzen. Die Arbeit geht langsamer von der Hand, die Fehlerquote steigt – Fehler, die am nächsten Morgen erst wieder aufgefangen werden müssen. Das Gefühl, auf der Fahrt nach Hause nur noch nasse Watte im Kopf zu haben, ist wohl
den meisten bekannt. Jetzt noch Energie aufbringen, dem Körper den Sport zuzumuten, den er dringend braucht, um die Verspannungen der Computer-geier-fehlhaltung auszugleichen? Fehlanzeige. Oft reicht es gerade mal für Abendbrot, bevor der müde Körper in der warmen Umarmung des Sofas versackt. Jammernde Kinder, das dringende Einschreiben noch immer nicht zur Post gebracht – Hammerschläge auf das strapazierte Gemüt. Wie krank das macht, zeigen Statistiken zu Krankheitsfehltagen, Alkoholkonsum, Depression, Rückenleiden und Burnout.
Eine Studie, die im Harvard Business Review veröffentlicht wurde, zeigt, wer von vornherein einen Sechs-stunden-tag vor sich hat, geht anders zur Sache, zieht sein Pensum zielstrebiger durch und ist in dieser Zeit konzentriert bei der Sache. In der Folge bekommt man mehr erledigt. Eine 2018 vom Workforce Institute auf Kronos veröffentlichte Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Hälfte der teilnehmenden Vollzeitkräfte glaubte, ihr Tages-arbeitspensum auch in fünf oder weniger Stunden täglich erledigen zu können. Um es sportlich auszudrücken: für einen Marathon schlagen Sie von Anfang an ein ökonomischeres Tempo an als für einen Fünf-kilometer-lauf, weil sie wissen, dass Sie mit Ihren Kräften haushalten müssen. Wer die Zeit hat, sich zu erholen, seine gesundheitlichen und sozialen Bedürfnisse zu befriedigen, kann mehr Leistung bringen. Wer nur an vier Tagen arbeitet, hat drei Tage, an denen er ausschlafen kann. Hier ist auch die Zeit, die Dinge zu erledigen, die sonst als bedrückende Welle vor sich hergeschoben werden, wie Vorsorgetermine, Bank oder Reifenwechsel. So werden auch Kraftressourcen für außerbetriebliche Weiterbildung frei, die dem Betrieb aber durchaus wieder zugutekommen. Alles nur bonbonrosa Wunschdenken, oder?
Das Microsoft-experiment
Microsoft wagte das Praxisexperiment in seiner japanischen Niederlassung. Der komplette August 2019 stand unter der „Work-life Choice Challenge Summer 2019“. Vier Freitage in Folge waren für die 2300 Angestellten arbeitsfrei, ohne Einschränkung der Bezahlung. Zusätzlich bekamen die Arbeitnehmer etwa 1000 Dollar Urlaubsgeld. Microsoft Japan Präsident und CEO Takuya Hirano erklärte gegenüber dem Guardian: „Arbeite kurze Zeit, erhol dich gut und lerne viel. Ich möchte, dass die Arbeitnehmer über die Erfahrung nachdenken, wie sie dieselben Ergebnisse in 20 Prozent weniger Arbeitszeit hinkriegen.“Spielend, wie sich herausstellte. Die Produktivität erlebte einen steilen 40
Prozent-sprung nach oben. „Die Angestellten waren produktiver, wahrscheinlich weil sie viel glücklicher waren und sich leichter auf die Arbeit konzentrieren konnten“, sagt das Resümee. Daneben verzeichnete das Unternehmen Einsparungen bei den Stromkosten und im Verbrauch von Druckerpapier. Noch ist nicht geklärt, ob und wann Microsoft die Arbeitszeiten als Standard umsetzen wird. „Im Sinne eines Wachstums-mindsets suchen wir immer nach neuen Möglichkeiten der Innovation und wo wir den Hebel an unserer Technologie ansetzen müssen, um die Bedingungen für unsere Mitarbeiter rund um den Globus zu verbessern“, sagt ein Unternehmenssprecher.
Allerdings war Microsoft nicht der Pionier dieses Experiments. Schon 2018 wagte der neuseeländische Perpetual Guardian den Schritt, seinen 240 Angestellten einen freien Tag pro Woche mehr zu gönnen und wurde mit ähnlichen Ergebnissen wie Microsoft Japan belohnt.
Fazit:
Wenn ein Unternehmer darüber nachdenkt, versuchsweise eine Vier-tage-arbeitswoche einzuführen und gar den Mut hat, die Tages-arbeitszeit auf sechs Stunden zu setzen, darf er das Experiment ohne Bauchschmerzen wagen. Sollte er noch dazu in Erwägung ziehen, diese Arbeitszeiten ohne Gehaltseinschränkungen als Standard einzuführen, darf er sich sicher sein, dass das im Wettbewerb um den Gewinn und das Halten gut ausgebildeter Fachkräfte ein Top-argument darstellt.
»Arbeite kurze Zeit, erhol dich gut und lerne viel. Ich möchte, dass die Arbeitnehmer über die Erfahrung nachdenken, wie sie dieselben Ergebnisse in 20 Prozent weniger Arbeitszeit hinkriegen.« – Takuya Hirano, CEO Microsoft Japan