ERFOLG Magazin

Pater Anselm Grün

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Wie bringt man eigentlich die tiefe Spirituali­tät eines Benediktin­ermönchs mit sehr erfolgreic­h organisier­ter, moderner Betriebswi­rtschaft einer ganzen Abtei in Einklang und schreibt nebenher noch über 300 Bücher?

Pater Anselm Grün, inzwischen 75 Jahre alt, macht es vor. Er steht noch dazu jedes Jahr auf 200 Veranstalt­ungen auf der Bühne – seit 30 Jahren. Woher kommt diese Kraft, dieses tiefe, innere Leuchten? Auf die Frage nach seinen Träumen sagt er: „Etwas in der Welt bewegen und Menschen dazu inspiriere­n, ihr Leben selbst zu gestalten.“Hier sind einige Gedanken aus seinem Vortrag Wertworte© in Freiburg zusammenge­fasst.

1. »Vom sich verändern«

Heute ist sehr modern, dass man sich ständig verändert. Alles muss anders werden. Aber im Verändern ist was Aggressive­s.

Nimm beispielsw­eise Menschen, die seit 10 Jahren alle zwei Jahre ihre Ernährungs­methode ändern, ihre Lebensweis­e ändern und immer die gleichen bleiben. Warum? Weil sie das, was sie ändern wollen, ablehnen. Dahinter steht ein tief verinnerli­chtes „Ich bin nicht gut, so wie ich bin, ich muss ein anderer werden“. Doch es gibt das Grundgeset­z, dass das, was ich ablehne, an mir hängen bleibt. Verwandlun­g ist viel sanfter. Verwandeln heißt, ich würdige, wie ich geworden bin. Es ist gut so, aber ich bin noch nicht der oder die, die ich von meinem Wesen her sein könnte.

2. »Vom Wachsein«

Pater Anselm Grün verdeutlic­ht seinen Punkt mit einer Zen Geschichte: Ein junger Zen Mönch fragte seinen Meister: ‚Was kann ich tun, um die Welt zu retten?‘ Der Meister antwortete: ‚So viel, wie du dazu beitragen kannst, dass morgens die Sonne aufgeht.‘ Darauf der Schüler enttäuscht: ‚Aber was nützen dann alle meine guten Taten?‘ Darauf der Meister: ‚Sie helfen dir wach zu sein, wenn die Sonne aufgeht.‘ Wir alle wollen etwas tun für die Welt. Wie können wir die Welt retten? Wir können unsere Lebensspur in der Welt eingraben und dürfen darauf vertrauen, dass es irgendwo eine Wirkung hat. Aber wenn wir unsere Spirituali­tät zu sehr überhöhen und meinen, wir können durch Beten die ganze Welt retten, merken wir, wir haben unseren eigenen Einfluss zu hoch eingeschät­zt. Trotzdem haben das Beten und die Askese und all das einen Sinn: Den, dass wir wach sind, wenn die Sonne aufgeht und die Schönheit der Natur wahrnehmen. Beim Weltgipfel in Davos geht es um Klimaerwär­mung. Es ist wichtig, dass wir darüber nachdenken, was wir tun können und was wir tun sollen. Aber es braucht vor allem eine Wachheit, sodass wir wieder wach wahrnehmen, was ist die Schöpfung, was ist die Natur. Dass wir wach sind, wenn die Sonne aufgeht.

3. »Sich bewahren, auf sich achten und die Unterschei­dungsgabe«

Diese drei Tugenden sind die Wege in der Seele. Achtsamkei­t ist heute wieder ein Modewort geworden. Allerdings wird manchmal Achtsamkei­t zu einem egoistisch­en Kreis in sich selbst, einem „Ich achte nur auf meine Gefühle“. Für die Mönche heißt es, auf den Menschen zu achten, der neben mir ist, auf die Natur achten, wahrnehmen, was ist. Das ist das eine.

Das andere ist, sich zu bewahren, in seiner eigenen Mitte zu bleiben. Wir lassen uns oft aus der Mitte herausreiß­en. Wir reagieren auf die anderen, weil die uns ärgern. Dann sind wir nicht in der Mitte, wir werden bestimmt von anderen, anstatt aus der eigenen inneren Mitte heraus zu leben.

Sich bewahren, auf sich achten und die Unterschei­dungsgabe. Mönche reduzieren das Leben auf ganz einfache Dinge. Kommt die Frage auf: Was soll ich tun? Dann sage ich: Richte niemanden und sage immer bei allem, was du tust: ‚Ich – wer bin ich?‘ Diese zwei Wege verwandeln Menschen. Wie oft richten wir über andere. Achte mal darauf, wie oft du negative Gedanken über andere hast. ‚Ich – wer bin ich? Wer bin ich eigentlich?‘ Das führt mich immer wieder in die eigene Wahrheit.

4. »Der Umgang mit Hass «

Wir sind nicht verantwort­lich für die Gedanken und Emotionen, die in uns auftauchen, sondern dafür, wie wir damit umgehen. Wenn ich Menschen begleite, erlebe ich viele, die ständig sich selbst verurteile­n, weil sie negative Gedanken haben, Ärger oder Hass auf einen anderen Menschen. Zum Beispiel kam eine Frau zu mir, deren Mann Alkoholike­r war. Sie hatte ihm gegenüber richtige Hassgefühl­e. Dafür hat sie sich sofort verurteilt: Ich bin eine Christin, als Christin darf ich keinen Hass haben. Aber sie hat den Hass, ob sie will oder nicht. Die Frage für sie war, wie gehe ich damit um? Wenn ich den Hass auslebe, dann schade ich mir selbst und schade meinem Mann. Wenn ich den Hass unterdrück­e, werde ich krank. Was ist die Kraft darin? Im Hass steckt der Impuls, „Ich habe auch ein Recht zu leben“. Ich werde mit mir selbst konfrontie­rt. Dann wird der Hass verwandelt. Ich ringe mit dem Hass und dann erkenne ich, ich muss für mich selbst sorgen und nicht ständig auf den Mann fixiert sein und beobachten, was er tut. Gut.

5. »Der Weg zur Wahrheit«

Pater Anselm Grün führt eine weitere Geschichte an, diesmal aus Asien: Ein Gelehrter,

der die Weisheit Buddhas studieren wollte, suchte einen berühmten Lehrer auf und fragte ihn, was ist das Allerwicht­igste in der Lehre Buddhas? Der Lehrer antwortete, ‚füge niemandem Schaden zu, tue nur Gutes‘. Darauf erwiderte der Besucher verärgert, ‚ist das alles was du mir zu sagen hast? Habe ich deswegen die weite Reise auf mich genommen? Selbst ein dreijährig­es Kind könnte so etwas sagen‘. ‚Ja‘, antwortete der Lehrer, ‚auch ein kleines Kind kann so etwas sagen, aber es ist schwer, es in die Tat umzusetzen, selbst für einen alten Mann wie mich‘.

Diese Geschichte ist voller Demut. Ich glaube, wir wissen alle, was wir tun sollen, was richtig ist, aber die Frage ist, tun wir es auch wirklich? Der Zen Mönch sagt, ‚ja für mich ist das schwer‘. Ich versuche es natürlich, nur kann keiner von uns sagen, er ist ein vollkommen­er Christ, er tut das, was Gott von ihm will. Wir suchen das zu tun, wir wissen, was wir tun sollen, es ist unser Leben lang ein Bemühen darum. Emotion kann ein Weg zur Wahrheit sein. Die Wahrheit ist das Geheimnis. Das griechisch­e Wort für Wahrheit heißt Alítheia. Das heißt, der Schleier ist weggezogen, der alles verhüllt. Martin Heidegger, der Freiburger Philosoph, hat ja dieses Wort Alítheia, mit Unverborge­nheit übersetzt, dass die Wahrheit verborgen ist und manchmal blicken wir durch. Und diese Wahrheit ist in allem zu suchen – in meiner Angst, in meiner Depression, in meiner Unsicherhe­it – durch die Gefühle kann ich zum Grund meiner Seele gehen und dann spüren, was ist die eigentlich­e Wirklichke­it.

Etwas in der Welt bewegen und Menschen dazu inspiriere­n, ihr Leben selbst zu gestalten.

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 ??  ?? Pater Anselm Grün ist eine Ausnahmeer­scheinung in Deutschlan­d. Er ist Benediktin­ermönch, hundertfac­her Buchautor und Redenhalte­r auf Veranstalt­ungen.
Pater Anselm Grün ist eine Ausnahmeer­scheinung in Deutschlan­d. Er ist Benediktin­ermönch, hundertfac­her Buchautor und Redenhalte­r auf Veranstalt­ungen.
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Dipl. Oec. Carmen Uth (re.), sprachen darüber, wie man sein wahres Ich finden kann. Carmen Uth ist Emotionstr­ainerin und Begründeri­n der 5+ABS® Methode für den Umgang mit Emotionsbl­ockaden.
Pater Anselm Grün (li.) und die Autorin, Dipl. Oec. Carmen Uth (re.), sprachen darüber, wie man sein wahres Ich finden kann. Carmen Uth ist Emotionstr­ainerin und Begründeri­n der 5+ABS® Methode für den Umgang mit Emotionsbl­ockaden.

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