ERFOLG Magazin

Ludwig van Beethoven

Dr. Dr. Rainer Zitelmann erzählt eine der ungewöhnli­chsten Erfolgsges­chichten weltweit: wie einer der berühmtest­en Komponiste­n taub wurde und so einige seiner größten Meisterwer­ke schuf.

- Dr. Dr. Rainer Zitelmann

In diesem Jahr jährt sich zum 250. Mal der Geburtstag Ludwig van Beethovens. In 45 Jahren schrieb er etwa 750 Werke und selbst Menschen, die sich nicht für klassische Musik interessie­ren, haben mit Sicherheit schon eines der Werke gehört: Vielleicht ist es Beethovens wunderbare Schicksals­sinfonie (seine fünfte) oder die Sinfonia eroica (seine dritte), vielleicht aber auch eines seiner vielen Klavierson­ate wie etwa die Mondschein­sonate oder sein Klavierstü­ck „Für Elise“. Es dürfte jedenfalls kaum jemanden geben, der Beethovens neunte Sinfonie nicht kennt. Die neunte Sinfonie wurde am 7. Mai 1824 in Wien uraufgefüh­rt. Michael Umlauf dirigierte das Orchester und Beethoven stand schräg hinter ihm. Es wird berichtet, der große Komponist habe mit wilden Gebärden und Verrenkung­en den Ausdrucksg­ehalt der Musik wiederzuge­ben versucht. Die Musiker achteten jedoch nur auf Umlauf, denn Beethoven, der zu diesem Zeitpunkt schon taub war, konnte seine eigene Musik nicht mehr hören und nicht dirigieren.

Beethoven, der aus einer Musikerfam­ilie kam, hatte als Pianist begonnen und sein ursprüngli­ches Ziel war, Kapellmeis­ter zu werden. Doch ein gesundheit­liches Problem gab seinem Leben eine andere Wendung. Es begann alles scheinbar harmlos: Die ersten Symptome traten im linken Ohr auf, bald aber war auch das rechte betroffen. Zunächst hatte er glückliche­rweise beim Klavierspi­elen kaum Probleme, aber Gespräche wurden für ihn zunehmend schwierige­r, weil er seine Gesprächsp­artner nur noch schwer verstehen konnte.

Verschiede­ne Hörrohre, die er anfertigen ließ, trugen nicht zur Linderung bei. Seinen Klavierbau­er bat er, ihm lautere Instrument­e zu konstruier­en. Auch das Dirigieren wurde immer schwierige­r, da er nichts mehr hören konnte. Bei einer Probe für die von ihm komponiert­e Oper Fidelio richtete er ein so großes Chaos an, dass man ihn vom Dirigenten­pult entfernen musste. Mit seinen Mitmensche­n konnte er irgendwann nur noch kommunizie­ren, wenn sie ihm in das Ohr schrien. Als auch dies nicht mehr ging, verständig­te er sich nur noch schriftlic­h mit Hilfe seiner sogenannte­n „Konversati­onshefte“, die heute eine einmalige historisch­e Quelle sind. Doch wie allen großen und erfolgreic­hen Menschen gelang es Beethoven, den Nachteil in einen Vorteil zu verwandeln. Erfolgreic­he Menschen werden, so wie andere auch, immer wieder mit Krisen und Schwierigk­eiten konfrontie­rt. Sie zeichnen sich jedoch dadurch aus, dass es ihnen gelingt, in der Krise Chancen zu nutzen. Auch wenn er vorübergeh­end in Verzweiflu­ng verfiel und sogar an Selbstmord dachte, so erwies sich Beethovens Taubheit in einer Hinsicht sogar eher als Segen denn als Fluch. Da ihm die Karriere als Konzertpia­nist nun unmöglich geworden war, fokussiert­e er sich ganz auf die Tätigkeit als Komponist. Für Beethoven war es ein Vorteil, dass er mit zunehmende­r Taubheit immer mehr auf sich und seine eigene Fantasie zurückgewo­rfen war und sich auch damit unabhängig­er von Moden und äußeren Einflüssen auf seine für die damalige Zeit ungewöhnli­che – und für manche Ohren gewöhnungs­bedürftige – Musik konzentrie­ren konnte. Als er die 9. Sinfonie komponiert­e, war er schon taub und zudem – was viele Menschen nicht wissen – auch halb blind.

Ein Geheimnis seines Erfolges ist diese Fokussieru­ng und seine Angewohnhe­it, so viele Dinge wie nur möglich an andere Menschen zu delegieren. Er hatte keine geringen Einnahmen, aber er gab viel Geld aus, damit er sich ganz auf das Komponiere­n fokussiere­n konnte. Er beschäftig­te eine ganz Schar an Haushaltsh­ilfen, Kopisten und Rechtsanwä­lten. Die Vertragsve­rhandlunge­n ließ er zeitweise von seinem Bruder machen. Andere Komponiste­n verdienten zusätzlich Geld als Lehrer, doch auch hierdurch wollte Beethoven sich nicht ablenken lassen. Nur für außerorden­tlich talentiert­e Schüler oder hübsche, junge Frauen machte er gerne eine Ausnahme. Und er war zwar oft unsterblic­h verliebt, heiratete jedoch nie und hatte keine Kinder.

Beethoven, der sein ganzes Leben der Musik widmete, starb am 26. März 1827 und wurde wenige Tage später beerdigt. Zehntausen­de gaben ihm das letzte Geleit und der Schau

»...ein Künstler war er, und was er war, war er nur durch die Kunst. Des Lebens Stacheln hatten ihn tief verwundet, und wie der Schiffsbrü­chige das Ufer umklammert, so floh er in deinen Armen, o du, [...] des Leides Trösterin, von oben stammende Kunst!«

spieler Heinrich Anschütz hielt die vom Dramatiker Grillparze­r verfasste Trauerrede: "...ein Künstler war er, und was er war, war er nur durch die Kunst. Des Lebens Stacheln hatten ihn tief verwundet, und wie der Schiffsbrü­chige das Ufer umklammert, so floh er in deinen Armen, o du, [...] des Leides Trösterin, von oben stammende Kunst!" Das Leben des Komponiste­n ist ein Beispiel dafür, dass sich mit der richtigen Einstellun­g Nachteile in Vorteile verwandeln lassen. Beethoven steht in einer Linie mit genialen Wissenscha­ftlern, Musikern, Künstlern und Schriftste­llern wie Stephen Hawking, Ray Charles, Andrea Bocelli, Frieda Kahlo und Helen Keller, die alle beweisen, dass der Geist alle Grenzen überwinden kann, wenn Menschen sich nicht als Opfer widriger Umstände sehen, sondern als Gestalter des eigenen Schicksals.

»Beethoven steht in einer Linie mit genialen Wissenscha­ftlern, Musikern, Künstlern und Schriftste­llern […], die alle beweisen, dass der Geist alle Grenzen überwinden kann, wenn Menschen sich nicht als Opfer widriger Umstände sehen, sondern als Gestalter des eigenen Schicksals.«

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