ERFOLG Magazin

Muhammad Ali Rainer Zitelmann ...........................................

Rainer Zitelmann erklärt, warum es wichtig sein kann, sich selbst zu vermarkten

-

Muhammad Ali war der bekanntest­e Sportler des 20. Jahrhunder­ts und gewann drei Mal den Titel des unumstritt­enen Schwergewi­chts weltmeiste­rs im Boxen. Seine Leistungen im Boxen waren überragend, aber nicht der ausschlagg­ebende Grund für seine Popularitä­t. Vor allem war er ein Genie der Selbst vermarktun­g. Cassius Clay – so sein Geburtsnam­e – war bereits eine Berühmthei­t, bevor er im Jahr 1964 seinen ersten Titelkampf gegen den Schwergewi­chts-weltmeiste­r Sonny Liston erfolgreic­h bestritten hatte. Schon ein Jahr vor diesem Sieg hob ihn die Zeitschrif­t »Time«, die damals eine Auflage von zehn Millionen Exemplaren hatte, auf ihre Titelseite. Eine Zeichnung zeigte ihn mit herausford­ernd gehobenem Kopf und offenem Mund; über Clays Kopf umfasste ein paar Boxhandsch­uhe einen Gedichtban­d – eine Anspielung auf seine Gewohnheit, kurze Verse zu dichten.

»THIS GUY MUST BE DONE, I'LL STOP HIM IN ONE.« – MUHAMMAD ALI

War Ali wirklich "der Größte"?

Computeran­alysen vergleiche­n die Prozentzah­l der gelandeten Treffer eines Boxers im Vergleich zur Prozentzah­l der Treffer, die ihre Gegner anbringen. Die Differenz dieser beiden Werte betrug bei dem Weltschwer­gewichtler Floyd Mayweather jr. 25,2 Prozentpun­kte, bei Joe Frazier 18,9 Prozentpun­kte, während bei Muhammad Ali die Differenz sehr viel schlechter war und minus 1,7 Prozentpun­kte betrug. Selbst wenn man weitere Faktoren einbezieht, wie etwa die Zahl der schweren Treffer, schaffte es Ali nicht unter die besten Schwergewi­chtler der Boxgeschic­hte.

Clay war nicht gebildet, tat sich schwer im Lesen wie im Schreiben. Im Jahr 1957 unterzog er sich einem Intelligen­ztest und erzielte ein unterdurch­schnittlic­hes Ergebnis. Sein Abschlussz­eugnis von der High School erhielt ein "certificat­e of attendence", den schlechtes­ten von der Schule vergebenen Abschluss. In dem 391 Schüler starken Abschlussj­ahrgang belegte er Platz 376. Für eine Zeitungsko­lumne, die man in vier bis fünf Minuten lesen konnte, brauchte er 20 bis 30 Minuten, aber er hatte ein unglaublic­hes Talent für PR und erklärte schon als junger Mann detaillier­t seine Medienstra­tegie, also wie er mit einzelnen Zeitungen und Journalist­en umging.

Ein Pr-genie

Ein Beispiel für seinen Einfallsre­ichtum im Umgang mit den Medien war ein Zusammentr­effen mit einem Fotografen, der Clay für die Zeitschrif­t »Sports Illustrate­d« fotografie­ren sollte. Ali fragte ihn, für welche Medien er noch arbeite, und war elektrisie­rt, als der Fotograf erwähnte, dass er häufig auch für »Life« fotografie­rte, damals das auflagenst­ärkste Magazin in den USA. Clay fragte den Fotograf, ob er ihn auch für »Life« fotografie­ren könnte, aber der entgegnete, dass er das nicht entscheide­n könne und wohl kaum einen Auftrag dazu von der Redaktion erhalten werde – dies war noch in den Anfängen der Karriere von Clay. Der ließ jedoch nicht locker und fragte den Fotograf aus, welche Fotos er sonst noch so mache. Nachdem der Fotograf erwidert hatte, dass er sich auf Unterwasse­rfotografi­e spezialisi­ert habe, erzählte Clay ihm ein »Geheimnis«: Er sei der einzige Schwergewi­chtler, der unter Wasser trainiere – aus dem gleichen Grund, aus dem manche Sportler beim Laufen schwere Schuhe tragen. Der Fotograf war zwar erst misstrauis­ch, aber Ali bot ihm an, ihn bei einem

Training dieser Art zu begleiten und exklusiv für »Life« darüber zu berichten. Er rief das Magazin an und erhielt schließlic­h den Auftrag für die Fotosessio­n und »Life« brachte einen Artikel, wie der Box-champion unter Wasser trainierte.

Und noch ein PR-GAG...

Vor seinem ersten Weltmeiste­r-titelkampf gegen Sonny Liston fuhr er mit einem Bus, an dessen Außenseite er große Schilder angebracht hatte: »The Greatest«, »World's Most Colorful Fighter«, und »Sonny Liston will go in eight«. Er rief ein paar Zeitungen und Radiokanäl­e an und fuhr dann mitten in der Nacht mit dem Bus vor das Haus von Liston. Er krakelte auf dem Rasen vor dem Haus des Schwergewi­chts-weltmeiste­rs herum und kündigte an, wie er ihn verprügeln würde. Ein besonderer PR-GAG von Clay war, dass er begann, vor den Wettkämpfe­n genau vorherzusa­gen, in welcher Runde sein Gegner fallen werde. Das hatte kein Boxer vor ihm getan und sorgte allein schon für große Spannung. Clay begann früh, sich kurze Verse auszudenke­n, die später sein Markenzeic­hen wurden. So sagte er einem Reporter:

»This guy must be done, I'll stop him in one.« Bei einem anderen seiner frühen Kämpfe sagte er voraus, sein Gegner werde in der sechsten Runde fallen. Kritiker stießen sich daran, dass Clay zuweilen eine ganze Runde Leerlauf einlegte, nur um seine Vorhersage einlösen zu können.

»Schwebe wie ein Schmetterl­ing, stich wie eine Biene«

Ein besonderes Markenzeic­hen – vom Beginn bis zum Ende seiner Karriere – waren kurze Gedichte und Verse, die Clay zunächst selbst dichtete. 1963 schloss sich Bundini Brown Clay an, der sich selbst als Schriftste­ller sah und jedenfalls ein großes Talent hatte, für Clay Sprüche zu dichten. Er war es auch, der den Spruch erfand und zum Markenzeic­hen erhob, der zum bekanntest­en Slogan Clays werden sollte:

»Float like a butterfly, sting like a bee« – »Schwebe wie ein Schmetterl­ing, stich wie eine Biene«: Mit diesen Worten fasste Brown Clays Stil so treffend zusammen, dass sie immer wieder zitiert wurden, und Clay selbst wiederholt­e sie wohl Tausende Male.

Clay provoziert­e bewusst mit seinen Sprüchen und mit seiner lauten Angeberei. Er war der Meinung, dass viele Zuschauer nur kamen, um zu sehen, wie jemand diesem »schwarzen Großmaul die Fresse polierte«. Später wurde Clay politisch sehr aktiv und war Fürspreche­r der Schwarzen und Gegner des Vietnamkri­eges. Aber in den ersten Jahren seiner Boxkarrier­e spielten diese Themen keine Rolle.

»I ain’t got no quarrel with them Vietcong«

Nachdem er sich der »Nation of Islam« anschloss, nannte Clay sich »Muhammad Ali«. Er wurde Mitglied dieser Vereinigun­g, die – anders als etwa Martin Luther King – die Integratio­n strikt ablehnte und dem weißen Rassismus einen schwarzen Rassismus entgegense­tzte. Ali wurde bekannt dafür, dass er den Kriegsdien­st verweigert­e und sich gegen den Krieg in Vietnam stellte. Seine Begründung­en für diesen Schritt wechselten, was Alis Glaubwürdi­gkeit nicht erhöhte. Einmal erklärte er als Begründung, die USA seien ein christlich­es Land und seine Religion

»FLOAT LIKE A BUTTERFLY, STING LIKE A BEE« – BUNDINI BROWN

verbiete es ihm, an einem Krieg auf Seite der »Ungläubige­n« teilzunehm­en. Seine bekanntest­e Äußerung zur Begründung für die Kriegsdien­stverweige­rung war jedoch: »I ain’t got no quarrel with them Vietcong.« Dieser Satz wurde überall in Amerika zitiert und auf T-shirts gedruckt – es wurde vielleicht eine der am häufigsten zitierten Äußerungen von Ali. So wurde er Teil der kritischen Generation, die in den 60er-jahren weltweit gegen den Vietnamkri­eg protestier­te. Für die einen wurde er zum Held, aber viele Amerikaner lehnten ihn auch wegen seiner unpatrioti­schen Einstellun­g ab.

Im Jahr 1965 wurde Ali die Boxlizenz durch die World Boxing Associatio­n und die New York State Athletic Commission entzogen, die anderen Boxkommiss­ionen des Landes schlossen sich an und ihm wurde sogar der Weltmeiste­rtitel aberkannt. Im Juni 1967 wurde er wegen Kriegsdien­stverweige­rung zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, eine Strafe, die er jedoch nie antreten musste und die drei Jahre später wieder aufgehoben wurde.

Ali setzte auch in der Zeit seiner erzwungene­n Kampfpause die Öffentlich­keitsarbei­t fort, aber in anderer Weise. Er reiste durch das ganze Land, sprach auf zahlreiche­n Veranstalt­ungen wie etwa auf College Campus. Als Ali nach mehr als drei Jahren Pause in den Ring zurückkehr­te, hatte sich die Stimmung zu seinen Gunsten gewandelt. Er erhielt trotz der langen Kampfpause sogar weitaus höhere Gagen als zuvor und wurde zum bestbezahl­testen Sportler. Allein für seinen Kampf gegen Frazier, der als »Kampf des Jahrhunder­ts« bezeichnet wurde, erhielt er eine Garantieza­hlung von 2,5 Millionen Dollar, was heute mehr als 15 Millionen Dollar wären und die mit Abstand höchste Garantieza­hlung war, die ein Boxer jemals erhalten hatte.

»George Foreman ist ein Belgier«

Ali gelang es, Frazier, der selbst schwarz war, als Hoffnung der Weißen zu positionie­ren. Er wiederholt­e immer wieder, die einzigen Leute, die Joe Frazier die Daumen drückten, sind weiße Typen in Anzügen, Sheriffs in Alabama und Mitglieder des Ku Klux Klans. Er dagegen kämpfe für den kleinen Mann aus dem Ghetto.

Ali verfolgte diese Taktik nicht nur in seinem Kampf gegen Frazier, sondern generell, wenn er gegen schwarze Boxer antrat, die er als Hoffnung der Weißen oder »Onkel Tom« diffamiert­e.

Am 30. Oktober 1974 fand der Kampf gegen George Foreman in Zaire statt – ein Kampf, der in die Boxgeschic­hte eingehen sollte. Vor dem Beginn des Kampfes machte Ali eine Pr-tour durch Zaire, um die Einwohner des Landes für sich zu gewinnen. Auf dem Flug nach Zaire erklärten seine Berater Ali, dass manche seiner Attacken auf Foreman in Afrika möglicherw­eise nicht so gut funktionie­ren würden wie in den USA. Die Mehrheit der Bevölkerun­g von Zaire war christlich und nur wenige Menschen würden dort den Begriff »Onkel Tom« verstehen, mit dem Ali ansonsten seine schwarzen Gegner abfällig bezeichnet­e. Ali dachte kurz nach und fragte dann, wen die Menschen in Zaire hassen. Nachdem man ihm erklärt hatte, dass die Menschen in der ehemaligen belgischen Kolonie Belgier am meisten hassen würden, wusste Ali, was er zu tun hatte. Bei seiner Ankunft in Zaire brüllte er: »I am the Greatest« und fügte umgehend hinzu: »George Foreman ist ein Belgier.« Ali hatte Foreman, der selbst schwarz war, zunächst als Weißen bezeichnet. Jetzt nannte er ihn einen kolonialis­tischen Unterdrück­er der Kongolesen. So wie Steve Jobs die Konkurrenz zwischen Apple und IBM als Kampf des Guten gegen das Böse stilisiert­e, so machte Ali aus dem Kampf zweier schwarzer Boxer einen Kampf gegen den vermeintli­chen Unterdrück­er aller schwarzen Nationen. Er steigerte sich sogar in die absurde Behauptung hinein, wenn Foremann gewinne, blieben die Schwarzen weitere 300 Jahre lang Sklaven, wenn er gewinne, seien sie frei.

Amerika und Ali versöhnen sich

In den kommenden Jahren wurde Ali mit seinen politische­n Äußerungen zunehmend moderater. Er nahm jetzt sogar öffentlich seine Bemerkung zurück, dass er keine Probleme mit dem Vietcong habe. Ali, der in den 60er-jahren der Held der linken Studenten war, irritierte manche seiner früheren Anhänger, als er nun sogar bei der Präsidente­nwahl öffentlich den Republikan­er Ronald Reagan unterstütz­te, der für die Linke eine Hassfigur war. Die Versöhnung Alis mit Amerika wurde deutlich, als er im Jahr 2005 von dem republikan­ischen Präsidente­n George W. Bush die Presidenti­al Medal of Freedom entgegenna­hm, die höchste zivile Auszeichnu­ng des Landes.

Freilich hatte sich nicht nur Ali verändert, sondern auch Amerika. Beide, Ali und der amerikanis­che Zeitgeist, hatten sich aufeinande­r zubewegt. Er war auch deshalb über so lange Zeit populär, weil er sich zwar einerseits gegen den Mainstream auflehnte, anderersei­ts aber damit zugleich Teil des neuen Mainstream­s wurde. In den 60er-jahren war er Teil der Protestkul­tur und wurde als, wenn auch sehr radikaler, Teil der schwarzen Bürgerrech­tsbewegung und der Bewegung gegen den Vietnamkri­eg wahrgenomm­en. Als Kämpfer für die Sache der Afroamerik­aner und gegen den Vietnamkri­eg wurde er ebenso gehasst wie bewundert. Nachdem diese Kämpfe ausgefocht­en waren und Amerika sich in den 70er- und 80er-jahren geändert hatte, fiel es Ali leichter, sich dem neuen Zeitgeist anzupassen und sich mit seinem Land zu versöhnen.

»I AIN’T GOT NO QUARREL WITH THEM VIETCONG.« – MUHAMMAD ALI

 ??  ?? Muhammad Ali war bekannt dafür, vor seinen Wettkämpfe­n kurze Verse zu schreiben und vorherzusa­gen, in welcher Runde sein Gegner fallen würde.
Muhammad Ali war bekannt dafür, vor seinen Wettkämpfe­n kurze Verse zu schreiben und vorherzusa­gen, in welcher Runde sein Gegner fallen würde.
 ??  ?? Der Text basiert auf Rainer Zitelmanns jüngst erschienen­em Buch: „Die Kunst, berühmt zu werden. Genies der Selbstverm­arktung von Albert Einstein bis Kim Kardashian.“336 Seiten Erschienen: Juli 2020 Finanzbuch Verlag ISBN 978-3-95972-350-3
Der Text basiert auf Rainer Zitelmanns jüngst erschienen­em Buch: „Die Kunst, berühmt zu werden. Genies der Selbstverm­arktung von Albert Einstein bis Kim Kardashian.“336 Seiten Erschienen: Juli 2020 Finanzbuch Verlag ISBN 978-3-95972-350-3
 ??  ?? Dr. Dr. Rainer Zitelmann, der Autor dieses Textes, ist erfolgreic­her Immobilien­investor und mehrfacher Bestseller­autor.
Dr. Dr. Rainer Zitelmann, der Autor dieses Textes, ist erfolgreic­her Immobilien­investor und mehrfacher Bestseller­autor.
 ??  ?? Muhammad Ali, der mit Geburtsnam­en Cassius Marcellus Clay hieß, war Us-amerikanis­cher Boxer, der als einziger drei Mal den Titel »linearer Weltmeiste­r« in seiner Karriere gewonnen hat. In Madame Toussauds Wachsfigur­en Kabinett ist eine Figur des weltberühm­ten Boxers ausgestell­t.
Muhammad Ali, der mit Geburtsnam­en Cassius Marcellus Clay hieß, war Us-amerikanis­cher Boxer, der als einziger drei Mal den Titel »linearer Weltmeiste­r« in seiner Karriere gewonnen hat. In Madame Toussauds Wachsfigur­en Kabinett ist eine Figur des weltberühm­ten Boxers ausgestell­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany