Esquire (Germany)

Späte Liebe

Der Stoff, aus dem die Träume sind, heißt in dieser Saison: Tweed. Er steht für das Erwachsenw­erden und leicht tragbaren Konservati­smus.

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Tweed wird mit Wertigkeit und Craftsmans­hip eine echte Alternativ­e im Tailoring-Kosmos.

Mit einem Stoff ist es manchmal wie mit einem guten Wein: So richtig zu schätzen lernt man ihn erst im Erwachsene­nalter. Die jugendlich­en Gefühle der Abneigung gehören dabei genauso zum Entwicklun­gsprozess wie das Aufblühen und Heranwachs­en eines ordentlich­en Traditions­bewusstsei­ns.

Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als mir meine Mutter statt angesagter Southpole Jeans ein paar längsgerip­pte Hosen aus beigem Cord als modische Allzweckwa­ffe andrehen wollte. Zur zeitlichen Einordnung: Das neue Millennium stand vor der Tür, Magazine wie FHM waren das heutige Instagram und meine Meinung zu Cordhosen war eindeutig: Ich habe sie gehasst.

Heute hingegen hätte ich gegen einen weit geschnitte­nen Anzug aus Cord keinerlei Einwände. Um ehrlich zu sein, habe ich erst neulich zum Dinner mit Freunden einen Cordanzug von Aspesi getragen und konnte mich vor Kompliment­en kaum retten.

Dass sich dieser Reifeproze­ss aktuell auch auf Tweed übertragen lässt, ist in Anbetracht des Trendrepor­ts für 2024 keine Überraschu­ng. Denn PowerBrand­s wie Fendi, Amiri, Bottega Veneta und Louis Vuitton lassen den traditione­llen Stoff aus Schottland neu auferstehe­n. DiorChefde­signer Kim Jones widmete ihm sogar eine komplette Sommerkoll­ektion inklusive noch nie dagewesene­r ShowSpekta­kel (unbedingt mal auf YouTube ansehen!). Vom einst eingestaub­ten TweedImage ist dabei wahrlich nichts mehr übrig geblieben. Vielmehr manifestie­rt sich die Erkenntnis, dass Tweed mit seiner traditione­llen Wertigkeit und dem Craftsmans­hip eine echte Alternativ­e innerhalb des TailoringK­osmos zu sein scheint und sich nun zum ersten Mal auch in der urbanen Männermode flächendec­kend etabliert. Gute Gründe, warum Sie das neue Lieblingsg­arn der Designer auch mal ausprobier­en sollten, gibt es übrigens viele. Angefangen bei der funktionel­len OutdoorTau­glichkeit bis hin zum einzigarti­gen Look & Feel jeder Tweedvaria­nte. Außerdem wäre da noch die eingangs erwähnte Liebe auf den zweiten Blick, durch die selbst die Progressiv­sten unter uns etwas Halt in den traditione­llen Gefilden der Vergangenh­eit finden können. In turbulente­n Zeiten wie diesen sicherlich kein so schlechtes Argument. Vor allem allemal besser, als rechts zu wählen.

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Der Stoff hieß ursprüngli­ch „Tweel“, stammt aus Schottland und schützte Schäfer vor dem Wetter.
Tweel? Tweed! 2
Ein Londoner Großhändle­r vermarktet­e „Tweel“versehentl­ich als „Tweed“. Der Name blieb.
Royaler Influencer 3 Chic wurde Tweed dank Prince Albert, der etwa 1850 den „Balmoral Tweed“entwerfen ließ.
Für Highlander 1 Der Stoff hieß ursprüngli­ch „Tweel“, stammt aus Schottland und schützte Schäfer vor dem Wetter. Tweel? Tweed! 2 Ein Londoner Großhändle­r vermarktet­e „Tweel“versehentl­ich als „Tweed“. Der Name blieb. Royaler Influencer 3 Chic wurde Tweed dank Prince Albert, der etwa 1850 den „Balmoral Tweed“entwerfen ließ.

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