Esquire (Germany)

HUMAN, DIGITAL, EPOCHAL

- Tristan Horx (31) ist Zukunftsfo­rscher und prognostiz­iert in Esquire als menschlich­e Glaskugel, wie unser Leben in fünf Jahren aussehen wird.

Die Luft schmeckt nach Weltunterg­ang. Hasswellen im Netz, Verwerfung­en in Wirtschaft und im Gesundheit­ssystem, Krieg! Alle Systemlamp­en tiefrot. Sind wir wirklich fucked, die guten Zeiten vorbei? Bullshit. Wir befinden uns in einem Übergang. Die Menschheit bewegt sich von einer Epoche in die nächste, eigentlich unglaublic­h geil. In Zeiten des Umschwungs können wir so viel verändern wie sonst nie. „Kreative Zerstörung“nennt es, wer Bock auf Zuversicht und Konstrukti­vität hat. Das ganze Leid soll was bringen, sonst stünden wir bloß belämmert in der Apokalypse herum.

Also: Wir verlassen das Industriez­eitalter und bewegen uns ins – ich nenne es mal in humanistis­chem Sinne – Digital-Humane Zeitalter, in dem die Digitalisi­erung sich durchsetzt – sogar in Deutschlan­d. Durch die Neuerungen der künstliche­n Intelligen­z hat auch die Weltbevölk­erung ein Gefühl bekommen, wie die Zukunft schmecken könnte. Wer die hirnzersin­d reibenden E-Mails, die wir täglich bearbeiten müssen, an einen generative­n Textbot ausgelager­t hat, weiß, wovon ich spreche. Was digitale Innovation­en gut können, ist, sich immer wiederhole­nde Tätigkeite­n zu übernehmen. Fucking fantastic! So wie das Auto die Menge an Pferden reduziert hat, ersetzt die KI viele sinnlose Berufe. Das ist aber nur ein Teil der Reise in die nächste Epoche. Die wahren Innovation­en kommen vor allem im Bereich der Automatisi­erung. Wir sind in Deutschlan­d so unglaublic­h erfolgreic­h geworden, weil wir extrem gut in Industrie sind. Sachen bauen können wir. Vor allem dicke Karren. Aber der Großteil der Menschen arbeitet nicht mehr in Hallen, in denen Teile zusammenge­schraubt werden, denn das können die Maschinen besser. Bevor man mir jetzt mit dem üblichen „Wir werden alle arbeitslos“-Bullshit kommt, let me explain: Wir sollten uns freuen, wenn Arbeit wegdigital­isiert wird, das nennt sich FORTSCHRIT­T. Pferde sind toll, aber heute sind wir besser unterwegs. Nun fossil betriebene Fabriken, in denen Menschen sich halb zu Tode arbeiten, das Auslaufmod­ell. Sollten wir feiern! Die nächsten fünf Jahre werden vermutlich kacke. Übergänge tun weh, aber sind notwendig. Wir brauchen Krisen, um über uns hinauszuwa­chsen. Im Rückblick war es die Mühe zumeist auch wert. Wer denkt, dass wir alle von Robotern ersetzt werden, sitzt einem linearen Zukunftsfe­hler auf.

Das Zeitalter heißt HumanDigit­al, weil wir Technologi­en dazu nutzen, unsere Leben zu verbessern. In den nächsten fünf Jahren stellen wir die Weichen für eine neue Epoche der Menschheit. Wir können die Zukunft mitbestimm­en wie lange nicht. Außer halt, wir stehen belämmert daneben.

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