„Zu alt? Gibt es nicht!“
Technisch ist es möglich, Organe außerhalb des Körpers zu durchbluten. Welche Chancen das bietet, erklärt der Transplantationschirurg Georg Lurje
Organe von Verstorbenen sind rar. Lässt sich der Mangel mit technischen Möglichkeiten kompensieren?
Die lange Warteliste ist das Hauptproblem der Transplantationsmedizin in Deutschland. Anders als in den meisten europäischen Ländern existiert weder eine Widerspruchslösung noch die Möglichkeit der Spende nach Herztod. Das ist die politische Seite. Medizintechnisch machen wir Fortschritte. Wir können Organe außerhalb des Körpers an eine Art künstliche Durchblutung anschließen. Das Verfahren nennt sich Maschinenperfusion. In der Charité praktizieren wir dies bei Niere und Leber.
Welche Vorteile bringt die Maschinenperfusion?
Auch Organe, die nicht von einem idealen Spender stammen, können anschließend transplantiert werden. Die Maschine spült die Niere oder Leber fünf Stunden lang etwa mit einer sauerstoffreichen Flüssigkeit. Das füllt die Energiereserven der Zellen auf und beseitigt Schadstoffe. Wenn die Organe für den Transport viele Stunden auf Eis liegen, schalten die Zellen in einen Notstoffwechsel. Die Perfusion wirft den Stoffwechsel wieder an und verbessert damit die Qualität der Spenderorgane erheblich. Das ist das eine Verfahren.
Was ist noch möglich?
Eine Art Probefahrt. Bei einer Perfusion mit Blut können wir zusätzlich testen, ob und wie gut das Organ bei Körpertemperatur funktioniert. Eine Niere produziert dann Urin. Bei der Leber sehen wir, wie gut sie durchblutet ist, und können im Ultraschall auch die Situation in den kleinen Gefäßen beurteilen. Jemand, der zehn Jahre gewartet hat, muss ein Organ bekommen, das gut arbeitet. Die Maschinenperfusion gibt uns da Sicherheit.
Zu alt zum Spenden ist damit kein Kriterium mehr?
Zu alt gibt es nicht. Die älteste Leber, die ich transplantiert habe, stammte von einem 93Jährigen. Mit der Möglichkeit zur Maschinenperfusion gilt das umso mehr. In Berlin setzen wir das Verfahren seit drei Jahren ein. Seither konnten wir die Anzahl der Leber und Nierentransplantationen steigern. Wir akzeptieren Organe, die andere Zentren ablehnen – und hatten dennoch vergangenes Jahr deutschlandweit eines der besten Ergebnisse beim Überleben der Patienten.
Welches Potenzial hat die Technik?
Enormes. Die Organe funktionieren mehrere Tage außerhalb des Körpers. In dieser Zeit kann man sie mit Medikamenten therapieren. Oder genetische Veränderungen vornehmen, die eine Abstoßung verhindern. Spenderorgane vom Schwein beispielsweise könnte man so modifizieren, dass das menschliche Immunsystem sie akzeptiert.