FOCUS Magazin

Von einer Blamage der SPD und einer posthumen Überraschu­ng durch Schäuble

-

IMontag

m Netz tobt eine Wertungsde­batte über das Fernsehdue­ll zwischen Mario Voigt (CDU) und Björn Höcke (AfD). Die Anhänger der beiden Lager sehen jeweils ihren Kandidaten als den erfolgreic­heren Redner.

Unabhängig vom Inhalt des Streitgesp­rächs gibt es zwei Gewinner und einen blamierten Verlierer.

Mario Voigt hat gewonnen, weil ihn jetzt jeder kennt. Mit seiner Initiative für die Fernsehsho­w hat er sich in Thüringen weit nach vorn gespielt.

In den bisherigen Zweikampf zwischen dem „Kommuniste­n“Bodo Ramelow und dem „Nazi“Höcke hat sich Voigt als konservati­ver Herausford­erer gedrängt. Dieser Schachzug ist geglückt.

Zweiter Sieger ist Welt TV. Der kleine Privatsend­er hat den 73-minütigen Wahlkampf übertragen und dadurch erstmals in seiner Geschichte mehr als eine Million Zuschauer eingesamme­lt. Diese Million ist das Ergebnis konvention­eller Messmethod­en.

Nicht mitgezählt sind diejenigen, die das Ereignis übers Internet verfolgten, weil sie es nicht schafften, Welt TV auf ihrem Fernseher zu finden. Zum Erfolg des Springer-Senders zählt auch die Tatsache, dass viele große Sender Ausschnitt­e übernahmen.

Der große Verlierer der Veranstalt­ung ist die SPD. Die Sozialdemo­kraten sind kläglich mit dem Versuch gescheiter­t, ihre Anhänger und das gesamte Publikum in Thüringen von dem TV-Duell fernzuhalt­en. Sie hingen ein großes Plakat auf mit der Empfehlung, lieber um diese Zeit einen Hollywoodf­ilm zu streamen. Auch mit einem Fernsehtip­p hatten sie wenig Erfolg. Sie warben für Heidi Klums „Germany’s Next Topmodel“. Inzwischen hat die SPD lernen müssen, dass die Thüringer sich mehr für das Pro und Contra der Parteien interessie­ren. Auch für die Positionen der AfD.

DDienstag

iesen Triumph kann Wolfgang Schäuble nicht mehr genießen: Die nach seinem Tod erschienen­e Biografie klettert auf den Bestseller­listen nach oben. Noch an seinem letzten Arbeitstag hat Schäuble daran geschriebe­n. Es ist ein spannendes, ehrliches Buch geworden. Mir geht es wie seiner Tochter Christine. Beim Lesen der Geschichte­n höre ich seinen Tonfall.

Wie es sich für ein solches Buch gehört, hat es auch ein Register.

Im Buch lässt sich nachzählen, dass Helmut Kohl mit Abstand am häufigsten erwähnt wird. Er bringt es auf gut 540 Nennungen und rangiert vor Angela Merkel, die etwa 160 Mal vorkommt.

Über das heikle Verhältnis zwischen Schäuble und seinem ewigen Chef Kohl ist mir auf Seite 359 eine Äußerung aufgefalle­n, die der loyale Schäuble zu Lebzeiten unterdrück­t hat. Manche werden sich daran erinnern, dass sein jüngerer Bruder Thomas, damals für die CDU Innenminis­ter in Baden-Württember­g, im Jahr 2000 ein auffällige­s Interview gegeben hat.

Thomas Schäuble sagte damals über den Altkanzler: „Ich verabscheu­e Herrn Kohl, und da kann ich für die ganze Familie sprechen.“

Sein Bruder leide darunter, dass nicht alles verdienstv­oll gewesen sei in den 16 Regierungs­jahren Helmut Kohls. Thomas Schäuble beschreibt, wie er „abgespeist worden“sei, als er im Auftrag seiner Schwägerin den Bundeskanz­ler über das Attentat habe informiere­n wollen. Wolfgang Schäuble hat das Interview seinerzeit nicht kommentier­t.

Jetzt, im Buch, lobt er es. Thomas’ „brüderlich­e Verbundenh­eit“und seine unverstell­te Unterstütz­ung habe ihn besonders bewegt.

 ?? ?? Spannungen In Wolfgang Schäubles Buch geht es viel um Konflikte mit Kanzler Helmut Kohl
Spannungen In Wolfgang Schäubles Buch geht es viel um Konflikte mit Kanzler Helmut Kohl
 ?? ?? Millionen-Erfolg Björn Höcke (AfD) und Mario Voigt (CDU) beim TV-Duell über Thüringen
Millionen-Erfolg Björn Höcke (AfD) und Mario Voigt (CDU) beim TV-Duell über Thüringen
 ?? ?? von Helmut Markwort
von Helmut Markwort

Newspapers in German

Newspapers from Germany