Frankfurter Allgemeine Quarterly
Kopenhagen Flexible Möbel
Wenn elegante Möbel nur flexibel genug sind und leicht zu bewegen, können sie zu Begleitern fürs ganze Leben werden.
Es gab Zeiten, da sollten Möbel alles sein. Couchtischsesselschreibtischbänke. In ihrem Streben nach Multifunktionalismus wurde eine Funktion meistens einfach vergessen: die emotionale. Denn Möbel berühren Menschen – und sie begleiten sie. „Früher dachte ich, ein Möbel müsse alles können“, sagt die Designerin Cecilie Manz. „Aber wenn man zu viele Funktionen unterbringen will, kommt meistens nichts Gutes dabei heraus.“Denn Menschen, sagt sie, nutzen Möbel nicht unbedingt so, wie es sich Designer anfangs gedacht haben. Sie eignen sich Möbel an: Sie nutzen eine Türklinke als Kleiderhaken oder einen Sessel als Ablage. „Vielleicht reicht es da schon, einen richtig guten Tisch oder einen richtig guten Stuhl zu machen.“
Wie aber sehen Möbel aus, die uns ein Leben lang begleiten, wenn sich im Laufe der Jahre unsere Geschmäcker ändern; selbst wenn wir häufiger umziehen, auch ohne schweres Gepäck? Für das dänische Label Takt hat Manz einen entsprechenden Tisch entworfen. Der Coffeetable „Plint“kommt sehr zurückhaltend daher, trotzdem mit eigener Persönlichkeit. Er ist aus massiver Kiefer, Eiche oder Douglasie und lässt sich in wenigen Schritten auf- und wieder abbauen, denn er besteht nur aus zwei Komponenten. So kann man ihn jederzeit problemlos verstauen oder transportieren. Nur Holz und Leder – kein Kleber, kein Plastik, kein Sondermüll.
„Es ist schon erschreckend, wie viele Möbel wir wegschmeißen. In Europa werden weniger als zehn Prozent wiederverwertet, in den Vereinigten Staaten weniger als ein Prozent“, sagt Takt-gründer Henrik Taudorf Lorensen. „Man nimmt Naturressourcen, stellt ein Möbelstück her, benutzt es und wirft es weg, nur um wieder von vorne anzufangen. Das ist verrückt.“Lorensen ist ausgebildeter Kernphysiker, hat erst bei Mckinsey gearbeitet und später bei Bang & Olufsen, wo er die Sparte B&O Play entwickelt hat. Jetzt will er die Art und Weise, wie wir zu Hause leben, neu erfinden – durch erschwingliche Flatpack-möbel aus Massivholz, die emissionsarm und hochdemokratisch sind.
„Wir wollen die Lücke zwischen den billigen Wegwerfmöbeln und teuren Designerstücken schließen“, sagt Lorensen. Im Programm hat er mehrere Stühle und Bänke aus Massivholz, unter anderem vom Londoner Designbüro Pearson Lloyd, das nicht nur die neue Business Class der Lufthansa verantwortet, sondern schon zerlegbare Möbel für die britische Marke Allermuir entworfen hat. Viele Hersteller tüfteln derzeit an qualitativ hochwertigen Flatpack-möbeln. Darunter sind Newcomer wie Swyft mit seinem „Sofa in a box“, aber auch etablierte Marken wie Carl Hansen & Søn. Die Vorteile: Wer Möbel in ihre Einzelteile zerlegt, kann sie gut lagern und verschicken. Sind einzelne Komponenten kaputt, können sie leicht ausgetauscht werden.
Trotz aller Konkurrenz aber ist Takt auf seinem Feld bislang Spitzenreiter: Kein Konkurrent schafft es, zerlegbare Möbel so kompromisslos elegant aussehen zu lassen. Indem es altes Handwerk mit moderner Technologie kombiniert, macht Takt hochwertiges Design zugänglich. Das junge Label bekennt sich zu den klassischen dänischen Designtugenden: Konzentration auf Funktionalität, ehrliche und natürliche Materialien sowie reduzierte Ornamentik. Die dänische Herkunft spielt aber auch auf emotionaler Ebene eine Rolle: „Im dänischen Design gibt es schon länger die Prämisse, dass ein Möbelstück, auch wenn es funktional ist, immer ein Stück Persönlichkeit hat. Es spricht zu einem.“
Je flüchtiger die Welt wird, umso stärker werden die Objekte um uns herum zu Trägern von Geschichten, Kultur und Gefühlen. Zu Wegbegleitern, die mit uns durchs Leben gehen. Lorensen erzählt, dass Menschen heute viel jünger sind als früher, wenn sie sich fürs Leben einrichten. Sie kaufen weniger, dafür ausgewählter. Und sie haben grundsätzlich andere Vorstellungen: „Vor 20 Jahren erfüllte das Haus eine ähnliche Funktion wie das Auto oder die Mode: Es diente in erster Linie der Repräsentation“, sagt er. „Heute geht es mehr um die inneren Werte. Darum, einen neuen Zugang zu seinen Möbeln zu kriegen. Zu schauen, was sie im Interieur und für die Atmosphäre bewirken können.“
Die Frage ist nur: Wie schafft man ein hochästhetisches Möbelstück, das dem Käufer ein gutes Gefühl vermittelt, obwohl er es selbst auspacken und zusammenbauen muss? Ikea-geschädigte kennen das Leid. „Es liegt an uns Designern, Möbel zu entwerfen, die möglichst intuitiv für den Nutzer sind“, sagt Cecilie Manz. Als Verbindungsmaterial ihres Tisches dienen Lederscharniere, die sich über Holzstifte einfach verbinden lassen. Lorensen sagt, je angenehmer das Gesamterlebnis aus Design und einfachem Auf bau sei, umso stärker werde der Bezug zum Möbelstück: „Man nimmt seinen Stuhl oder Tisch ganz anders wahr und hat eine viel innigere Bindung zu ihm, wenn man ihn mit eigenen Händen zusammengebaut hat.“
Aus Dänemark kommt die Antwort auf die neuen Bedürfnisse: Konzentration auf Funktionalität, natürliche Materialien, reduzierte Ornamentik. Man muss die Teile selbst aufbauen. Das bringt die emotionale Bindung.