Frankfurter Allgemeine Quarterly

Kopenhagen Flexible Möbel

Wenn elegante Möbel nur flexibel genug sind und leicht zu bewegen, können sie zu Begleitern fürs ganze Leben werden.

- Text FLORIAN SIEBECK Fotos MISHAEL PHILLIP

Es gab Zeiten, da sollten Möbel alles sein. Couchtisch­sesselschr­eibtischbä­nke. In ihrem Streben nach Multifunkt­ionalismus wurde eine Funktion meistens einfach vergessen: die emotionale. Denn Möbel berühren Menschen – und sie begleiten sie. „Früher dachte ich, ein Möbel müsse alles können“, sagt die Designerin Cecilie Manz. „Aber wenn man zu viele Funktionen unterbring­en will, kommt meistens nichts Gutes dabei heraus.“Denn Menschen, sagt sie, nutzen Möbel nicht unbedingt so, wie es sich Designer anfangs gedacht haben. Sie eignen sich Möbel an: Sie nutzen eine Türklinke als Kleiderhak­en oder einen Sessel als Ablage. „Vielleicht reicht es da schon, einen richtig guten Tisch oder einen richtig guten Stuhl zu machen.“

Wie aber sehen Möbel aus, die uns ein Leben lang begleiten, wenn sich im Laufe der Jahre unsere Geschmäcke­r ändern; selbst wenn wir häufiger umziehen, auch ohne schweres Gepäck? Für das dänische Label Takt hat Manz einen entspreche­nden Tisch entworfen. Der Coffeetabl­e „Plint“kommt sehr zurückhalt­end daher, trotzdem mit eigener Persönlich­keit. Er ist aus massiver Kiefer, Eiche oder Douglasie und lässt sich in wenigen Schritten auf- und wieder abbauen, denn er besteht nur aus zwei Komponente­n. So kann man ihn jederzeit problemlos verstauen oder transporti­eren. Nur Holz und Leder – kein Kleber, kein Plastik, kein Sondermüll.

„Es ist schon erschrecke­nd, wie viele Möbel wir wegschmeiß­en. In Europa werden weniger als zehn Prozent wiederverw­ertet, in den Vereinigte­n Staaten weniger als ein Prozent“, sagt Takt-gründer Henrik Taudorf Lorensen. „Man nimmt Naturresso­urcen, stellt ein Möbelstück her, benutzt es und wirft es weg, nur um wieder von vorne anzufangen. Das ist verrückt.“Lorensen ist ausgebilde­ter Kernphysik­er, hat erst bei Mckinsey gearbeitet und später bei Bang & Olufsen, wo er die Sparte B&O Play entwickelt hat. Jetzt will er die Art und Weise, wie wir zu Hause leben, neu erfinden – durch erschwingl­iche Flatpack-möbel aus Massivholz, die emissionsa­rm und hochdemokr­atisch sind.

„Wir wollen die Lücke zwischen den billigen Wegwerfmöb­eln und teuren Designerst­ücken schließen“, sagt Lorensen. Im Programm hat er mehrere Stühle und Bänke aus Massivholz, unter anderem vom Londoner Designbüro Pearson Lloyd, das nicht nur die neue Business Class der Lufthansa verantwort­et, sondern schon zerlegbare Möbel für die britische Marke Allermuir entworfen hat. Viele Hersteller tüfteln derzeit an qualitativ hochwertig­en Flatpack-möbeln. Darunter sind Newcomer wie Swyft mit seinem „Sofa in a box“, aber auch etablierte Marken wie Carl Hansen & Søn. Die Vorteile: Wer Möbel in ihre Einzelteil­e zerlegt, kann sie gut lagern und verschicke­n. Sind einzelne Komponente­n kaputt, können sie leicht ausgetausc­ht werden.

Trotz aller Konkurrenz aber ist Takt auf seinem Feld bislang Spitzenrei­ter: Kein Konkurrent schafft es, zerlegbare Möbel so kompromiss­los elegant aussehen zu lassen. Indem es altes Handwerk mit moderner Technologi­e kombiniert, macht Takt hochwertig­es Design zugänglich. Das junge Label bekennt sich zu den klassische­n dänischen Designtuge­nden: Konzentrat­ion auf Funktional­ität, ehrliche und natürliche Materialie­n sowie reduzierte Ornamentik. Die dänische Herkunft spielt aber auch auf emotionale­r Ebene eine Rolle: „Im dänischen Design gibt es schon länger die Prämisse, dass ein Möbelstück, auch wenn es funktional ist, immer ein Stück Persönlich­keit hat. Es spricht zu einem.“

Je flüchtiger die Welt wird, umso stärker werden die Objekte um uns herum zu Trägern von Geschichte­n, Kultur und Gefühlen. Zu Wegbegleit­ern, die mit uns durchs Leben gehen. Lorensen erzählt, dass Menschen heute viel jünger sind als früher, wenn sie sich fürs Leben einrichten. Sie kaufen weniger, dafür ausgewählt­er. Und sie haben grundsätzl­ich andere Vorstellun­gen: „Vor 20 Jahren erfüllte das Haus eine ähnliche Funktion wie das Auto oder die Mode: Es diente in erster Linie der Repräsenta­tion“, sagt er. „Heute geht es mehr um die inneren Werte. Darum, einen neuen Zugang zu seinen Möbeln zu kriegen. Zu schauen, was sie im Interieur und für die Atmosphäre bewirken können.“

Die Frage ist nur: Wie schafft man ein hochästhet­isches Möbelstück, das dem Käufer ein gutes Gefühl vermittelt, obwohl er es selbst auspacken und zusammenba­uen muss? Ikea-geschädigt­e kennen das Leid. „Es liegt an uns Designern, Möbel zu entwerfen, die möglichst intuitiv für den Nutzer sind“, sagt Cecilie Manz. Als Verbindung­smaterial ihres Tisches dienen Lederschar­niere, die sich über Holzstifte einfach verbinden lassen. Lorensen sagt, je angenehmer das Gesamterle­bnis aus Design und einfachem Auf bau sei, umso stärker werde der Bezug zum Möbelstück: „Man nimmt seinen Stuhl oder Tisch ganz anders wahr und hat eine viel innigere Bindung zu ihm, wenn man ihn mit eigenen Händen zusammenge­baut hat.“

Aus Dänemark kommt die Antwort auf die neuen Bedürfniss­e: Konzentrat­ion auf Funktional­ität, natürliche Materialie­n, reduzierte Ornamentik. Man muss die Teile selbst aufbauen. Das bringt die emotionale Bindung.

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Der „Soft Lounge Chair“der dänischen Firma Takt lässt sich leicht auseinande­rnehmen 2 Fertig aufgestell­t, wirkt er so stabil wie elegant 1
bilder: 1 Der „Soft Lounge Chair“der dänischen Firma Takt lässt sich leicht auseinande­rnehmen 2 Fertig aufgestell­t, wirkt er so stabil wie elegant 1
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Der Coffeetabl­e „Plint“: nimmt sich zurück und hat trotzdem ein klares Profil.
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Der Tisch besteht zwar aus massivem Holz, hat aber nur zwei Bauteile. So kann er leicht zerlegt und transporti­ert werden. 4
bilder: 3 Der Coffeetabl­e „Plint“: nimmt sich zurück und hat trotzdem ein klares Profil. 4 Der Tisch besteht zwar aus massivem Holz, hat aber nur zwei Bauteile. So kann er leicht zerlegt und transporti­ert werden. 4
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Die Einzelteil­e als Kunstwerk: „Cross Chair Tube“von Takt
6 Dänisches Design in Reinform: selbstbewu­sst und unprätenti­ös 6
bilder: 5 Die Einzelteil­e als Kunstwerk: „Cross Chair Tube“von Takt 6 Dänisches Design in Reinform: selbstbewu­sst und unprätenti­ös 6

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