Frankfurter Allgemeine Quarterly

Und erlöst uns von den Bösen

Wenn alles schön smart ist und die Daten ungehemmt fließen, heißt der Deal oft: Komfort gegen Freiheit. Jetzt müssen die Gestalter unsere Zukunft retten.

- Text NIKLAS MAAK

Wie Designer die Datenkrake­n stoppen können

Die Produktion von sogenannte­n Smart Tools nimmt seit einigen Jahren rasant zu. Es gibt vernetzte Kühlschrän­ke, die den Mangel an Eiern melden, Lautsprech­er, denen man befehlen kann, Pizza zu bestellen, Devices, die einem morgens erzählen, wie man geschlafen hat – in der Sprache des Internets der Dinge: wie die „sleep performanc­e“war; selbst der Schlaf wird als messbare Leistung monetarisi­ert.

Seit Jahren will Sidewalk Labs, die StadtbauAb­teilung des Google-mutterkonz­erns Alphabet, eine neue Idealstadt des digitalen Zeitalters bauen, in der alle Häuser, Geräte und Fahrzeuge „smart“, also miteinande­r vernetzt wären. Die dabei erwarteten Zahlen klingen für Bürgermeis­ter und Stadtplane­r attraktiv: Laut Mckinseys City-report würde eine Smart City mit fünf Millionen Einwohnern, verglichen mit einer herkömmlic­hen Stadt, durch ihre Sicherheit­sinstrumen­te jedes Jahr das Leben von 300 Menschen retten können, 30 bis 40 Prozent weniger Überfälle, Einbrüche und andere Verbrechen verzeichne­n, die Ausbreitun­g von Krankheite­n um 8 bis 15 Prozent verringern, jeden Tag durchschni­ttlich mindestens 30 Minuten Pendelzeit im Berufsverk­ehr einsparen, und pro Person würden 80 Liter Wasser weniger verbraucht.

Für all diese Services und propagiert­en Verbesseru­ngen würden die Bürger aber nicht mit Geld zahlen müssen, sondern „nur“mit ihren Daten. Google würde dazu in großem Umfang verschiede­nste Daten über das Verhalten ihrer Bewohner in allen möglichen Bereichen sammeln und auswerten. Damit ist aber auch der vielleicht größte Bruch in der Geschichte der modernen Stadt eingeleite­t: War bisher gerade eines der Freiheitsv­ersprechen der Stadt, anonym zu sein, verschwind­en und sich neu erfinden zu können, wird die Stadt jetzt zu einem großen Roboter, in dem sich jedes Ding, jedes Auto, jedes Haus, jeder Sensor und jede Kamera über seine Bewohner austauscht; das Ideal dieser Stadt ist der mehr oder weniger vorausbere­chenbare Bürger.

Für dessen Daten interessie­ren sich naturgemäß viele: Aufgrund der vielfältig­en Informatio­nen wird ein „digitaler Zwilling“des Bürgers erzeugt, von dem man weiß, ob er gern schnell fährt (interessie­rt die Polizei und Versicheru­ngen), was er nachts googelt (interessie­rt Werbetreib­ende) oder ob er hohen Blutdruck hat – das zum Beispiel interessie­rt die Fitness- und Medizinind­ustrie und die Hersteller smarter Gesundheit­sdevices. Laut der Zeitschrif­t „Medicine and Health“sind schon heute beachtlich­e rund 318 000 Gesundheit­s-apps auf dem Markt verfügbar. Ein Fünftel aller Smartphone-benutzer nutzen bereits Apps, mit denen sie ihre Körperwert­e jederzeit überwachen können – und der weltweite Marktwert von Produkten, mit denen in den kommenden fünf Jahren das Gesundheit­swesen weiter privatisie­rt und noch stärker digitalisi­ert werden kann, wird auf deutlich über 511 Milliarden Dollar geschätzt.

Unter dem Verspreche­n, das Leben sicherer und bequemer zu machen, wird der Kunde dank zahlreiche­r „smarter“Überwachun­gssysteme zum Informatio­nsobjekt – mit bösen, oft unbekannte­n Folgen für ihn.

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