Frankfurter Allgemeine Quarterly
Und erlöst uns von den Bösen
Wenn alles schön smart ist und die Daten ungehemmt fließen, heißt der Deal oft: Komfort gegen Freiheit. Jetzt müssen die Gestalter unsere Zukunft retten.
Wie Designer die Datenkraken stoppen können
Die Produktion von sogenannten Smart Tools nimmt seit einigen Jahren rasant zu. Es gibt vernetzte Kühlschränke, die den Mangel an Eiern melden, Lautsprecher, denen man befehlen kann, Pizza zu bestellen, Devices, die einem morgens erzählen, wie man geschlafen hat – in der Sprache des Internets der Dinge: wie die „sleep performance“war; selbst der Schlaf wird als messbare Leistung monetarisiert.
Seit Jahren will Sidewalk Labs, die StadtbauAbteilung des Google-mutterkonzerns Alphabet, eine neue Idealstadt des digitalen Zeitalters bauen, in der alle Häuser, Geräte und Fahrzeuge „smart“, also miteinander vernetzt wären. Die dabei erwarteten Zahlen klingen für Bürgermeister und Stadtplaner attraktiv: Laut Mckinseys City-report würde eine Smart City mit fünf Millionen Einwohnern, verglichen mit einer herkömmlichen Stadt, durch ihre Sicherheitsinstrumente jedes Jahr das Leben von 300 Menschen retten können, 30 bis 40 Prozent weniger Überfälle, Einbrüche und andere Verbrechen verzeichnen, die Ausbreitung von Krankheiten um 8 bis 15 Prozent verringern, jeden Tag durchschnittlich mindestens 30 Minuten Pendelzeit im Berufsverkehr einsparen, und pro Person würden 80 Liter Wasser weniger verbraucht.
Für all diese Services und propagierten Verbesserungen würden die Bürger aber nicht mit Geld zahlen müssen, sondern „nur“mit ihren Daten. Google würde dazu in großem Umfang verschiedenste Daten über das Verhalten ihrer Bewohner in allen möglichen Bereichen sammeln und auswerten. Damit ist aber auch der vielleicht größte Bruch in der Geschichte der modernen Stadt eingeleitet: War bisher gerade eines der Freiheitsversprechen der Stadt, anonym zu sein, verschwinden und sich neu erfinden zu können, wird die Stadt jetzt zu einem großen Roboter, in dem sich jedes Ding, jedes Auto, jedes Haus, jeder Sensor und jede Kamera über seine Bewohner austauscht; das Ideal dieser Stadt ist der mehr oder weniger vorausberechenbare Bürger.
Für dessen Daten interessieren sich naturgemäß viele: Aufgrund der vielfältigen Informationen wird ein „digitaler Zwilling“des Bürgers erzeugt, von dem man weiß, ob er gern schnell fährt (interessiert die Polizei und Versicherungen), was er nachts googelt (interessiert Werbetreibende) oder ob er hohen Blutdruck hat – das zum Beispiel interessiert die Fitness- und Medizinindustrie und die Hersteller smarter Gesundheitsdevices. Laut der Zeitschrift „Medicine and Health“sind schon heute beachtliche rund 318 000 Gesundheits-apps auf dem Markt verfügbar. Ein Fünftel aller Smartphone-benutzer nutzen bereits Apps, mit denen sie ihre Körperwerte jederzeit überwachen können – und der weltweite Marktwert von Produkten, mit denen in den kommenden fünf Jahren das Gesundheitswesen weiter privatisiert und noch stärker digitalisiert werden kann, wird auf deutlich über 511 Milliarden Dollar geschätzt.
Unter dem Versprechen, das Leben sicherer und bequemer zu machen, wird der Kunde dank zahlreicher „smarter“Überwachungssysteme zum Informationsobjekt – mit bösen, oft unbekannten Folgen für ihn.