Ich frage mich manchmal …
Warum kann ich mir manches einfach nicht angewöhnen?
AMANCHMAL UND ICH FRAGE MICH IMMER ÖFTER: IN LETZTER ZEIT ls Studentin habe ich ein Semester in Barcelona ge‑ lebt. Wenn ich spätabends nach Hause fuhr, hielt ich mei‑ nen Schlüssel bereits in der U‑bahn griffbereit in der Hand. Meine Mitbewohne‑ rin Alma hatte mir das damals eingetrichtert. „Du willst nicht in der dunk‑ len Gasse stehen und stunden‑ lang den Schlüssel suchen. Das muss zack, zack gehen!“Den Reflex habe ich heute noch intus, wenn ich in mei‑ nem ruhigen Münchner Wohngebiet viel zu selten spät nach Hause komme. Ich halte den Schlüsselbund einsatzbereit in der Hand, während ich der Rent‑ nerin mit dem dicken Dackel bei der Abendrunde eine gute Nacht wünsche. Zack, zack bin ich im Haus verschwunden. Am nächsten Tag werde ich jedoch, vollbepackt vom Supermarkt kommend, vor der Haustür feststellen, dass mein Schlüssel ganz unten in einer der drei Einkaufstaschen liegt. Verzweifelt werde ich wühlen. Der Sahnebecher wird dabei ein fieses Löchlein bekommen, die Himbeeren werden aus der Schachtel kullern und zerquetschen. Warum kann ich mir den Schlüssel‑ griffbereit‑reflex nicht auch tagsüber ange‑ wöhnen, wo die wirklichen Übel meines Alltags lauern? Warum passieren mir immer wieder die gleichen dummen Fehlerchen, über die ich mich so rasend ärgere, bis ich fast heule? Coaches raten dazu, Routinen zu entwickeln. Aber warum kann ich das nicht? Vielleicht brauche ich eine Alma? Das wäre schön. Sie wäre immer bei mir und wür‑ de mir sagen: „Die schwarze Socke ist eine Bitch! Sie versteckt sich gerade in der weißen 60‑Grad‑ Wäsche.“Oder: „Stopp! Noch nicht ‚senden‘ kli‑ cken! Du hast mal wieder den Anhang bei der E‑mail nicht hinzugefügt.“Alma würde mir er‑ klären, dass man die Spindel des Korkenziehers nicht mittig, sondern minimal versetzt und ker‑ zengerade ansetzt und genau bis zur Stelle X hineindreht, damit der Korken der Rioja‑flasche eben nicht zerbröselt. Sie würde mir sagen, dass es dumm ist, eine alte Batterie zwischen die vier neuen zu legen, und zeigen, dass ein Usb‑stick wirk‑ lich immer so herum ange‑ stöpselt wird, dass der offene Teil oben ist und der Chip zum Himmel zeigt. „Man muss es sich verdammt noch mal halt einmal an‑ ständig merken!“, würde Alma sagen, die immer mit Ausrufezeichen sprach. Ich glaube, Alma könnte eine Vollzeitstelle bei mir be‑ setzen. Solange ich den All‑ tag aber nach wie vor al‑ lein stemmen muss, brauche ich einen anderen Trick, der mich dazu zwingt, auch die banalsten Tätig‑ keiten konzentriert auszuführen. Auch dazu ra‑ ten Life‑coaches. Ich muss vermeintlich Unwich‑ tiges total ernst nehmen. Was mich auf einen Einfall bringt: Ich spiele ab sofort Influencer! Meine Tochter macht das auch immer. „Die beste Idee ever!“, würde sie dazu sagen. Ich spreche bei allen Dingen, die ich tue, ab sofort in eine imaginäre Kamera. „Hey, Leute, jetzt zeige ich euch mal, wie man Wäsche richtig sortiert. Ist gar nicht so schwer, wenn man hell und dunkel unterscheiden kann. Yay!“Es funktioniert! Ich freue mich schon auf meine fiktive Insta‑story im Supermarkt. Dann erzähle ich jedem, dass ich mir meinen Schlüssel ab jetzt mit einem coolen Band (#werbung) um den Hals hänge und die Einkaufstaschen dann systematisch einräume, damit nichts zer‑ quetscht. Dann wird der Alltag aber trotzdem wieder zuschlagen: Wie herum muss die beklopp‑ te Ec‑karte noch mal in den Schlitz? Warum kann mein Hirn die Skizze mit der Lage von Chip und Magnetstreifen nie richtig entziffern? Hilfe! Alma! Wo bist du? Schlüsselsuche, zerbröselte Weinkorken, versehentlich gelöschte Videos: Jeder macht immer wieder die gleichen Alltagsfehler und ärgert sich hinterher über sich selbst. Unsere Autorin hat dagegen jetzt einen tollen Trick entdeckt würde sich gern auch mal von einem Zimmermädchen im Hotel zei‑ gen lassen, wie man eine Doppel‑ Bettdecke bezieht, ohne im‑ mer selbst darin zu verschwinden.