Wintersport abseits der Pisten
Von überfüllten Hängen hatte Autorin Gaby Ullmann die Nase voll, deshalb wollte sie andere Wintersportarten ausprobieren. Langlaufen, Schneeschuhwandern, Fahrten mit dem Schneemobil oder dem Huskyschlitten: Hier erzählt sie, was am schönsten war
Von Langlaufen bis Schneesafari: Unsere Autorin hat verschiedene Aktivitäten im Schnee ausprobiert
Winter heißt Ski fahren – das war so, seit ich denken kann. Mit vier stand ich das erste Mal auf den Brettern, mit 14 war mir keine schwarze Abfahrt zu steil, mit 24 half ich in den Semesterferien als Skilehrerin aus und mit 34 brachte ich meiner eigenen Tochter die Pflugbogen bei. Doch irgendwann, weiß der Yeti warum, hatte ich zunehmend die Nase voll von all dem Skizirkus. Dieses ewige Anstehen an den Liften. Das Gewusel auf den Pisten. Das Geschubse auf der Almhütte. Ich brauchte dringend Abwechslung! Etwas Neues, Ruhigeres, fern von allen Massen. Im Dezember vergangenen Jahres beschloss ich deshalb, ein Schneepremierenexperiment zu starten.
Langlaufen
Jeden Monat, so mein Plan, werde ich eine andere Sportart ausprobieren. Mit Langlauf soll es losgehen, allerdings nicht gleich mit der Skatingvariante. Dafür braucht man sehr viel Kondition und eine Technik, die dem Schlittschuhlaufen gleicht. Vor der klassischen Version hingegen habe ich weniger Ehrfurcht. Was kann daran schon schwer sein? Rein in die Bindung, Stöcke in die Hand, und schon geht es elegant in rhythmischen Gleitbewegungen entlang der gespurten Loipe durch verschneite Wälder und über glitzernd weiße Weiten – herrlich!
Herrlich? Nun, das trifft zumindest auf mein Testgebiet in Osttirol zu. Obertilliach, das mit seinen jahrhun
dertealten Holzbauernhäusern einem Dorf wie aus dem Bilderbuch gleicht, liegt abgeschieden im Lesachtal auf 1450 Meter Höhe inmitten einer spektakulären Berglandschaft und ist ein Paradies für Langläufer.
Mein Versuch, mir die Technik selbst beizubringen, endet damit, dass ich quer über der Loipe im Schnee liege und es nicht schaffe, aufzustehen, ohne mir die Skier abzuschnallen. Deshalb buche ich am nächsten Tag einen zweitägigen Einführungskurs. „Die meisten Leute glauben, wer laufen kann, kann auch langlaufen“, sagt Josef Schneider, mein Lehrer, und erklärt, dass es ohne die richtige Technik auch beim nordischen Stil keinen Fort-schritt geben kann. Und weil die nur ca. 45 Millimeter breiten Langlaufskier eine wacklige Angelegenheit sind, stehen auf dem Trainingsplan erst mal Balanceübungen: abwechselnd auf einem Bein stehen. Sehr spaßig – für alle, die zuschauen. Auch das Gleitenlernen ist nicht ohne. Weil es darum geht, zum richtigen Zeitpunkt Kraft auf den Schuh zu bringen und sich dynamisch nach hinten abzustoßen, lässt mich Josef mit nur einem Ski üben, was sich anfühlt, als würde ich im Schnee Tretroller fahren. Stufe zwei ist Gleiten mit zwei Skiern, aber ohne Stöcke, und als das klappt, geht es auf eine blaue Anfängerroute, wo es bald überraschend gut läuft. Ich lerne das Bremsen, schaffe es, dort anzuhalten, wo ich es will, und meistere Spurwechsel. Am zweiten Tag wähne ich mich bestens gewappnet für neue Lektionen. Um es vorwegzunehmen: Hochmut kommt vor dem
Fall. Jede Steigung ist ein Graus, jede Abfahrt ein Desas‑ ter und jede Abfahrt in Kombination mit Kurven der schiere Horror. Nach drei Stunden bin ich so platt, dass ich den Rest des Nachmittags im Bett verbringe und dabei folgende Bilanz ziehe:
Langlaufen ist viel anstrengender und technisch anspruchsvoller, als es aussieht. Und dass dabei 95 Prozent aller Körpermuskeln zum Einsatz kommen, kriegt man als Anfänger unter Umständen schmerzlich zu spüren.
Schneeschuhwandern
Für das nächste Experiment, das Schneeschuhlaufen, besuche ich im Allgäu am Forggensee meinen Freund Hubert, dessen Frau mir ihre Ausrüstung leiht. Ich muss mit meinen Wanderschuhen nur in Elfis Schneeschuhe steigen und schon kann es losgehen durch das Winterwunderland, das gleich hinter dem Haus meiner Gastgeber beginnt. Das breitbeinige Laufen ist gewöh‑ nungsbedürftig, doch dank Huberts Rat („Setz mit der Fer‑ se auf, roll nach vorne ab und mach leicht schlurfende Schritte“) funktioniert es viel schneller, als das beim Lang‑ laufen der Fall gewesen ist. Unanstrengend aber ist auch diese Sportart nicht. Denn trotz der Schneeschuhe sinke ich tief in den Schnee ein und muss den Fuß wieder heraus‑ heben, was meine Oberschenkel mürrisch zur Kenntnis nehmen, insbesondere, wenn es bergauf geht. Doch die Steighilfen, ausklappbare Metallbügel, bringen Erleich‑ terung und so verfalle ich mit der Zeit in einen meditativen Trott, der die Endorphine tanzen lässt. Wir sind allein in herrlichster Natur, die Sonne strahlt vom blauen Him‑ mel und in der Ferne grüßt Schloss Neuschwanstein von seinem Felsen. Ich will jodeln vor Glück!
Schneeschuhlaufen, so viel steht schon mal fest, hat das Langlaufen um Längen geschlagen.
Schneesafari
Bleibt noch der Exot meiner Experimente-reihe, der mich und meine Freundin Doris dorthin führt, wo der Winter seine Heimat hat: nach Lappland, genauer gesagt ins 200 Kilometer nördlich des Polarkreises gelegene Kittilä. Hier gehen wir auf Schneesafari und starten das Abenteuer rasant mit dem Snowmobil. Um ehrlich zu sein, jagt mir schon der Anblick der Monstermaschine Angst ein, weshalb Doris, eine versierte Motorradfahrerin, den Lenker übernimmt. Während der nächsten Stunde, in der meine Freundin laut jauchzend unserem Guide hinterherbrettert, lerne ich das Beten. Ich sehe unsere sterblichen Überreste wahlweise um den nächsten Tannenbaum gewickelt oder kopfüber im zugefrorenen See stecken. Nichts davon halte ich für erstrebenswert, weshalb ich Doris zwinge, die Rückfahrt im Schneckentempo zurückzulegen. Schneemobilfahren ist damit von meiner Wintersportwunschliste gestrichen – umso mehr freue ich mich auf die anstehende Hundeschlitten-tour. Auf der Huskyfarm erfahren wir das Wichtigste über das Lenken, Bremsen und Ankern des Schlittens, danach folgt das Anschnuppern mit den Hunden, mit denen es dann auf Fahrt geht. Doris und ich halten uns erstaunlich gut auf den Kufen. Anfangs stehen wir zwar noch ständig auf der Bremse, doch dann werden wir immer entspannter. Und irgendwann, während die Hunde voranstürmen und die verschneite
Landschaft vorbeiflitzt, fängt das Herz an zu hüpfen. Sportlich herausfordernd ist die Tour allerdings eher für die Tiere, und zu behaupten, wir würden den Schlitten tatsächlich selbst steuern, wäre geflunkert – ohne ihren Rudelführer, den Musher, der im Schlitten vor uns herfährt, würden die Huskys keine Pfote bewegen. Doch egal! Es macht unglaublich Spaß und ist ein einzigartiges Erlebnis, das ich auf jeden Fall wiederholen möchte.
Das Rennen machen die Huskys trotzdem nicht bei meiner WintersportChallenge. Sieger wird: das Schneeschuhlaufen. Ein weiterer Langlaufkurs ist allerdings ebenfalls schon gebucht. Ach, und zwischendurch werde ich wohl auch mal wieder Ski fahren gehen. Ein bisschen fehlt es mir doch.