Eigentlich … will ich die Adventszeit besinnlich verbringen
In jedem Heft denkt unsere Kolumnistin Constanze Kleis darüber nach, warum es im Leben oft so anders läuft als geplant
Doch lustige Rituale wie Schrottwichteln halten freundin-autorin Constanze Kleis auf Trab
Aber ausgerechnet in der stressigsten Zeit des Jahres soll man dauernd Zeit zum Verschenken und Anstoßen haben. Es ist, als hätte der Advent die Fruchtbarkeit von Feldhasen. Jedes Jahr kommen neue Termine dazu – die bereits bei der zweiten Wiederholung kategorisch zur „Tradition“erklärt werden. Da ich leider kei‑ nen Arzt kenne, der mich wegen „Weihnachts‑ feieroverkill“mindestens einen Monat krank‑ schreibt, schleppe ich mich also alle Jahre wieder zur Wintersaisoneröffnung bei Simone. Sie hält sich für eine begnadete Plätzchenbä‑ ckerin und hat deshalb schon vor Jahren damit begonnen, ihre Freundinnen zum Weihnachts‑ keksauftakt zu laden. Ihre Kreationen sind sehr hübsch, aber enorm trocken. Um sicher lebensgefährliche Verpuffungen im Mund‑ raum zu vermeiden, muss man zwangsläufig sehr viel von ihrem selbst gemachten Eier‑ likör trinken. So wird es irgendwie dann doch immer puppenlustig und ziemlich spät. So spät, dass ich am nächsten Tag ohnehin zu schwach bin, dem alljährlichen Weihnachts‑ marktbesuch mit den Kolleginnen zu wider‑ stehen. Ebenso wie dem Glühwein, der dann – trotz bester Vorsätze – in Strömen fließt. Nun könnte ich mich durch das, was Rot‑ wein aus dem Tetra Pak in Zusammenarbeit mit Fischbrötchen und heißen Maronen in meinem Körper angerichtet haben, mit Fug und Recht vor dem nächsten Event drücken. Aber das ist Schrottwichteln bei Carola und ich bin seit einem Jahr fest entschlossen, die Kol‑ lektion selbstklebender Bärte und das Furzkis‑ sen – sie stammen von der Fußballvereins‑ feier meines Mannes letztes Jahr – wieder in den ewigen Wichtelkreislauf einzuspeisen. Schon im Interesse der Nachhaltigkeit. Ich er‑ fülle meine Mission und komme sehr be‑ schwingt mit einer Grillschürze nach Hause zurück, auf der vorne ein behaarter nack‑ ter Männerbauch zu sehen ist. „Ich habe dir was mitgebracht!“, flüstere ich meinem schlafenden Mann ins Ohr. „Ich weiß: Eine Rotweinfahne und dann gab’s wohl wieder Carolas berühmte Zwiebelsuppe“, murmelt er und will noch wissen, wann ich denn mal wieder einen Abend daheim sein werde. „Spä‑ testens am 21. Dezember!“, tröste ich ihn. Und sage nicht, dass ich alle meine Freundin‑ nen für diesen Abend spontan zu einem Ugly‑ Christmas‑sweater‑abend zu uns einge‑ laden habe. Irgendwie war mir nach einem Aperol Spritz und zwei Bordeaux danach, selbst eine Weihnachtstradition zu begründen, um mich für all den Weihnachtsstress zu revanchieren. Zumal mir alle versicherten, wie großartig sie die Idee finden. Klar werde ich mir spätestens am Heiligen Abend wie‑ der vornehmen, die nächste Weihnachtssaison komplett auf dem Sofa zu bleiben. Ande‑ rerseits haben all die Events doch auch einen Vorteil: Mit ihnen wird die Sache mit dem Frieden auf Erden endlich Wirklichkeit. Schließlich bin ich dadurch am 24. Dezem‑ ber total milde gefeiert und viel zu erschöpft, um meinem Mann wegen der mickrigen Tanne gram zu sein, die er wieder mal in letz‑ ter Minute für die Familienweihnacht be‑ schafft hat. Dafür kann er dann doch eigent‑ lich ziemlich dankbar sein und wenigstens einen Abend lang einen Rentierpullover mit selbstleuchtendem Geweih tragen.