Freundin

Dieser Mann bringt uns das Fürchten bei

Die Thrillerau­tor versetzt mit seinen Romanen Millionen Leser in Furcht und Schrecken. Warum bringt er uns so gern zum Gruseln und was macht das mit ihm selbst? Wir haben Sebastian Fitzek in Berlin besucht

- Text: Ulrike Schädlich. Fotos: Anna Rose

Zu Besuch bei Thrillerau­tor Sebastian Fitzek

Eine düstere Straße. Alte Villen links und rechts, mit dicken Steinwände­n und ver‑ schlossene­n Fenstern, die Geheimniss­e schüt‑ zen. Uralte Bäume strecken ihre nackten Äste in die Herbstluft. Nebel wabert langsam nach oben…gruselt es Sie ein bisschen? Dann sind Sie in der perfekten Stimmung für eine Stippvisit­e bei Sebastian Fitzek. Besucht man den Thrillerau­tor in seiner „Schreib‑ stube“in Berlin‑grunewald, glaubt man, in einem Schauplatz seiner Romane gelandet zu sein. „Hinter der Fassade des Schönen er‑ blickt man das Böse“, orakelt Fitzek später im Gespräch. Und ergänzt: „Hier ist alles gruselig.“Sein Büro macht da keine Ausnah‑ me. Zwar wirkt der 70er‑jahre‑betonbun‑ galow hier so deplatzier­t wie ein Ufo. Der Gruselfakt­or setzt sich jedoch in der Innen‑ einrichtun­g fort: Links steht ein Toten‑ schädel, rechts ein Skelett mit Augenklapp­e. Auf der Toilette leuchtet der blutige Schrift‑ zug „Help!“von den weißen Kacheln. „Rein darf jeder, aber nicht lebend wieder raus“, droht der Fußabstrei­cher. „Alles Geschenke von Fans“, winkt Fitzek ab. Und doch scheint der 48‑Jährige eine Schwäche fürs Morbide zu haben.

Lieben Sie Grusel, Herr Fitzek?

Ich habe mich immer gern gegruselt. Mein Vater hat mir als Kind oft Schauerges­chichten vorgelesen, Edgar Allan Poe und Roald Dahl etwa. „Der Rabe“von Edgar Allan Poe ist bis heute mein Lieblingsg­edicht.

Können Sie selbst gut Spukgeschi­chten erzählen?

Meine drei Kinder sagen oft: „Papa, erzähl uns etwas Gruseliges.“Ich hab beim

ersten Mal dummerweis­e eine Geschichte von mir zusam‑ mengefasst. Es ging um eine Frau, die zum Psychiater geht und sagt, in ihrem Schrank sitzt ein Monster und will sie umbringen. Sie lässt sich im Vorzimmer einen neuen Termin geben und als sie zu‑ rückkommt, ist der Psy‑ chiater verschwund­en. Da macht sie den Schrank auf… Danach wollten meine Kin‑ der nur noch zu dritt im Bett schlafen. Jetzt denke ich mir lieber etwas mit lieben Monstern aus.

Sie schauen hier von Ihrem Büro aus auf einige seltsame Villen. Inspiriert Sie das?

Und wie. Das beflügelt meine Fantasie. In der Nähe gibt es ein Haus, das langsam verfällt, das sieht aus wie ein Spukschlos­s. Und gegen‑ über steht sogar ein Grabstein im Garten. Auf dem steht: „Es musste ja mal so kom‑ men.“Finde ich einen guten Spruch.

Ein Grabstein in seiner Nähe – irgendwie passt das. „Die Therapie“, „Der Insasse“,

„Das Paket“– Fitzeks

Thriller katapultie­ren Normalster­bliche in Albträume, aus denen sie sich kaum befreien können. Es verschwind­en Kinder, Psychopath­en treiben ihr Unwesen. Die Handlungen ähneln den Horrorszen­arien eines David Lynch. Es sind Bücher, bei denen man während des Lesens hochschrec­kt und auf unheimlich­e Geräusche lauscht. Und den Protagonis­ten möc hte man zurufen: „Tu es nicht!“

Härtet einen das Thrillersc­hreiben ab?

Auf gar keinen Fall. Meine Kollegin Ursula Poznanski hat zu mir mal Folgendes gesagt: Man könne nicht über Ängste im Krimi schreiben, wenn man nicht in der Lage wäre, sich selbst im Dunkeln Angst zu machen. Wir Thrillerau­toren sind Weicheier.

Haben Sie im Dunkeln Angst, Herr Fitzek?

Ich bin ein sehr furchtsame­r Mensch! Das Schreiben ist für mich ein Ventil. Das ist wie Achterbahn­fahren. Keiner steigt in eine Achterbahn mit der Hoffnung, herausge‑ schleudert zu werden. Aber viele wollen diesen „Nahtod“empfinden.

Wirklich? Warum?

Weil wir dabei mit unserer Sterblichk­eit konfrontie­rt werden. Wir stellen uns der Todesangst. Wir wissen, der Tod erwartet uns irgend‑ wann. Keiner will sich damit in der Realität ausein‑ andersetze­n. Also konfron‑ tieren wir uns lieber damit in einem angstfreie­n Ambiente. Beim Schreiben, beim Lesen. Oder in der Achterbahn.

Fahren Sie gern Achterbahn?

Ich hasse es! Ich stelle mir immer vor, was alles passieren kann. Als Thrillerau­tor den‑

Ich bin ein furchtsame­r Mensch. Das Schreiben ist für mich ein Ventil

ke ich natürlich auch darüber nach, was wäre, wenn derjenige, der die Anlage warten soll, mal einen schlechten Tag hat…

Geschützt in seinem Büro gibt sich Fitzek dagegen ausgiebig dem Schrecken hin. Er schreibe sehr disziplini­ert, sagt er, drei, vier Monate lang jeden Tag. Mit viel Kaffee – sechs bis sieben Tassen trinkt er pro Tag, dazu nascht er Kinderscho­kolade. Ab und zu pausiert er bei einem Spaziergan­g, um den Kopf freizubeko­mmen. Sebastian Fitzek ist ein Fleißarbei­ter, der immer wieder auf der Suche nach neuen Ideen ist. So kommt er auf 19 Krimis, die seit 2006 regelmäßig erscheinen. 11 Millionen Exemplare hat er davon bereits verkauft.

Es heißt, dass viel mehr Frauen als Männer Ihre Bücher lesen. Können Sie sich erklären, warum das so ist?

Da habe ich mal eine kluge These gehört: Frauen sind statistisc­h gesehen viel häufiger Opfer von Gewalttate­n als Männer. Sie haben deswegen ein größeres Interesse daran, sich mit den Ursachen und Folgen von Gewalt auseinande­rzusetzen. Außerdem halten sie viel mehr aus als Männer. Man denke mal an die Schmerzen bei einer Geburt.

Welche Rolle spielen Gewalt und Schmerz in Ihren Büchern?

Sie sind nie Selbstzwec­k. Mich interessie­rt: Wie reagiert ein normaler Mensch, wenn er mit dem Bösen konfrontie­rt wird? Gewalt reißt einem die Maske vom Kopf. Und legt das wahre Ich frei. Ich denke, das Böse hilft, das Leben wertzuschä­tzen. Das funktionie­rt so ähnlich, als würde ein Freund oder ein Angehörige­r sterben. Man denkt in diesen Momenten darüber nach, was einem wirklich wichtig ist im Leben. Der Tod oder ein Schicksals­schlag schärft unsere Sinne.

Es ist ein Thema, bei dem Fitzek sehr engagiert redet, es liegt ihm am Herzen. Zum Glück wirkt der dreifache Vater (seine Kinder sind 6, 7 und 8 Jahre alt, von seiner Frau hat er sich vor Kurzem getrennt) trotz der dauerhafte­n Beschäftig­ung mit den Abgründen der menschlich­en Seele jungenhaft, fast spitzbübis­ch. Vor allem, wenn er lächelt.

Herr Fitzek, glauben Sie an das Gute oder an das Böse im Menschen?

Ich glaube, dass wir im Grunde unseres Herzens gut sind. Meine Mutter hat immer gesagt: Nach einem Desaster oder einer Katastroph­e ist die Zahl der Helfer viel höher als die Anzahl der Täter. Das stimmt mich optimistis­ch. Ich kann in meinen Thrillern auch Ängste bannen. Etwa, wenn ich eine Geschichte um eine Kindesentf­ührung gut ausgehen lasse. Das ist meine Art, mit dem Schrecken der Welt umzugehen. Ich schreibe ein Buch darüber.

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Fitzek geht gern in den Garten vor dem Haus, wenn er mal beim Schreiben einer grausamen Szene abschalten muss
EINE OASE DER RUHE Fitzek geht gern in den Garten vor dem Haus, wenn er mal beim Schreiben einer grausamen Szene abschalten muss
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Sebastian Fitzek in seinem kleinen Büro in Berlin-grunewald, umgeben von Büchern. Und Kinderscho­kolade
HIER ENTSTEHEN FITZEKS THRILLER Sebastian Fitzek in seinem kleinen Büro in Berlin-grunewald, umgeben von Büchern. Und Kinderscho­kolade

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