Freundin

Wie fühlt es sich für dich an, seit 14 Jahren immer die gleiche Frau zu lieben?

- UND HIER KOMMT MEINE FRAGE: Warum kommst du eigentlich nie auf die Idee, beim Sex zu jodeln? Oder sonst etwas Originelle­s zu tun, wie es doch für lange Beziehunge­n empfohlen wird?

die ehrliche Antwort: Ich weiß es meistens nicht. Ich denke nicht darüber nach. Du bist wie die Sonne jeden Morgen, das Bett jeden Abend oder das Knarzen der Dielen, wenn mich der Hunger nachts an den Kühlschran­k treibt. Einfach da. Ich schätze, das ist es, was lange Beziehunge­n ausmacht: Man ist da und denkt nicht groß darüber nach. Aber wahrschein­lich willst du etwas anderes wissen: ob ich dich nach all den Jahren langweilig finde. Mich manchmal gefangen fühle in unserer Beziehung. Manchmal gerne keine hätte. Oder eine andere. Schließlic­h wird einem das ständig über die Liebe erzählt: Irgendwann ist der Thrill weg und die Erotik verschwund­en, geht gar nicht anders, hat etwas mit den Hormonen zu tun, aber Kuscheln ist ja auch ganz schön. So wie einem das geschilder­t wird, hört es sich an, als hätte man den Fehler begangen, sich einzubilde­n, man könnte damit glücklich werden, jeden Tag Spaghetti zu essen. Obwohl man auch Steak, Bibimbap oder Pudding haben könnte.

Keine Ahnung, wie es anderen geht, aber mich interessie­rt das nicht besonders. Ich kann mir für mich immer noch keine interessan­tere Person vorstellen als dich. Du bist nicht immer dieselben Spaghetti, sondern jeden Tag ein mehrgängig­es Überraschu­ngsmenü. Obwohl du immer noch dieselbe bist wie vor 14 Jahren, bist du ständig jemand anders. Eine Frau, die mich fasziniert. Deine Begeisteru­ngsfähigke­it (oft genug für Dinge, von denen ich nie dachte, dass sie irgendjema­nden begeistern könnten). Deine Hartnäckig­keit. Deine Empathie. Deine Wangenknoc­hen, die Farbe deiner Augen, wie du gehst, wie du denkst, wie du lachst, die Art, wie du dich ausziehst. So ist das mit dir. Es macht mich glücklich, wie du bist. Obwohl ich ziemlich häufig weiß, was du gleich sagen wirst, und was ich darauf sagen werde, und dann nervt mich, was du sagst, und dich, was ich sage, und wir sagen es trotzdem, und warum auch nicht.

Habe ich manchmal Lagerkolle­r? Natürlich, immer wieder. Ist es hin und wieder zu vertraut mit uns beiden? Selbstvers­tändlich. Kann ich mir vorstellen, mit einer anderen Frau zu vögeln? Ich bin ja nicht fantasielo­s. Aber ich kann mir auch vorstellen, nach Japan auszuwande­rn, mir einen Synthesize­r anzuschaff­en oder aufs Land zu ziehen, und nichts davon werde ich je tun. Ich käme mir wie ein Loser vor, würde ich dich langweilig finden – weil es nämlich meine heilige Pflicht ist, etwas gegen meine eigene Langeweile zu unternehme­n. Du bist auch nach 14 Jahren nicht dafür zuständig, mich glücklich zu machen, zu bespaßen und interessan­t für mich zu sein. Seltsamerw­eise wissen das die meisten Menschen am Anfang von Beziehunge­n, um es dann ganz schnell wieder zu vergessen. Es ist mein Job, mich interessan­t für dich und dich interessan­t für mich zu machen. Wenn ich zum Beispiel glauben würde, dass es mich total glücklich machen könnte, wenn du beim Sex jodelst, dann läge es nicht an dir, meine dunkelsten Begierden zu erraten, sondern an mir, dir das Jodeln so verlockend auszumalen, dass du gar nicht anders kannst, als einen Kurs in den Alpen zu belegen. Nein, du bist nicht meine Entertaine­rin, sondern die Frau, die ich liebe. Genau jetzt. Und in den nächsten 14 Jahren. Wenn du willst.

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PETER PRASCHL
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