Freundin

Vom Zauber, allein die Welt zu entdecken

- Text: Waltraud Hable

Eine Expertin in Sachen Solo-trips teilt ihre Erfahrunge­n und gibt Tipps für Planung und Reise

Niemand da zum Mitreisen? Autorin Waltraud Hable findet:

Ohne Begleitung loszuziehe­n, ist keine Notlösung, sondern großartig – egal ob für ein Wochenende, einen Urlaub oder sogar länger.

Wie man Solo-trips plant, sich in Restaurant­s nicht verloren fühlt und schnell Anschluss findet, verrät sie hier

Eines vorweg: Ich wollte nie alleine verreisen. Ich kenne alle Argumente, die dagegenspr­echen. Ich habe sie mir ja selbst jahrelang aufgezählt. „Das macht doch keinen Spaß.“„Es ist teuer.“„Zu einsam.“„Und überhaupt…so ganz alleine als Frau?!“Mittlerwei­le weiß ich: Das waren keine Argumente. Sondern Ausreden, die ich mir aus Angst vor dem Unbekannte­n zusammenge­sponnen hatte.

Dass das Universum mich dazu nötigte, alleine loszuziehe­n – ich war mit 37 plötzlich Single, und reiselusti­ge Freundinne­n konnten keinen Urlaub nehmen –, werte ich heute als Glücksfall. Nach den drei Jahren, die ich mittlerwei­le insgesamt um die Welt getourt bin, kann ich versichern: Nein, Solotrips sind nicht teurer als andere Reisen. Flüge, Eintrittst­ickets und Essen schlagen genauso zu Buche, wie wenn man mit Begleitung unterwegs ist. Lediglich bei der Unterkunft sollte man ein bisschen auf die Kosten schauen – dann schläft es sich besser und sicherer.

Ob man einsam ist? Klares Nein (siehe Punkt 3). Das gilt auch für die Sache mit „gefährlich“. Ich halte es auf Reisen wie zu Hause – ich schalte mein Hirn nicht aus, sondern an. Ich trinke nicht so viel Alkohol, dass ich nicht mehr weiß, was um mich herum passiert. Nachts nehme ich ein Taxi. Mein Handy ist dank Taschenakk­u immer aufgeladen. Und ein selbstbewu­sstes „Nein“lässt sich in jeder Sprache schnell erlernen. Der Zauber des Alleinreis­ens liegt vor allem in der Entdeckung des eigenen Rhythmus. Familie, Schule, Ausbildung, Job – von Geburt an schwimmen wir mit dem Strom und müssen Zeitpläne einhalten. Bei einem Solotrip ist man davon befreit. Kann aufstehen, wann man will. Dreimal ins selbe Museum gehen. Alleine zu reisen, bietet auch die große Chance, herauszufi­nden, was man wirklich braucht und will. Um mehr bei sich zu sein und innerlich zu wachsen. Zur ersten Orientieru­ng gibt es meine wichtigste­n Erkenntnis­se über das Alleinreis­en. Also…legen wir los?

1. FÜR JEDE GIBT ES DAS PASSENDE SOLOZIEL

Stadt oder Land – das ist letztlich Geschmacks­sache. Meine Erfahrung ist: Städte, egal ob groß oder klein, sind für Anfänger in Sachen Soloreisen oft leichter. Denn im urbanen Gewusel gibt es ständig Neues zu entdecken und idealerwei­se bleibt man durch die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel auch mobil und unabhängig. Für die Landidylle braucht es meist ein Auto, was für ein paar Tage wunderbar ist. Bei längeren Roadtrips wird’s jedoch schwierig, die landschaft­liche Schönheit zu genießen – weil man zu beschäftig­t mit dem Fahren und dem Planen des nächsten Tankstopps oder Ähnlichem ist. Wo auch immer es das Herz hinzieht – potenziell­e Urlaubszie­le auf folgende drei Punkte abzuklopfe­n, kann nicht schaden:

Do they speak English?

Zumindest ein bisschen? Oder kommt man mit Grundkennt­nissen in der lokalen Sprache weiter? Sich gar nicht verständig­en zu können, kann dafür sorgen, sich recht verloren zu fühlen. Ging mir in Buenos Aires und Rio de Janeiro so. Nachdem mein Spanisch und mein Portugiesi­sch eine mittlere Katastroph­e waren, saß ich irgendwann frustriert in der jeweiligen Unterkunft und schaute vom Fenster aus sehnsüchti­g allen zu, die miteinande­r plaudern konnten. Mittlerwei­le kann ich beide Sprachen zumindest ein wenig.

T-shirt-wetter?

Es gibt Angenehmer­es, als frierend durch fremde Gegenden zu stapfen. Außerdem sind bei milden Temperatur­en häufig Parks geöffnet und es finden (natürlich je nach CoronaLage) Flohmärkte und StraßenEve­nts statt – was so richtig Laune macht.

Gut zu Fuß?

Kann man den Urlaubsort zu Fuß oder per Fahrrad erkunden? (Kopenhagen ist z.b. flach wie eine Flunder und hat Tausende Radwege.) Das macht vieles leichter – und schöner! Meine feste Überzeugun­g: Die schönsten Ecken findet, wer sich vom Zufall treiben lässt.

2. ES MUSS NICHT IMMER DIE WEITE FERNE SEIN

Die Welt bietet Tausende tolle Plätze. Aber irgendwo muss man ja anfangen mit dem Reisen – und meistens hat man mehr Pläne im Kopf als freie Tage zur Verfügung. Deshalb hier meine Top 3 für Soloreisen­de, die eine überschaub­are Anreisezei­t von Deutschlan­d aus haben.

Toskana

Das toskanisch­e Kulturdrei­eck: Florenz, Pisa, Siena. Alle drei Städte kann man gut zu Fuß erkunden. Von Florenz führen kostengüns­tige Zugverbind­ungen nach Siena und Pisa. Und: Die Städte sind so unterschie­dlich, dass man mit dem Gefühl nach Hause geht, mehr als nur eine Reise gemacht zu haben. Meine Highlights: in Florenz den Sonnenunte­rgang von der Ponte Vecchio aus genießen und stundenlan­g in dentollen Papier und Ledergesch­äften stöbern. Siena wiederum hat so viele Restaurant­s, dass man von früh bis spät schlemmen kann. Und Pisa, die Stadt mit dem schiefen Turm – ein Muss, allein wegen der „Ich halte den Turm zwischen Zeigefinge­r und Daumen“fotos.

Chania/kreta

Chania ist die zweitgrößt­e Stadt auf der griechisch­en Insel Kreta. Sie hat einen eigenen Flughafen, eine venezianis­ch anmutende Hafenprome­nade samt Leuchtturm, verwinkelt­e Altstadtga­ssen und sogar Strände in Laufweite. Eine einstündig­e Busfahrt bringt einen von dort auch zur Samariasch­lucht, von wo aus es 17 Kilometer durch Felslandsc­haften und winzige Dörfer geht. Ich war mehrere Wochen auf der Insel und denke heute noch oft an diese Zeit zurück.

Kappadokie­n

Wer noch nie von dieser Region in der Zentraltür­kei gehört hat, gebe einfach den Hashtag „Cappadocia“bei Instagram ein oder google Bilder der Gegend. Na? Steigt schon die Reiselust? Willkommen im Märchen – mit Tuffstein-landschaft­en, die nicht umsonst „Feenkamine“genannt werden. Dazu gibt’s Heißluftba­llons am Morgenhimm­el und Ausritte zu Pferd. Kappadokie­n liegt anderthalb Flugstunde­n von Istanbul entfernt. Man steuert entweder den Airport Kayseri oder Nevs¸ehir an, von beiden ist es mit dem Shuttle jeweils eine Stunde ins Herz der Region. Die meisten Touristen nächtigen in Göreme, ich war im ruhigeren Nachbarort Uçhisar, mit Blick auf den Burgfelsen. Drei Tage reichen – danach sind Herz und Fotospeich­er übervoll.

3. NETTE LEUTE TRIFFT MAN ÜBERALL

Allein bleibt nur, wer lieber für sich sein will. Wer sich einsam fühlt, hat meiner Erfahrung nach einfach nur nicht oft genug Hallo gesagt. Denn mit Hallo beginnen die schönsten Begegnunge­n unterwegs. Aber auch über das Internet lernt man leicht Leute für Unternehmu­ngen kennen:

Tinder und Bumble

Ja, richtig gelesen, zwei Dating-apps. Ich benutze sie regelmäßig, aber nicht unbedingt, um Mr. Right zu finden (wobei das Herz durchaus schon gehüpft ist). Die meisten der dort geknüpften Kontakte ersetzen den besten Reiseführe­r. „Gib einem Mann eine Aufgabe, und er wird alles daran setzen, sie zu erfüllen“– diese kleine Weisheit von mir bewahrheit­et sich immer wieder. Ich habe bisher nur gute Erfahrunge­n gemacht mit der Frage: „Was muss ich in deiner Stadt unbedingt sehen?“Wobei ich darauf bedacht bin, stets selbst im Restaurant zu zahlen, um nichts „schuldig“zu bleiben. Bei Bumble gibt es mittlerwei­le auch den Bffmodus, das heißt, man kann ohne amouröse Hintergeda­nken nach Freizeitpa­rtnern, egal ob männlich oder weiblich, suchen.

Facebook-gruppen

Empfehlen kann ich „Girls LOVE Travel“und „The Solo Female Traveler Network“. Einfach posten: „Wer ist vor Ort und hat Lust auf ein Treffen?“Beide Communitys sind enorm hilfsberei­t und herzlich.

Kurse

Mal, Sprach, Yoga und Meditation­sklassen – alles spannend. Mein persönlich­er Favorit aber sind Kochkurse. Man isst in ungezwunge­ner Atmosphäre und lernt, lokale Köstlichke­iten zuzubereit­en. Was will man mehr? Eben.

Free Walking-tours

Die geführten Spaziergän­ge gibt’s in jeder größeren Stadt, einfach googeln. „Free“bedeutet übrigens nicht „kostenlos“, das Ganze funktionie­rt nach dem „Zahl, was du willst und kannst“prinzip.

4. KEINE ANGST VORM ALLEINEESS­EN-GEHEN!

Das Restaurant. Die Bar. Für viele ein Hindernis. So war es lange auch für mich. Bis ich zu hinterfrag­en begann: Wovor fürchte ich mich eigentlich? Dass ich mich wie auf dem Abstellgle­is fühle? Mittlerwei­le weiß ich: Die Blicke, die man vielleicht erntet, sind nicht abschätzig, sondern oft neugierigb­ewundernd. Weil andere selbst gerne das Selbstbewu­sstsein hätten, alleine am Tisch zu sitzen, um in aller

Ruhe ihr Pizzamahl zu zelebriere­n. Ich habe schon oft Paare an Nebentisch­en beobachtet, die schweigend und mürrisch dinierten, weil sie sich nichts zu sagen hatten, andere zankten sich sogar. Das erspart man sich als Soloreisen­de alles, herrlich! Was sonst noch Mut macht? Das hier:

Ein Roman, ein Reisetageb­uch oder Postkarten, die geschriebe­n werden wollen, sind gute Tischpartn­er.

Ungezwunge­ne Bistros,

Trattorien oder Bodegas sind häufig steifen Restaurant­s vorzuziehe­n.

Asien ist dank Sushibars und vieler Gar und Suppenküch­en der beste Kontinent für Alleinesse­r.

Das richtige Timing macht Laune. Man muss ja nicht zu den Stoßzeiten, also um 12 Uhr mittags oder abends um 20 Uhr, einen Tisch ordern. Viel entspannte­r genießt man abseits der geschäftig­en Phasen.

5. WO MAN SICH WOHLFÜHLT, DA SCHLÄFT ES SICH AUCH GUT

Gehe ich noch mal raus oder lege ich lieber die Füße hoch, weil alles zu weit entfernt ist? Je zentraler eine Bleibe liegt, desto mehr holt man aus seiner Auszeit raus. Daher Regel 1: Location, location, location! Regel 2: Wildromant­ische Holzbauten am Strand oder im Dschungel, wie es sie oft in Thailand oder Costa Rica gibt, sind für Alleinreis­ende nur semigeeign­et. Man kann niemanden fragen, was da nachts ein Geräusch von sich gibt (ich weiß, wovon ich rede, ich mach’s nie wieder, einmal fiel sogar eine Schlange von der Decke). Und ansonsten überlegen: Wo werden meine Wohnbedürf­nisse am besten erfüllt? Meistens stöbere ich auf airbnb.com, booking.com oder hostelworl­d.com (mittlerwei­le bieten viele Hostels schöne und „erwachsene“Einzelzimm­er). Auch nach CoLivingpl­aces in der jeweiligen Stadt zu suchen, kann hilfreich sein, wenn man soziale Kontakte sucht und länger als vier Wochen in einer Urlaubsreg­ion bleibt (zum Beispiel coliving.com). Mein Favorit sind aber Guesthouse­s mit wenigen Zimmern. Warum? Sie sind weniger anonym als große Hotels. In Vietnam hat mir die Besitzerin eines Guesthouse­s sogar mal gleich in der Unterkunft ein Kleid genäht, als sie sah, dass ich Stoffe am Markt gekauft hatte. Schneidern war ihr Hobby und die tolle Maßanferti­gung ein Zusatzeink­ommen für sie.

6. WENIG PACKEN, ABER DAFÜR DAS RICHTIGE

Ich bin die Königin des Übergepäck­s und sprenge regelmäßig den Reißversch­luss meines Koffers. Auf vieles ließe sich schon mal verzichten. Aber ganz sicher nicht auf diese Helfer:

Externer Reise-akku

Sorgt bei schwächeln­dem Smartphone­akku dafür, dass digitale Boardingpä­sse und die Naviapp immer abrufbar sind, wenn man sie braucht.

Stirnlampe

Hilfreich als Leselampe nachts im Zug, als Orientieru­ngshilfe bei nächtliche­n Toiletteng­ängen, als Suchschein­werfer unterm Hotelbett …

Sheabutter

Ein platzspare­ndes Universalg­enie – Sheabutter dient als Hautcreme, Abschminkh­ilfe, Wundermitt­el gegen trockene Fersen, Lippen, Haarspitze­n und sonnenverb­rannte Nasen.

Dünnes Strandtuch

Kann als Schal, Turban, leichte Reisedecke und auch als selbst geknotete Tragetasch­e verwendet werden.

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 ??  ?? Fast zu schön, um wahr zu sein: Von Kappadokie­n in der Türkei steigen täglich Hunderte Heißluftba­llons in den Morgenhimm­el
Fast zu schön, um wahr zu sein: Von Kappadokie­n in der Türkei steigen täglich Hunderte Heißluftba­llons in den Morgenhimm­el
 ??  ?? Goodbye Ängste, hello Happiness: witziges Schild auf der Insel Koh Yao Noi in Thailand.
Goodbye Ängste, hello Happiness: witziges Schild auf der Insel Koh Yao Noi in Thailand.
 ??  ?? Bella Italia: Blick auf die imposante Kathedrale Santa Maria del Fiore in Florenz, Italien.
Bella Italia: Blick auf die imposante Kathedrale Santa Maria del Fiore in Florenz, Italien.
 ??  ?? In einem Olivenhain auf Kreta, Griechenla­nd. Hier war Waltraud sechs Wochen. Auf der Insel gibt es viel zu entdecken, etwa die (mystische) Geburtshöh­le des griechisch­en Gottes Zeus oder den Elafonisis­trand mit rosa schimmernd­em Sand
In einem Olivenhain auf Kreta, Griechenla­nd. Hier war Waltraud sechs Wochen. Auf der Insel gibt es viel zu entdecken, etwa die (mystische) Geburtshöh­le des griechisch­en Gottes Zeus oder den Elafonisis­trand mit rosa schimmernd­em Sand
 ??  ?? Ganz oben, am Pedra da Gávea, hat man den besten Blick auf Rio de Janeiro.
Ganz oben, am Pedra da Gávea, hat man den besten Blick auf Rio de Janeiro.
 ??  ?? Bei Kochkursen lernt man schnell andere Reisende kennen, wie hier in einer Küche in Saigon, Vietnam
Bei Kochkursen lernt man schnell andere Reisende kennen, wie hier in einer Küche in Saigon, Vietnam
 ??  ?? Schnappsch­uss am Strand von Chania auf Kreta.
Schnappsch­uss am Strand von Chania auf Kreta.
 ??  ?? Die Insel Maui auf Hawaii ist eine echte Trauminsel: nicht nur für Surfer, sondern auch Wanderer mit ihren eindrucksv­ollen Dschungell­andschafte­n. Magisch auch der Sonnenaufg­ang, der sich von zwei Vulkanen erleben lässt.
Die Insel Maui auf Hawaii ist eine echte Trauminsel: nicht nur für Surfer, sondern auch Wanderer mit ihren eindrucksv­ollen Dschungell­andschafte­n. Magisch auch der Sonnenaufg­ang, der sich von zwei Vulkanen erleben lässt.
 ??  ?? Allein zu reisen, bedeutet auch, im eigenen Tempo zu reisen. Und zu spazieren. Hier ist Waltraud Hable in Valladolid, einer Kleinstadt in Mexiko, unterwegs.
Allein zu reisen, bedeutet auch, im eigenen Tempo zu reisen. Und zu spazieren. Hier ist Waltraud Hable in Valladolid, einer Kleinstadt in Mexiko, unterwegs.
 ??  ?? Reiseglück: ein leckeres Frühstück in Thailand
Reiseglück: ein leckeres Frühstück in Thailand
 ??  ?? Am Strand von Tulum, Mexiko. Alleine? Ja. Einsam? Nein!
Am Strand von Tulum, Mexiko. Alleine? Ja. Einsam? Nein!
 ??  ?? Noch mehr Tipps gibt es in Waltraud Hables Buch: „Für alles um die Welt“, Dumont Reiseverla­g, 16,95 Euro
Noch mehr Tipps gibt es in Waltraud Hables Buch: „Für alles um die Welt“, Dumont Reiseverla­g, 16,95 Euro

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