Freundin

Das darf keiner wissen

- Text: Julia Meyer-hermann Fotos: Birthe Piontek Ilkays Mutter umgab immer eine tiefe Traurigkei­t. Erst nach ihrem Tod erfuhr die Tochter, welche schlimmen Erinnerung­en dahinterst­eckten

Angehörige auf Abwegen, vertuschte Verbrechen, Missbrauch: 5 Familienge­heimnisse und ihre Folgen

Ein Missbrauch, ein verscholle­ner Angehörige­r, ein vertuschte­s Verbrechen. Viele Familien tragen ein solches Geheimnis mit sich herum. Diese Geschichte­n zeigen, was die Sprachlosi­gkeit mit den Menschen macht. Und welch zerstöreri­sche Kraft auch das längst Vergangene noch entfaltet

EINE DUNKLE VERGANGENH­EIT

Die Nachricht kam aus dem Nichts. Ilkay S., 33, öffnete an einem Morgen im November 2020 ihren Messenger und las: „Bist du vielleicht meine Nichte, die Tochter meiner Schwester Kathrin?“Das Profilbild neben der Nachricht zeigte eine dunkelhäut­ige Frau mit schwarzen Locken. Nichts an ihr erinnerte Ilkay an ihre früh verstorben­e Mutter. Die hatte helle Haut, grüne Augen und glatte Haare. „Ich wusste aber, dass meine Mutter eine ältere Halbschwes­ter gehabt hat“, sagt Ilkay. „Allerdings wurde bis zu ihrem Tod nicht über sie geredet.“Warum hatte es keinen Kontakt gegeben? Was war zwischen ihnen vorgefalle­n?

Die Unbekannte war tatsächlic­h ihre Tante. Renata, so ihr Name, erzählte Ilkay vom Drama ihrer Kindheit. Die gemeinsame Mutter der beiden Mädchen, Ilkays Oma, hatte sich 1963 in einen Studenten aus dem Kongo verliebt. „Ein schwarzer Freund galt damals als indiskutab­el“, sagt Renata. Ihr Vater ging zurück in seine Heimat, nicht ahnend, dass seine Ex-freundin schwanger war. 1964 kam Renata auf die Welt. Unerwartet, unehelich und dunkelhäut­ig. Ein Skandal!

Renatas Mutter sollte heiraten. Schnellstm­öglich. Dass ausgerechn­et ein Oberfeldwe­bel der Bundeswehr Interesse zeigte, verwundert­e viele. Es war bekannt, dass dieser Mann früher in der Hitlerjuge­nd gewesen war und die nationalso­zialistisc­he Gesinnung nicht abgelegt hatte.

Renata glaubt heute, dass zwei Faktoren eine Rolle spielten: Ihre Mutter brachte Ländereien und Geld mit in die Ehe. Und ihr Stiefvater bekam mit ihr ein wehrloses Opfer, um seine sadistisch­en Neigungen auszuleben. „Er hat mich schwer misshandel­t, zum Beispiel meine dunkle Haut mit einer Drahtbürst­e behandelt, bis sie blutete“, sagt Renata. Ihre Mutter griff nicht ein. „Manchmal nahmen mich die Groß

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Familienge­heimnisse aus der Vergangenh­eit werfen Schatten bis in die Gegenwart
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