»LOS, WAS MACH EN WIR JETZT?«
Besuch aus den USA: Schauspielerin Franka Potente kommt mit einer eigenen RegieArbeit („Home“) im Gepäck. Wir begegnen einer Frau, die viel Energie, Bodenständigkeit und einen NotfallNotizzettel hat
Man erkennt sie sofort. Obwohl es fast ein Vierteljahrhundert her ist, dass sie mit „Lola rennt“in unsere Herzen sprintete. Franka Potente, 47, ist von Los Angeles – wo sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern lebt – nach München gereist. Hier stellt sie auf dem Filmfest ihren ersten Spielfilm als Regisseurin und Drehbuchautorin vor. Sie hat eine zupackende, bodenständige Art, ihr Blick ist wach, offen. „Ist dir zu kalt?“, fragt sie, als wir uns zum Interview auf dem Balkon eines Apartments niederlassen, es ist zehn Uhr früh. „Ist doch kühl. Nimm doch mal diese Decke.“Sie reicht eine graue Decke herüber, die auf ihrem Stuhl liegt – keine Widerrede!
Wie stolz sind Sie heute auf Ihren ersten eigenen Film?
Sehr. Vor allem, weil er jetzt fertig ist. Das war viel Arbeit, viel Lebenszeit. Und man fühlt sich so seltsam nach diesem Jahr: Ich habe das Gefühl, ich bin wie ein Tierchen, das aus seinem schwarzen Loch krabbelt. Und plötzlich gibt es Menschen und Publikum und Applaus. Muss ich mich erst dran gewöhnen…
Haben Sie eigentlich eine Schwäche für rote Haare?
(lacht) Nein, warum? Ich stehe vor allem auf Tattoos!
Ich habe gelesen, dass ein Bild des – rothaarigen – Sängers Frank Carter Sie zur Hauptfigur Ihres Films inspirierte.
Das stimmt. Mir hat sein Look gefallen. Manchmal sieht man ein Bild und denkt: Das wäre doch eine coole Hauptfigur für eine Geschichte. Natürlich spielen auch die roten Haare eine Rolle. Mich hat das an etwas erinnert: In der Kleinstadt, aus der ich komme, gab es einen seltsamen Typen. Ich war so 12 oder 13 Jahre alt, da haben wir Mädchen uns immer morgens getroffen, sind gemeinsam mit dem Fahrrad zur Schule gefahren. Der Typ ist uns immer hinterhergefahren. Wir haben uns total vor ihm gegruselt. Und der hatte rote Haare, man hat ihn deswegen aus Hundert Metern Entfernung erkannt. Damals war es bei uns nur der Dorfdepp, heute frage ich mich: Was war mit ihm? Am liebsten würde ich ihn aufspüren und mir seine Geschichte erzählen lassen. Aber vor allem wollte ich einen Film machen über jemanden, der etwas Schlimmes getan hat und noch mal in seiner Heimat neu anfangen muss.
Sie haben Ihren Film „Home“genannt. Ein Begriff, zu dem einem unglaublich viel einfällt. Was assoziieren Sie damit?
„Home“hat ja zwei Bedeutungen: Zuhause und Heimat. Zuhause ist für mich unmittelbarer. Das sind für mich die USA, da sind meine Kinder geboren, da ist mein Alltag, da ist mein Mann. Heimat ist für mich der altmodischere, nostalgische Begriff. Mit Kathy Bates habe ich viel über meine Oma gesprochen und über das Dorf, aus dem sie kam. Wenn ich an Heimat denke, dann denke ich an alte Lieder, die die Oma gesungen hat. Den Kuchen, den sie immer gemacht hat, den Kittel, den sie getragen hat… Omas sehen überall so aus, oder?
Haben Sie gute Erinnerungen an Ihre Oma?
Ja! Ich hatte natürlich zwei. Eine war etwas ländlicher, die kam, wie gesagt, aus einem kleinen Dorf. Sie hat immer einen bestimmten Kuchen für mich gebacken, den wollte ich gar nicht unbedingt. Aber sie hat gesagt: „Franka, der Fridolinkuchen ist nur für dich.“
Was ist denn ein Fridolinkuchen?
Das ist ein Kuchen mit Schokolade und Vanille und Streuseln obendrauf, den habe ich ewig nicht mehr gegessen! Meine Oma hat mich immer vollgestopft mit Essen. Die andere Oma, Oma Münster, war etwas städtischer. Sie sah ganz extravagant aus, sie hatte sich in den 20er-jahren mit Kohle die Augenbrauen weg